2.

[413] In der Kirche zu Ennentach (Ennedâ) ist eine Seitenkapelle mit der Gruft des hl. Luitpertus. Dieser lebte zu Fulgenstadt und hatte die fromme Gewohnheit, jeden Samstag nach Ennentach zu gehen und die heiligen Sakramente zu empfangen. Als er starb, erzählt die Volkssage dieses: St. Luitpertus hatte zwei Ochsen, von denen der eine nur ein Horn, der andere aber seine zwei Hörner hatte. Als einstens Luitpertus im Stalle war, da sprach das Einhorn zu dem Zweihorn: »Wo gehen wir morgen hin?« Der Zweihorn sagte zum Einhorn: »Morgen führen wir unsern Herrn nach Ennentach.« So war es denn auch. St. Luitpertus starb des andern Tages. Der Leichnam wurde auf einen Wagen geladen, und seine zwei Ochsen zogen ihn von dannen: folgten aber nicht den Knechten, sondern liefen rasch, wohin sie wollten, Ennentach zu, und Niemand konnte sie aufhalten. St. Luitpertus wurde da begraben. In seine Gruft hinunter[413] in der Seitenkapelle geht eine Oeffnung. Fußleidende strecken ihren Fuß hinunter und sollen schon Viele geheilt worden sein335.

335

Variante bei Meier S. 295. Vgl. O.A. Beschr. von Saulgau S. 197. Griesingers Lexikon v. Württemberg etc. s.v. Ennentach. St. Sebald ziehen zwei oder vier Ochsen nach seinem Tode auf einem Wagen dahin, wo jezt die Sebalduskirche in Nürnberg ist (Otte, kirchl. Archäol. 139). Ebenso den Grafen von Calw; vgl. Schwabs Gedicht und Crusius I. 485. Meier 332. Siehe die »weisenden Ochsen«, die St. Hirmon fortziehen, Panzer II. 39. Legende vom hl. Emmeran a.a.O.I. 220. Im Buche »Simplicium leges«, d.i. Christliche und unfehlbare Bauernregeln von Francisko Antonio Oberleitner. Augsburg 1732. I. Thl. S. 32, heißt es: »In der Hochgräflichen Herrschaft von Scheer lebte ein Baur, den man wegen seiner Frommkeit nur das fromme Bäuerlein nannte. Dieser gelangte mit seiner Gottesforcht, Andacht und sonderbahrer Liebe zu Gott zu großer Vollkommenheit; wiewohlen Er den Tag hindurch hart arbeittete, stunde Er dennoch des Nachts auf und ginge auch in harter Winterszeit eine stund weit in eine gewisse Kirchen, dessen Thür von selbsten aufgangen. In diser Kirchen ist ihme oft Christus in Gestalt eines Hürten, seine liebe Muetter Maria, und der heilige Baur Isidor erschienen, vnd ihne getröstet; in seinem stall betrachtete er ganz anmüthig den bethlehemitischen Stall und das darin vollbrachte große Geheimniß, und weilen ein öchslein bei der Geburt Christi zugegen war, so liebte er vor allen thieren ein Oechslein, welches Er dessentwegen wohlhielte aber nit ohne Vergeltung, dan als er eraltet und sterben sollte, ließe Gott zu, wie einst gegen Balaam geredet ein Esel, also da redete dieses Oechslein mit deutlicher sprach, und sagte ihm an den Tag seines Todts. Der Baur glaubte diesem Wunder, gehet frisch und gesund in bemelte Kirchen, beichtet, lasset sich versehen, gehet nach Haus, leget sich nieder, begehrt ein brennendes licht und kreutz, bettet mit großer innbrunst das heilige Vater unser, ave Maria vnd glauben, stirbt hierauf sanft, als schlafe er ein. – Seinen Leib hat man auf ein gefährt gelegt, und dieses wunder redende Oechslein daran gespannet, alldorten begraben, wo es auf Befelch Gottes von sich selbsten still gestanden, wo dieser Leichnam anoch ruhet, vnd in großer Ehr gehalten und besucht wird, auch nit wenig gnaden und Gutthaten durch Verdienst und Firbitt disses frommen Bäurleins erlangt werden.« Vgl. »Luitbertus«, oder das Bäuerlein von Fulgenstadt. Eine oberschwäb. Legende in sechs Liedern von Hermann Knapp. Sigmaringen, Tappen.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 413-414.
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