643. Die Kapelle zu Zöbingen.

[418] Mündlich.


Es mag schon viele, viele hundert Jahre sein, daß am südlichen Ende Zöbingens tief im finstern Eichenwalde eine kleine Marienkapelle stand. So haben's alte Leute von ihren Eltern und Großeltern gehört. Diese sei dann von Räubern geplündert und in Brand gesteckt worden. Lange nachher, als Zöbingen schon ein bedeutender Ort geworden war, trug sich einsmals Folgendes zu: Ein Ritter vom benachbarten Hohenbaldern jagte eines Tages in diesem Eichenwalde bei Zöbingen. Wie er schon seiner Burg zu heimkehren wollte, stieß er plötzlich noch auf einen Eber. Der Ritter verfolgte ihn und ritt über sumpfigen Grund, allwo[418] er plötzlich versank sammt seinem Rosse. Männer von Zöbingen kamen ihm zu Hülfe und brachten ihn glücklich mittelst Schaufeln und Stangen aus dem Sumpfe heraus. Während sie auf beiden Seiten des Pferdes hinuntergruben, kamen sie auf einen verschlossenen Trog, darin war bis oben Alles voll Geld, zwei frische Aepfel und zwei Todtenköpfe bei andern Gebeinen. Auch ein Zettel war da, der sagte, wozu man alles dieses verwenden solle. So geschah es, daß sich bald eine prachtvolle Kapelle an dem Orte erhob, wo der Ritter von Hohenbaldern gerettet wurde. Mittlerweile aber hatte der Eber in der Nähe eine Glocke herausgewühlt, die sogleich in dem schönen Kirchlein aufgehängt wurde, nachdem es erbaut war. Die sumpfige Stelle wurde in einen Brunnen umgewandelt, der sich jezt noch unter dem Hochaltare befindet341.

341

Glocken von Schweinen ausgewühlt vgl. Schambach u. Müller Nr. 74. 1. Baader Nr. 187. Panzer II. 418 ff. Regensburger Sonntagsblatt 1859. Nr. 48.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 418-419.
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