1.

[433] Die Bopfinger hatten mal einen Delinquenten, der gehenkt werden sollte. Sie besaßen aber unglücklicher Weise keinen eigenen Galgen und mußten die Lauchheimer um den ihrigen angehen. Der hochweise Lauchheimer Magistrat hatte reiflichen Rats gepflogen und beschlossen: man wäre gern bereit, als Nachbarn den Galgen herzuleihen, allein sie hätten in den Akten gefunden, daß der Galgen blos für sie und ihre Kinder und Kindskinder bestimmt sei. Kurz, die Bopfinger bekamen den Galgen nicht, tränkten es aber bald den Lauchheimern ein. Der Delinquent kam gut weg, die Bopfinger gaben ihm Reisegeld, er möchte sich, da sie keinen Galgen hätten, in Nürnberg hängen lassen. Bald darauf wollten die Lauchheimer einen an den Pranger stellen, hatten aber keinen Pranger. Sie gingen die Bopfinger um den ihren an, allein bekamen auch die Antwort: der Pranger sei nur für sie, ihre Kinder und Kindskinder bestimmt.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 433.
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