665. Der Kukuk von Haiterbach.

[443] In Wolfs Zeitschr. I. S. 440 ff., mitgetheilt von E. Meier.


Die Leute von Haiterbach, einem alten Städtchen im Oberamt Nagold, sahen vor viel hundert Jahren im Wiesthale zum ersten Mal einen Kukuk und erschracken nicht wenig über diesen unbekannten Vogel. Sie schlossen sogleich die Stadtthore und verstopften sogar mit Kraut die unteren Oeffnungen derselben, damit der Vogel doch ja nicht in die Stadt kommen möge, denn sie fürchteten, daß er ihnen Unglück bringe. Sie sollen deshalb sogar eine Betstunde in der Kirche gehalten und dabei ein Lied gesungen haben, das so anfängt:


Es ist ein fremder Vogel kommen

In dem Wiesthal unne dran.

Kyrie eleyson!


Trotz aller Vorsicht, mit der man die Thore verrammelt[443] hatte, kam der Kukuk dennoch in die Stadt, indem er über das Stadtthor flog. Seit der Zeit haben die Haiterbacher den Zunamen »Kukuk« erhalten, hörens aber nicht gerne, wenn man sie an die Geschichte erinnert und ihnen diesen Namen zuruft.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 443-444.
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