117. Der Ritt am Christi Himmelfahrtstag in Rottenburg.

[90] Die Prozession ging vom Spital aus. Zuerst kam das Kreuz, dann die ledigen jungen Leute. Hierauf folgte eine rote Fahne, dann zwei Laternen und hinter diesen die Geistlichkeit. Das erste Evangelium wurde bei der Hammerschmiede gelesen, das zweite bei Kalkweil, das dritte beim Obernauer Kreuz in der Dölle, das vierte beim Weggenthal. Bei Kalkweil trennte sich nach dem zweiten Evangelium ein Theil der Prozession. Die Geistlichen ritten, begleitet von den Ministranten, dem Chorregenten (Gille) und den Laternen-und Fahnenträgern dem Obernauer Kreuz zu, wo das dritte Evangelium verlesen wurde. Dann ritten sie herab bis an den Bollengraben, dort stieß man wieder auf einander, indem die von Kalkweil hereinzogen.[90] Die vom Obernauer Kreuz her mußten durch die Saaten auf Feldwegen reiten, daher die noch jetzt hie und da bräuchige Redensart in Rottenburg: »em Reiter işt 's Blueşt em Uffartsdâg ĩ d'Stîf.l g.falle«, was günstig war. Ungünstig war, »wenn 's Blueşt ett ĩ d'Stîf.l g.falle işt«, weil dann die Saaten noch nieder standen, d.h. zu spät daran waren. Vom Weggenthal ging es wieder heim dem Spital zu. Dieser hielt die Prozession auf seine Rechnung. Der Gille bekam ein Laib Brod, eine Maas Wein. Die Buben und Ministranten den vierten Theil. Die Spitalknechte, welche Laternen und das Kreuz trugen, bekamen 1/2 Maas Wein und 1/4 Laib Brod. Die Kalkweiler Schützen erhielten 1/2 Laib Brod und 1/2 Maas Wein. Die zwei Weinbergschützen, die den Altar trugen, erhielten je eine Maas Wein und 1/4 Laib Brod. Der Altar war rings mit Maien umgeben.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 90-91.
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