124. Das Maienstecken.

[94] findet statt in der Nacht vom letzten April auf den 1. Mai, und gilt nur solchen Personen im Orte, die sich auf irgend eine Weise bei der ganzen Gemeinde oder einem Theil derselben beliebt gemacht haben; oft gilt es auch der Geliebten eines reichen Burschen. Nicht selten geschieht es einem reichen Einwohner zu Ehren, von dem sich ein Fäßchen Bier etc. erwarten läßt. Das Maienstecken wird von ledigen Burschen besorgt. Sie holen zu diesem Zwecke schöne junge Tannen, auch Birken oder Linden im Walde, schälen dieselben ab oder ringeln sie auch bis an die Krone, verzieren sie oft noch mit Bändern, Kränzen etc. und graben die Bäume Nachts vor die betreffenden Wohnungen ein. Die Geehrten freuen sich alsdann hierüber und geben den ledigen Burschen nicht selten einen ordentlichen »Suff«. Solche Maien bleiben vor den Häusern oft mehrere Wochen stehen.

Weniger üblich, aber doch gebräuchlich, ist in manchen Gegenden, z.B. im Oberamt Gmünd, das Maienstecken, wodurch gewisse Personen beschämt werden sollen. So wird schwangern oder sonst im übeln Rufe stehenden Personen ein[94] hölzerner, mit Lumpen und Fetzen gekleideter Mann vor das Kammerfenster, auf die Miste, auf einen Baum oder gar auf den First des Hauses befestigt und der Weg, der zu ihrem Liebhaber führt, mit Spreu bestreut. – Bauern und Knechten, die das Pflügen und Eggen und Fahren nicht gut betrieben, werden Pflüge etc. in der Regel auseinander gelegt, auf Bäume, Waschhäuser etc. gethan.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 94-95.
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