137. Die St. Johannesminne31.

[110] Im Ravensburgischen bis gegen Markdorf hin wurde früher der St. Johannestrunk besonders hoch gehalten. Jeder Bauer nimmt seinen Johannessegen, etwa eine Maas, oft noch mehr guten roten Wein mit nach Hause: roter Wein[110] muß es sein. Kommt man von der Kirche heim, so werden Mutter, Kinder, Knechte und Mägde bis zum einfachsten Hirtenbuben herab zusammengerufen, und Alles sezt sich um den Tisch herum. Der Hausvater trinkt zuerst aus dem Becher, und sodann macht er die Runde am ganzen Tische; sogar das Kind in der Wiege muß St. Johanniswein trinken. Den ganzen Tag feierte man und wurde wenig gearbeitet. Desgleichen ist St. Johannissegen im Wirtshause zu treffen. Der Wirt läßt ziemlich viel Wein zur Kirche tragen, und davon bekamen Nachbarn, Stammgäste und solche ärmere Leute, die keinen Wein aufzubringen vermochten, zu trinken32.

31

St. Johannes des Evangelisten Tag ist hier mit des Täufers Fest (24. Juni) zusammengestellt.

32

»Solle der Siechenmagdt alle Nacht eine zwey Mäßige Kanten mit gutem alten Wein gegeben werden den Krankhen zu einem Sant Johannes Seegen.« Biberach. Chronik 17. Jahrh. Ms. S. 71.

»St. Johannis Segen ward abthan.« Pflum. Annal. 1523 bis 1531. (Ms. in Biberach.)

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 110-111.
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