166.

[165] Zu Hauerz, im Oberamt Leutkirch, ward früher immer zu Martini die Kirchweih gehalten, bei der sich alle Bewohner[165] der Gegend einfanden. Die Bauern brachten alsdann dem hl. Martin alles Mögliche zum Opfer: Frucht, Hanf, Obst, Fleisch, Eier, Schmalz, Butter u. dgl. In den Wirtshäusern wurde geschmaust und getanzt. Am Tag darauf wurde eine »Nachkirchweih«, wie man es nannte, gehalten, und da blieb Niemand zu Haus, denn an diesem Tage verzehrte man das Opfer, das dem hl. Martin gefallen war; was aber übrig blieb oder nicht eßbar war, wie Flachs, Hanf u. dgl., das vertheilten die Leute unter sich und nahmen es mit nach Haus41.

Manchmal hat man auch wol den hl. Martin aus der Kirche abgeholt und in's Wirtshaus gebracht, damit er selbst sehe, wie fröhlich sein Opfer verzehrt werde. Wolf, Zeitschr. I. 44142.

41

Vgl. Menzel, Symbolik II. 112.

42

Ueber dieses »Martinlob-Trinken« vgl. eine Stelle aus einem elsäß. Predigtbuch, Perg. Handschr. des 14. Jahrh. hinten in den Anmerkungen.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 165-166.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sitten und Gebräuche
Sitten und Gebräuche