94. Der Palmesel zu Konstanz14.

[76] Dieser Palmesel wurde bei der in der Kirche von den Domherren und Kaplänen gehaltenen Palmsonntagsprozession in der Kirche aufgestellt, um den Eintritt von Christus in Jerusalem zu versinnlichen. Nachher wurde er in den Kreuzgang gebracht und gegen Entrichtung eines Kreuzers die Kinder mehrere Mal auf-und abgezogen, wodurch die Meßner eine kleine Erwerbsquelle fanden. Dieses Vergnügen, welches bis an den Abend dauerte (es ersezte also gewissermaßen unsere heutigen Karuselle), erfreute die Kinder um so mehr, als sie an diesem Tage nach altem Brauche meistens von ihren Taufpaten silberne Thaler, von schönen rothen Bändern in Silber eingefaßte Amulette erhielten, womit sie sich zierten. Unter Kaiser Josephs II. Regierung[76] nahm dieser Gebrauch gegen 1784 ein Ende. Der verstorbene Dekan Straßer ließ diesen kinderfreundlichen Esel verspalten.

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Diese und die folgenden Konstanzer Sitten verdanke ich dem wackern Dr. Marmor.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 76-77.
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