177. Das Hundslehen oder der St. Conradiritt49.

[178] Das Stadtamt Haigerloch hatte in Ergenzingen ein jährliches Gefäll an Geld und Früchten zu erheben, deren Einzug mit nachstehenden Feierlichkeiten, wobei der Hund die Hauptrolle spielt, verknüpft war.

Am Vorabend vor Conradi ritt ein ehemals fürstlich Sigmar. Rentmeister in Begleitung des dortigen Kastenknechts und eines Hundes nach Eutingen (Ergenzingen?). Angekommen vor dem Dorfe, hielt der Rentmeister bei der St. Conradikapelle und der Kastenknecht begab sich in's Dorf auf das Rathaus und meldete dort die Ankunft seines Herrn. Durch den Dorfwaibel wurde nun solcher abgeholt, der beim Absteigen dem Rentmeister den Steigbügel halten mußte.

Nun wurde ein Imbiß aufgetragen, wobei für den mitgebrachten[178] Hund ein besonderes Gedeck servirt wurde. Dieses bestund in einer Suppe mit Pfeffer und einer Bratwurst darin. Ohne mitgebrachten Hund wäre die Gült nicht geliefert worden. Wenn dies geschehen, so wurden die Geldbeiträge auf den Tisch gezählt und des andern Tages die Früchte geliefert. Einmal soll es sich ereignet haben, daß statt des Rentmeisters bei einem Krankheitsfalle der Renteischreiber abgeordnet worden, der ein kleines Hündchen in der Rocktasche mit sich führte, ohne daß solches von der anwesenden Gesellschaft gesehen wurde. Schon freuten sich diese des Verfalls der Gült – und verweigerten die Zahlung. Da zog der Renteischreiber sein Hündchen aus der Tasche, und als solches mit Appetit die servirte Suppe mit der Wurst auffraß, mußten die Bauern mit langen Gesichtern die Gefälle entrichten.

49

Von Uhland mir mitgetheilt. Herr Decan Holl in Horb schöpfte diese Mittheilung aus dem Volksmunde. Wo die St. Conradikirche stand, konnte nicht ermittelt werden.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 178-179.
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