228. Unzuchtstrafen älterer Zeiten in Rottenburg a.N.

[216] In Rottenburg a.N. mußten noch am Schlusse des 18. Jahrhunderts die Gefallenen drei Sonntage vor der Kirche hüben und drüben hinstehen; sie hatte stroherne Zöpfe und Kranz, er einen Strohmantel. Auf der Weitenburg ob Berstingen konnte man noch lange nachher solche Instrumente sehen. Strohkranz und Zopf sind in dem Waffensaal zu Sigmaringen zu finden. In Dietenheim im Illerthal mußten die Gefallenen vor versammelter Gemeinde sich beim Kreuzaltar aufstellen, nachher zum Pranger beim Rathaus hinstehen. Auch in Saulgau erhielten gefallene Mädchen einen Strohkranz, gefallene Jünglinge einen Strohdegen, womit sie sich vor der Kirchthüre zur Schau stellen mußten. In Rotweil, Rottenburg etc. scheint das »Schellenbergen« (schellwerken = geschlossen, in Ketten etc. arbeiten auf Straßen) sehr oft vorgekommen zu sein. In den Ortschaften Neckaraufwärts von Rottenburg gab es einen Gemeindekarren, auf dem der Gefallene seine Metz öffentlich herumführen mußte. Die ganze Jugend folgte dem Karren unter Kothwerfen, Pfeifen, Zischen. Ihm war eine Art Hörnlein vor den Mund gebunden, das bei jedem starken Athem einen Ton von sich gab; er konnte also nicht zu sehr eilen. Im Kothwerfen that sich die ganze Schuljugend hervor87.

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Ueber derlei Unzuchtstrafen vgl. auch Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit Jahrgang 1854. Sp. 114. Jahrg. 1855. Sp. 175 ff. Jahrg. 1858. Sp. 56, wo ich diese Nummern auch mittheilte mit geringer Abweichung.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 216.
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