2. In des Bräutigams Haus.

[322] Angekommen in des Bräutigams Hof, wird der junge Hochzeiter freudig empfangen und in die Stube begleitet. Ein Essen ist schon in Bereitschaft gehalten. Küchle, die in ganz Schwaben eine große Rolle spielen, und zwar Aepfelküchlein, geräuchertes Fleisch, Brodschnitten, ähnlich wie die sog. Funkenringe in Eierteig wiederholt getaucht und geprägelt[322] und gebacken, bilden so diesmal die Hauptspeisen. Eine Stunde später als die Hochzeitleute, jedoch zum Essen noch recht, kommen der Hochzeiterin ihr Vater und Bruder. Nachdem auch noch Nudeln, Kaffee, geräuchertes Rind-, Schweine- und sog. Hagenfleisch nebst Branntwein, Butter, Honig aufgetischt worden, läßt man sich's »weidle« schmecken. Der Bauer hat dieses Fleisch alles eigen. Es werden jährlich zwei bis drei Mal Rinder, besonders auch Farren abgeschlachtet für das Haus und eben so viele oder noch mehr Schweine. Es gibt das Jahr über beim Hofbauern in Oberschwaben immer gutes Fleisch; das geräucherte Fleisch ist dem Bauern so notwendig als nur irgend etwas. Hier will ich gleich bemerken, daß bei diesem Abschlachten der Pfarrer sehr gut, was Qualität und Quantität anlangt, bedacht wird.

Nach dem Essen beginnt im Hause gleichfalls die Runde von unten bis oben, wie in der Hochzeiterin Haus. Dieses Geschäft, traditionell wie fast nichts Anderes, hat den eigenen Ausdruck »besehen« (bsẽe). Zuerst geht's in den Stall, von da in die Kammern an Kästen, Wandschränke etc., Alles wird besehen, besprochen und nach diesem die gegenseitige Einwilligung zur Heirat recht und ernstlich und kräftig gegeben. Bemerken muß ich noch, daß der Volksausdruck für die genannten Brodschnitten, die in eingeschlagenen Eiern umgedreht werden, »Sträuble« ist, ein auch im benachbarten Baiern bräuchiges Wort.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 322-323.
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