7.

[352] »Vielgeliebte Eh'leut! Sollte euch Gott der Allmächtige etwas bescheren, so wendet es an zu eurem Seelenheil und des Leibs Wolfahrt, kommt also dem Exempel des heiligen Tobias und seiner vielgeliebten Jungfrau Sara nach, sprecht in allen euren zufallenden Widerwärtigkeiten und Trübsalen: laßt uns niederfallen vor unserm Gott und ihn bitten um Geduld und Segen, damit er euch wölle geben nach dem zeitlichen das ewige Leben. Dazu helf euch und uns allen die allerheiligste und unzertheilte Dreifaltigkeit: Gott Vater, Sohn und hl. Geist. Amen.«

Jezt geht der Hochzeitläder an allen Tischen herum mit einem Teller; ihm folgt der Hochzeiter und die Hochzeiterin; ersterer nimmt die Gaben vom Hochzeitlader in Empfang und bedankt sich bei jedem einzelnen Geber; auch die Braut läßt's an dankenden Worten nicht fehlen und gibt jedem Geber den sog. »Hauxetwecken«. Das ist ein Kreuzerbrod. Wer später kommt, schenkt besonders. Die Brautleute erwiedern: »So î dank, wenn îs wieder wett machen kan, wurr is au thun.« Keiner kommt zur Hochzeit, ohne etwas zu schenken. Die Hochzeitgeschenke bestehen in Geld, und zwar vom Kronenthaler bis zum Zwölfer abwärts, so daß oft ein Hochzeitpaar über 100 Gulden einnimmt.

Die Hochzeitleute und die Eltern Beider bringen jedem[352] Hochzeitgast Wein zu trinken. Kein Hochzeitgast verläßt das Wirtshaus, ohne von dem Bräutigam oder der Braut, oder von beiden bis unter die Hausthüre begleitet zu werden. Sind's nur einigermaßen angesehene Leute, so wird ihnen » naußg'macht«. Dies geschieht von zwei bis drei Musikanten. Dabei wird oft viel Wein getrunken, welchen der bezahlt, dem man »auße« macht. Alle Umstehenden können trinken. Es wird im Hausgang, auf dem Hof etc. alsdann noch getanzt. Dabei wird auch noch gesungen und die Spielleute begleiten den Gesang; diese verdienen dabei ihr gutes Stück Geld. Das »Außemachen« geschah früher oft bei einem halben hundert Personen; ob jezt noch, weiß ich nicht.

Am Abend kommen die Ledigen beiderlei Geschlechtes. Jezt wird's erst recht lustig. Vor jedem Tanz wird ein Liedlein gesungen. Oft kommen auch im Gesang Sticheleien vor, was am Ende nicht selten zu Reibereien führt. Solche Liedlein sind z.B.:


1.

Selt dunten am Zaun

Do woidet mein Braun.

Ei lass'n nû woiden,

I sich 'n ja schaun.


2.

Ueber Stigl, über Zaün

Hopf i zu der Schlambell nein;

D'Schlambell hat 'n gotzige Rock,

In der Mitt hot der 'n Loch.


Bei diesen Liedlein singt in der Regel Einer vor und die Andern fallen alsbald im Chore ein.

Nach dem Tanze läßt der Tänzer seine Tänzerin trinken; ist es sein Schatz, so sezt er dieselbe neben sich an den Tisch.[353] Auch bei den Ledigen wird »über Tisch gemacht«, und zwar wird jeder Tisch besonders genommen. Dabei wird von allen Gästen, die singen können, gesungen; die Musikanten haben hiebei die Begleitung zu besorgen. Ein Musikant, der die Melodie der vorgesungenen Liedlein nicht nachspielen kann, kann »nex«. Von der Wirtsmagd wird der »Spielkreuzer« eingesammelt.

Dem Pfarrer bringt eine der »Hauxetmägde« Nachmittags in den Pfarrhof ein Nastuch, eine Flasche Wein, einen Braten und ein paar Würste, eine Citrone und einen Rosmarinstengel. Er selbst erscheint auch bei der Hochzeit, bevor der zweite Spruch gethan wird.

Nachts 12 Uhr brechen die Hochzeitleute auf. Zuvor muß aber der Hauxetknecht der Braut den Kranz herunternehmen. Die Musikanten spielen hiezu ein gewisses Stück auf; wird er während dieser Zeit mit seiner Arbeit nicht fertig, so kostet es ihn eine Maas Wein.

Die Tobiasnächte werden auch hin und wieder gehalten, d.i. der Bräutigam berührt seine Braut drei Nächte nacheinander nicht. Durch diese Enthaltsamkeit hofft man eine »arme Seel« zu erlösen.

Des andern Tags gehen die Hochzeitleute in die Kirche, hernach in's Wirtshaus und bezahlen die Zeche, die ihnen wiederum einen großen Theil des gestern Geschenkten raubt.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 352-354.
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