330. Hochzeitsitten aus Franken.

[388] Im ehemals Würzburg'schen Bisthum, im sog. Gäu und einigen Orten des gegenwärtigen Bezirks Mergentheim besteht hie und da noch folgende Sitte bei den Hochzeitsmälern: Diese werden meistens im Haus der Brautleute gehalten.[388] Die Braut sizt in einem Winkel des Zimmers; über ihr muß das Cruzifix hängen, woher der Winkel den Namen »Herrgotts-Winkel« hat. Neben ihr sitzen zwei Brautführer. Diese müssen die Braut am Essen bedienen, damit keiner der Gäste ihr etwas zu essen oder zu trinken reicht. Ebenso müssen sie die Braut beschützen, damit ihr nichts entwendet wird; denn die ganze Gesellschaft geht darauf aus, der Braut etwas zu entwenden, entweder das Taschentuch oder ihren Blumenstrauß. Nicht selten arbeitet sich ein verwegener Bursch unter der Tafel durch bis zur Braut, um ihr unter dem Tische unbemerkt einen Schuh zu stehlen. Lassen die Brautführerinnen solchen Diebstahl durch Mangel an Aufmerksamkeit zu, so werden sie von der ganzen Gesellschaft ausgelacht.

Nach dem Abendläuten (Angelus) kommen dann sämmtliche Jungfrauen des Ortes, um der Braut die Abschieds- und Glückwunschlieder zu singen. Dieses Singen nennt man »Pfeffersingen«. Dafür er halten die Jungfrauen großentheils in einer Kanne Wein, den sie dann in einem Wirtshaus unter Gesang und Scherz trinken.

Heiratet eine Wittfrau, so singen, so viel mir bekannt ist, die Frauen; heiratet aber eine Gefallene (deflorata), so wird, glaub' ich, gar nicht gesungen164.

164

Da diese Gebräuche, namentlich mitunter das Pfeffersingen, zu großen Mißbräuchen und zu einem für Jungfrauen sehr unanständigen Benehmen geführt haben, so wurde diese Sitte von mehreren Pfarrern verboten und in Abgang decretirt. Sie besteht, so viel bekannt, noch in Neusis bei Mergentheim, Harthausen nebst Filialen und in einigen bairischen Orten.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 388-389.
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