350. Der Pfeffer.

[402] Bei der Rotgerberzunft in Rottenburg war ehedem der »Pfeffer« bei der Hochzeitfeierlichkeit recht im Schwange. Heiratete ein Meister, so war die junge Frau verpflichtet, allen Rotgerbersfrauen am ersten Tag nach der Hochzeit den Pfeffer zu geben. Am bestimmten Tage versammelten sich alle Rotgerbersfrauen der Zunft in der Lohmühle am ehemaligen Wöhr und jetzigen Unterwässer (Neckar); da wurde gegessen und getrunken im Vollauf, was nur aufzubringen war, Alles auf Kosten der jungen Rotgerberin. Dabei durften außer dem Hochzeiter von Mannsleuten nur die beiden Gesellen anwesend sein. Tanz war ein Hauptvergnügen dabei. Die beiden Gesellen, oder Kirchenführer, oder Ehrengesellen genannt, hatten die Pflicht, mit allen anwesenden Frauen zu tanzen, welche nur immer tanzen wollten. Dabei mußten sie bei der ältesten anfangen und so die ganze Altersreihe durchmachen.

Man sagt den Rotgerberinnen nach, sie hätten, von der ältesten angefangen bis zur jüngsten, wenn's nur noch ein wenig herumging, alle sehr gern getanzt. Jedesmal geschah von den Gesellen die Aufforderung zum Tanz durch eine gefällige Anfrage.

Dieser Schmaus in der Lohmühle, Pfeffer von Alters her genannt, kostete die junge Rotgerberin ihre Batzen und[402] kam in der Regel hoch zu stehen. Jezt ist die Sitte schon lang nicht mehr. Alte Leute können sich's gut denken. Daher kommt die Rottenburgische Ausdrucksweise: »der hat seinen Pfeffer, die hat ihren Pfeffer« = den hat's vil gekostet, der hat vil bezahlen müssen.

Die jetzigen Rottenburger wissen den Ursprung ihrer Redensart, so oft sie selbige auch gebrauchen, nicht mehr.

Dieser »Pfeffer« ist wol zu unterscheiden von einer Art Weihnachtsgeschenk, »Pfeffer und Pfeffert's« geheißen, ebenfalls in Rottenburg und Umgegend.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 402-403.
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