Bei Confirmanden und Erwachsenen.

[404] So lange die Leiche im Haus lag, wurde hiebei von den nächsten Anverwandten gewacht, die mit Bier und Schnaps traktirt wurden und oft übermäßig davon tranken. Jezt stellen die Angehörigen des Hauses nur noch ein Licht zur Leiche und sind besorgt, daß es nicht ausgeht.

Etwa 16 bis 24 Schüler singen mit ihrem Lehrer vor dem Hause des Entschlafenen, bevor sich der Zug in Bewegung sezt, einen Choral, der vom Verstorbenen vilfältig selbst gewählt ist; auf dem Gottesacker aber wird nach Einsenkung des Sarges gesungen: »Ruhet wol, ihr Todtenbeine.«

Der Lehrer und die Singknaben werden für ihre Mühe je nach den Vermögensverhältnissen des Verstorbenen eigens belohnt; leztere erhalten in der Regel Schreibpapier etc.

Vom Gottesacker bewegte sich der Leichenzug in die Kirche, allwo eine Leichenrede gehalten wurde; die Weibsleute gingen zuerst aus der Kirche. – Seit neuerer Zeit nun wartet der Pfarrer am Gottesackerthor, schließt sich dem Leichenzug an und hält seine Rede am Grab.

Die Weibsleute, welche durch den Todesfall besonders berührt werden, die eigentlich Leidtragenden, tragen zum[404] Zeichen ihrer Trauer vierfach der Länge nach zusammengelegte weiße Nastücher in den Händen.

Dem Pfarrer, Messner und Todtengräber, sowie dem Lehrer, der den Gesang leitete, werden je nach den Verhältnissen oft das Doppelte ihrer Gebühr verabreicht. Den Schreiner fragt man nach der Schuldigkeit nicht, sondern es wird ihm eine den Verhältnissen angemessene ortsübliche Belohnung verabreicht.

Bei Leichen Confirmirter werden sämmtliche Glocken geläutet. – Sobald früher der Leichenzug an den Thorhäusern vorüber kam, so präsentirten die Thorwächter mit einem Gewehr, jezt nur noch mit einem schwarzen Fähnlein, wofür 12 Kreuzer Belohnung bezahlt wird. – Dem Leichenzug geht ein Polizeidiener voran.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 404-405.
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