354. Nächtliches »Wachen« bei Leichen172.

[406] Ist im Allgäu und auf der Leutkircher Heide ein Lediges gestorben, oft auch beim Tode Verheirateter, so kommen ledige Leute beiderlei Geschlechts zusammen im Hause, die den Verstorbenen besonders gut kannten, verwandt waren, oder in der Nachbarschaft wohnten. Sie wachten, so lange der Leichnam im Hause lag, drei Nächte lang. Der Todte wird gleich in den Hausörn auf eine Schranne gelegt. Da wird dann Bier getrunken und gezecht, Küchlein und Kaffee aufgetischt, Weißbrod gebacken und endlich getanzt und gelärmt. Um 12 Uhr wird innegehalten und ein Psalter gebetet. Hernach geht's wieder von Neuem an, und zulezt wird wieder getanzt, die Mädchen in bloßen Strümpfen: die Sache ist[406] hergebracht und geduldet; jezt noch. Es mögen oft 16-18 Personen beisammen sein. So dauert's fort bis gegen Morgen.

172

Der Schwabe unterscheidet wie der Oberpfälzer zwischen Leich und Leicht; lezteres Wort ist nur die Leichenprozession, »mit der Leicht geõ«.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 406-407.
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