393. Das Häubeln.

[435] In Göslingen bestehen in mehreren Häusern, die seit Jahren gleichsam ein dingliches Recht darauf haben, sog. »Außeläuf«, d.h. Liechtkarzen. Es werden hier die Gemeindesachen etc. besprochen, Geschichtchen erzählt u.s.w. Die Rede in dem »Außelauf« ist frei, dagegen sind alle Mitglieder zu strengem Stillschweigen verpflichtet. Wenn nun ein Mitglied sich gegen diese Pflicht und Regel verfehlt, mehrere Tage grundlos wegbleibt oder, was noch ärger, zu einem anderen, wol auch nicht gesinnungsgleichen »Außelauf« übergeht, ein gegebenes Versprechen nicht hält, so wird er, sobald er der Mehrzahl der Glieder seines früheren »Außelaufs« in Gesellschaft begegnet, »gehäubelt«. Dieses besteht darin, daß die Betreffenden einen Kreis um den Verurteilten schließen und auf ein gegebenes Zeichen über diesen herfallen und ihn, soweit sie beikommen, an den Haaren, Kleidern etc. so lange zerren und verzausen, bis dieser durch ein Versprechen von einer Quantität Bier sich von der Fortsetzung loskauft.

Bei den genannten »Außeläufen« wird bei nahender Frühlingszeit der sog. »Scheidewecken« gegessen. Es wird ein großer weißer Brodlaib aufgelegt, auch Branntwein und Bier beigeschafft und so der Abschid von der »Wintersaison« gehalten.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 435-436.
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