15.
»Wie müssen die Gegenstände beschaffen seyn, für welche es gut ist, daß wir in Bewegung gesetzt werden?«

[434] Es würde zwar sehr allgemein klingen, wenn ich auf diese Frage bloß antwortete: die Gegenstände müssen es werth seyn, daß wir für sie in Bewegung gesetzt werden; aber im Grunde liegt[434] in dieser allgemeinen Antwort das Wesentlichste von der Sache. Wer schämt sich nicht, wenn er auf irgend eine Art überzeugt wird, daß er sich für eine Person habe einnehmen lassen, die es, nach erfolgter reifer Ueberlegung, nicht werth war, uns einzunehmen? Ich weiß, daß der größte Theil der Menschen vielleicht gar nicht zu dieser Ueberlegung in der Wirklichkeit kommt; aber der Dichter soll dem Leser nie Gelegenheit geben, sich auf diese Art schämen zu dürfen.

Der Dichter soll die Empfindungen des Menschen bilden; er soll es uns lehren, was werth sey, geschätzt und geachtet, so wie gehaßt und verabscheuet zu werden. Er soll unsre Empfindungen nicht irre leiten; sondern uns Gelegenheit verschaffen, sie an würdigen Gegenständen zu üben, damit hernach, in der Wirklichkeit, wir sie nie verschwenden, oder unrecht ausspenden.

Wenn sich kein andrer Einwurf wider eine Art der so genannten Täuschungen fände; wenn sie auch, beym zweyten Lesen, nicht aufhörten Täuschungen zu seyn, und auf diese Art ihr ganz Verdienst verlören: so würde sich, aus den obigen Voraussetzungen, an deren Wahrheit ich unmöglich zweifeln kann, ein Einwurf folgern lassen, der die Romanendichter von dieser seltsamen Sucht billig heilen sollte. Wenn uns der Dichter im Anfange verführt,[435] unser Herz an Dinge zu hängen, die es nicht werth waren, geachtet zu werden: so konnen wir uns, wenn wir unsern Irrthum erkannt haben, nur gar zu leicht gewohnen, unentschlossen in unsrer Wahl und in unsrem Urtheil zu bleiben: eine Sache, die dem Sceptiker und dem speculativen Beobachter gut und nützlich seyn kann: die aber im Leben gar nichts taugt.

Der Dichter, der ein Verdienst darinn sucht uns zu täuschen, und so unsre Empfindungen irre zu leiten, ist fur uns beynahe das, was die Amme fürs Kind, mit ihren Gespenstermährchen ist. Sie unterhalt das Kind mit diesen Ideen, und findet es im einzeln Falle vielleicht gut; sie macht das Kind dadurch stille und gehorsam. Aber wenn sich dies Gefühl einmal des Kindes bemächtigt hat: so entsteht es sehr oft bey Anlassen, aus welchen für das Kind Schaden, Spott, Verachtung erwächst; und das Kind ist ein verdorbnes, verzognes Kind. Es braucht Zeit und Ueberlegung – und bey vielen helfen auch diese nicht – sich von diesem falschen Eindruck loßzumachen; – und wenn es sich davon bald loßmacht: so lacht es über den Einfall der Amme, oder verachtet sie gar deßwegen.

Und wozu helfen am Ende Empfindungen, die nichts sind, als Empfindungen? Welcher Zweck kann bey Täuschungen seyn? Der Zweck, das[436] Vergnügen zu haben, den Leser irre zu leiten? Das wäre eitel, beleidigend für die Menschheit, höchst undichterisch, höchst unphilosophisch! – Oder der Zweck, die Leser lieber auf diese, als auf eine andre Art zu vergnügen? Aber warum ein Vergnügen, daß nun nichts mehr oder weniger ist, als ein Vergnügen, zu dem jeder Traum, jeder Irrthum Anlaß geben kann? Wenn der Mensch mit seinen Empfindungen haushalten, und Vortheil von ihnen ziehen, – wenn der Dichter ihn vorzüglich dies lehren soll: so sehe ich nicht ab, wie er ihn mit Empfindungen unterhalten konne, die jener bereuen muß, gehabt zu haben, die er gerne zurück nehmen, gerne nicht gehabt haben mochte, wenn er könnte; – mit Empfindungen, die, da sie schlechterdings unrecht verspendet sind, nie zur Bildung derselben den geringsten Beytrag, den kleinsten Anlaß geben können? –

Der Romanendichter unterhalte uns also mit Wahrheit! Er gebe nicht zur Entstehung von Empfindungen Anlaß, die durch die Folge wieder aufgehoben werden; er führe uns nicht einen Weg, den wir genöthigt werden, wieder zurük zu gehen, und den wir also ganz vergebens gemacht haben. Die Gestalt, die er uns vorhält, sey immer wahr, sey immer so gebildet, daß wir, seine Leser, sie nicht mißkennen, und fur was anders halten können, als sie ist.[437]

Man würde mich sehr unrecht verstehen, wenn man glaubte, daß ich also verlange, der Dichter solle uns so gleich all seine Personen, auf den ersten Anblick, charakterisiren, und eine Beschreibung ihrer ganzen Denkungsart voran schicken. Ich halte diese Manier für die Erfindung eines Dichters, der die Kunst nicht verstanden hat, den Leser mit dem Charakter seiner Personen, durch ihre Handlungen bekannt zu machen; der nicht gewußt hat, sie in Thätigkeit zu setzen. Der Dichter soll dem Leser Gelegenheit geben, die erscheinenden Menschen selbst kennen zu lernen; die Bäume an den Früchten kennen zu lernen, die sie getragen haben. Dann nur wird er Lehrer seines Lesers! In der Folge hievon mehr!

Wenn es nothwendig ist, daß der Romanendichter dem Leser die wahren Gestalten seiner Personen zeigen soll, so bald er nämlich sein Lehrer werden, und die Macht über seine Empfindungen nicht mißbrauchen will: so ist es eben so nothwendig, ihn überhaupt mit wahren Gestalten zu unterhalten.

Je weniger sich der Mensch in seinen Neigungen und Urtheilen irrt, je näher kommt er seiner Glückseligkeit: eine Wahrheit, denk' ich, die keines nähern Beweises bedarf. Und je mehr er Gelegenheit erhält, mit dem bekannt zu werden, was der Mensch eigentlich, unter gewissen Umständen,[438] seyn kann und seyn muß, je weniger wird er sich in der Verspendung seiner Neigungen irren. Denn – je mehr er seine Empfindungen gewöhnt, sich nur an solchen Gegenständen und auf solche Art zu üben, wie es diese Gegenstände verdienen: je weniger werden sie für unrechte Gegenstände, und auf eine Art erregt werden können, die ihm nachtheilig ist, und seiner Glückseligkeit schadet; je weniger wird er sie auf eine unrechte Art verspenden. Wenn es also dem Dichter darum zu thun ist, seine Leser mit ihren Empfindungen, zu ihrer Glückseligkeit, haushalten zu lehren, oder, mit andern Worten, wenn der Dichter, durch die Erregung der Leidenschaften, zur Vervollkommnung des menschlichen Geschlechts etwas beytragen soll (der Endzweck, der vorhin für den Dichter festgesetzt worden ist) – so ist nichts lächerlicher und seltsamer, als den Leser mit Geschöpfen zu unterhalten, und seine Empfindungen für Kreaturen rege zu machen, wie sie solche in der wirklichen Welt nie finden können. Wozu hilft unsre Empfindsamkeit, – das edelste Geschenk unsers gütigen Urhebers! – wenn sie nur für Gegenstände thätig ist, die nirgends anzutreffen, – für Dinge, die nichts mehr und nichts weniger sind – als Träume? Das, was der Mensch alsdenn hat empfinden lernen, ist in der Nattur nicht gang und gebe; es nützt ihm nichts[439] mehr, als falsche Münze. Der Dichter hat so viel als nichts gethan. Seine Leser können das nicht brauchen und anwenden, was er sie gelehrt hat. – Wie manches arme unglückliche Mägdchen könnte nicht den Beweis zu diesem Satze abgeben! Wie viele kenn ich nicht, welchen der Kopf durch das Romanenlesen, und durch jene Liebhaber der Einbildung so verrückt worden ist, daß sie auf die seltsamsten Grillen, auf die abentheuerlichsten Foderungen verfallen, und endlich elend geworden sind, – und es auch andre mitgemacht haben, weil sie nicht das in ihnen fanden, was sie in den Hirngeburten der Dichter kennen gelernt hatten, und was sie zu besitzen wünschen mußten, weil sie natürlich sich mehr Glückseligkeiten und Annehmlichkeiten von ihnen versprechen, als jene jemals leisten konnten. Und noch sind sehr wenig Romane geschrieben, aus welchen das junge Mägdchen das Gegentheil, das heißt, Wahrheit, und ihre Empfindungen zu bilden, lernen könnte. Aus dem Agathon freylich könnte sie es, wenn sie ihn nur verstünde. Seine zweyte Auflage beweist noch immer nicht das Gegentheil von der Lessingschen Behauptung, daß er für Deutschland viel zu früh geschrieben ist. Sie beweist höchstens nur, daß wir uns anfangen zu schämen, ihn nicht zu lesen. Ja, wenn es die zehnte Auflage wäre. Und für[440] die Zeit, die wir ihn haben, wäre das nicht zu viel; wenigstens nach dem Absatz so vieler nichtsbedeutenden französischen Gedichte aller Art zu urtheilen. Ein andrer Roman, und das ist die Geschichte des Tom Jones, aus welcher das junge Mägdchen mehr lernen könnte, als aus zehn Schilderungen vollkommener Liebhaber, ist so gar von unsern Moralisten, von den Gesetzgebern des guten Geschmacks, von unsern feinen Herrn dem Frauenzimmer, als eine verbotene Lektüre, bekannt gemacht worden. Als wenn das Frauenzimmer von dem nichts wüßte, und gar nichts wissen und hören dürfte, wovon es mit diesen süßen Herrn, und vielleicht mit allen Mannspersonen nichts spricht und nichts sprechen darf! – Ich weis, daß mancher Leser hier den Kopf schüttelt; er schüttle immerhin! Eigene, mannichfaltige Erfahrungen schützen mich. –

Es ist traurig, aber es ist gewiß wahr, daß der größte Theil der Romanendichter, bey Abfassung ihrer Werke, bloß an ihr eigenes Vergnügen gedacht; bloß für ihren Kopf, und nach ihrer Phantasie gedichtet haben, ohne Rücksicht, auf den Eindruck, den ihre Geburten auf den Leser machen können. Was ihnen gefallen hat, – und wärens die seltsamsten Uebertreibungen und Verschönerungen ihres eigenen Selbst gewesen, ohn' alle Wahrscheinlichkeit, ohn' alle Rücksicht auf die menschliche[441] Natur, hat für die Leser unterrichtend, und vergnügend werden sollen. –

Der Dichter, der den rechtschaffenen Vorsatz hat, Lehrer des Menschen zu werden, der helfe seinen Lesern die Kenntnisse erwerben, die sie haben müssen, um ihre Neigungen vernünftig anzulegen. Es ist nicht genug, daß er ihre Empfindungen für Tugend und Rechtschaffenheit und Liebenswürdigkeit errege; er suche sie für die Tugend, für die Rechtschaffenheit zu erregen, die wir, als Menschen, besitzen können; er errege sie in dem Grade, als es Menschen geziemt, und mit ihrer Glückseligkeit bestehen kann, sie zu haben.

Man würde mich sehr unrecht verstehen, wenn man glaubte, ich verlange, der Dichter solle die Menschen mit all' ihren kahlen Nebenseiten und schaalen Eigenschaften zeichnen, die sie, unter den tausend Verhältnissen, worinn sie in der Welt sich befinden, erhalten haben müssen. Ich habe mich hierüber, bey Gelegenheit der so genannten vollkommnen Charakter, und sonst schon erklärt; aber ich will es hier wiederhohlen, daß, obgleich des Dichters Welt ein kleinerer Zirkel in dem großen Runde ist, dennoch der Dichter, in dieser kleinern Welt, von seinen Personen alle heterogene, alle, zur Ausbildung und Rotundität seiner Figuren nicht wesentliche Stücke weglassen könne, und weglassen müsse.[442]

Man erlaube es mir, hier einige Bemerkungen über die Zusammensetzung und Ausbildung der Charaktere in einem Roman hinzuwerfen.

Zuerst, – was kann der Dichter sich vor Vortheile, vor Nutzen von den Empfindungen eines Menschen, für diesen Menschen selbst, versprechen, wenn er sie für Gegenstände in ihm erregt und geübt hat, die über die Grenzen der Natur hinaus gehen? Was hilft es einen Menschen, wenn er lernt, den höchst guten lieben, und den höchst bösen hassen? Was findet sich in der Wirklichkeit, in der Natur, auf das er diese Empfindungen anwenden, und das, was er aus ihnen gelernt hat, nützen könne? –

Es ist gesagt worden, daß der Romanendichter seine Leser mit so genannten vollkommnen Charakteren unterhalten könne; und es ist nachher bemerkt worden, daß die Hauptperson eines Romans vor den Augen des Lesers, durch die ihr zugestoßenen Begebenheiten und Schicksale geführt, einen Grad von Vollkommenheit erlangen könne, der alle Unwahrscheinlichkeit, alle Bedenklichkeiten, alles Unmoralische und Unlehrreiche dabey heben könne. Aber, erstlich könnt' es leicht einem übertriebenen Liebhaber romantischer Figuren einfallen, seinen Held durch allerhand so abstechende und seltsame Begebenheiten zu führen, und ihm, vermöge dieser,[443] einen so abentheuerlichen, seltsamen Charakter erwerben zu lassen, (ohne daß in der Natur die mindste Wahrscheinlichkeit, Veranlassung oder Moglichkeit dazu da wäre) daß jene Bemerkungen noch immer nicht allein der Sache ein Genüge thun könnten. Man sucht und verbindet mit dem Begriff von Roman nur zu leicht so genannte romantische Charaktere, und diese romantische Gestalten haben in einem Werk, das Begebenheiten des Menschen enthalten soll, und enthalten muß, wenn es nützlich werden soll, nun so wenig zu schaffen, daß die Abkehrung derselben nicht mit Sorgfalt genug bewerkstelligt werden kann. – Und dann hat der Romanendichter nicht, und kann nicht die Gelegenheit haben, all' seine Personen werdend zu zeigen; wir müssen in seinem Werk schon ganz fertige auftreten sehen; und auch seine Hauptpersonen, wenn er uns nicht ihre ganze Geschichte geben will, können schon bis zu einem gewissen Grade von Ausbildung gekommen seyn, – so daß es nothwendig wird, uns über die einzelnen Eigenschaften, die sich in einer Person finden und vereinigen können, und aus welchen sie zusammen gesetzt seyn muß, wenn sie uns lehrreich werden soll, richtige und reine Begriffe zu machen. – Und hier ist nun eben der rechte Ort dazu![444]

Man ist in Romanen nur zu sehr gewohnt, Personen gewisse Eigenschaften zu geben, die sich gar in der Natur nicht finden lassen, – unter allen möglichen Voraussetzungen nicht finden lassen. Eine ganz unerschütterte, fühllose Seele, die durch nichts in Bewegung gesetzt wird, die nichts von alle dem fürchtet oder liebet, was alle Menschen fürchten oder lieben, ist eine von diesen Mißgeburten und heißt mit Recht eine Mißgeburt. Was kann der Mensch an ihr sehen, lieben und bewundern, da er sie nicht zu erkennen vermag, da er sie nicht begreifen kann, sondern fur ein ganz fremdes Geschöpf ansehen muß? Wenn wir Wesen höherer Gattung, als wir sind, lieben und bewundern: so sind wir vorher, ehe wir dies thun, in einem Zustande der Abstraktion gewesen, in welchem wir die Vortreflichkeit ihrer Einrichtung, ihre Uebereinstimmung zwischen dem was sie sind und was sie ihrer Bestimmung nach, seyn sollen, ihre Verhältnisse und ihre Beziehungen gegen einander und auf das Ganze lebendig erkannt haben; und dann sind wir erst, nach Erkenntniß dieser Vollkommenheiten, in den Zustand des Gefühls übergegangen. In diesem Zustande der Abstraktion nun, der diesem letztern zuvor gegangen seyn muß, kann uns der Dichter nicht verlangen, weil wir in demselben den Mangel der Uebereinstimmung, der sich im Ganzen[445] jener Wesen zeiget, den Mangel der Uebereinstimmung, der sich zwischen dem Platz, worauf sie stehen, und zwischen dem, was sie seyn sollen, finden muß, erkennen, – und so ganz an aller Illusion verhindert werden wür den. –

Aber es sey, daß wir uns hintergehen lassen; es sey, daß unser Kopf und Herz Theil an dieser Gestalt nimmt; was helfen uns jene Vergnügungen, die sie uns gegeben hat, da wir sie, wie gedacht, nie anwenden, – wohl aber mit nützlichern, und eben so ergentzenden Vorstellungen hätten unterhalten werden können? – Man wird doch wohl nicht glauben, daß wir diese, für solche Gestalten, erregte, geübte Empfindungen auf wirklich höhere Wesen anwenden könnten? oder, daß unsre Empfindungen für sie einer solchen Uebung bedürften? – –

Und diese Theilnehmung ist nie von Dauer. Ueber kurz oder lang erwachen wir von dem Traume, – und schämen uns unsers Traums, weil wir umsonst und um nichts geträumet haben. –

Die Rücksicht auf das mit dem Menschen unzertrennlich verbundene fehlt bey mehrern Eigenschaften, die die Romanendichter oft ihren Personen geben. Jede Fähigkeit, jede Neigung, zu welcher das Model gar nicht in der Natur anzutreffen ist, die sich der Dichter bildet, indem er den Menschen von allen dem absonderte, was er, als[446] Mensch haben und seyn muß, ist nichts, als – thorigte Einbildung. Der Dichter muß immer denken, daß der Mensch einen Korper besitzt, der ihn verhindert, eine Idee zu werden, und der nur zu viel Einfluß auf all' seine Empfindungen und Vorstellungen hat. Wie albern, wie ungereimt dünken uns jetzt nicht die Geburten der Scaderi z.B., in welchen Liebhaber zehn Jahre sich vom Anschaun der Geliebten nähren, und für einen Handkuß das Leben hingeben? Und doch, was findet sich in vielen gepriesenen neuen Romanen wahrerers? –

Eben so lächerlich ists, unsre empfindsamen Romanenhelden bey großen Gefahren, ohne daß sie durch eine entgegengesetzte Leidenschaft, im Gegengewicht gehalten würden, bey dem allerkältesten Blut, mit einer Art auftreten und so handeln zu sehen, als ob die Liebe zum Leben nun gar nicht in uns läge, und Furcht eine eingebildete, bloß von Feigen erschaffene Leidenschaft wäre. Freylich sieht so was heldenmüthig, und entzückend aus; besonders in den Augen des Frauenzimmers, und des Feigen selbst, der solche Sachen gar zu gern wahr findet, weil er sich so gut dahinter verbergen kann;


– »Doch pflückt auch oft Medor die Frucht von Rolands Thaten.«


Wiel. Idris.
[447]

und es ist lächerlich, vernünftige Leser damit zu unterhalten, als ob so was in der Natur wäre und seyn könnte? Der Verfasser sagt dies auf eigene und sehr vielfältige Erfahrungen hin, eingesammelt von Hohen und von Niedrigen. Und er hat große Beyspiele, große Autoritäten für seine Meynung. – Es versteht sich von selbst, und es ist vorher gesagt worden, daß der Mensch in Situationen seyn kann, wo seine Leidenschaften, sein Gemüthszustand, ihn über die Gefahr hinaus setzen, wo er nicht in einer Verfassung ist, die Furcht fühlen, und die Liebe zum Leben in sich wirken lassen zu können. –

Eben so verhält es sich mit der Liebe unserer selbst, mit der wir alle, mehr oder weniger, in Eins gewachsen sind, und von welcher oft unsre Romanenhelden nicht das mindste Zeichen tragen. –

So viel von den Ideal-Eigenschaften, zu denen in der Natur sich gar kein Model findet.

Quelle:
Friedrich von Blanckenburg: Versuch über den Roman, Leipzig und Liegnitz 1774. , S. 434-448.
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