An Herrn Joseph Edlen v. Retzer

[186] In ein Exemplar des zweiten Buchs der travestirten Aeneis.


Es gibt, o Freund, der Dedicationen

So vielerlei, als der Patronen.

Der weiht sein Buch sich selbst, ein anderer

Der losen Zunft der Kritiker,

Der macht das Publikum, und jener

Den Esel gar zu seinem Gönner,

Und einer, den nichts Irdisches mehr freut –

Die heilige Dreifaltigkeit;

Und hier in dieser Menschlichkeit

Ist wohl kein Rang, kein Stand, dem diese Ehre

Nicht längst schon wiederfahren wäre.

D'rum ist auch eine Dedication

Veränderlich, wie ein Chamäleon.

Bald ist sie ein Memorial um eine Pfründe,

Und bald ein Kniff, womit oft ein Poet

Zu einem grösseren Gevatter bitten geht,

Um seinem namenlosen Kinde

So was von Namen zu verleih'n;

Bald ist sie auch ein Schild, worunter Zwergen,

Die Recensenten Ruthen scheu'n,

Doch freilich meist vergebens, sich verbergen,[186]

Und bald ist sie ein Monument

Der Freundschaft, bald ein leeres Kompliment;

Von allen den Gestalten hat die meine,

Ich sag' es offenherzig, keine.

Denn, um für dich ein Monument zu sein,

Ist diese Posse viel zu klein.

Sie soll, wenn du zuweilen mit Voltairen

Kandidisirst, den bösen Geist beschwören,

Und wenn dann Schwermuth oder Spleen

Zum Timon oder Freudenhässer

Dich machen will, den Mund zum Lächeln dir verzieh'n,

Und bringt sie's bis zum Lachen – desto besser!

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 186-187.
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