Schwesterngesundheit, ausgebracht bei einer Tafelloge z.w.E.

[278] am 30sten Jänet 1785.


Höret, Schwestern unser Flehen

Und erbarmt euch uns'rer Noth:

Stillet uns're Liebeswehen,

Und beschließt nicht unsern Tod!


Ach, erhöret unsern Jammer,

Lindert einmal unsern Schmerz;

Hör't nur, wie der Logenhammer,

Klopft und pochet uns das Herz.


O! verschmäh't uns Maurer nimmer;

Die Natur, die niemals lügt,

Schuf den Kitt, der uns auf immer

Fest mit euch zusammenfügt.


Wißt, es ist der Maurerorden

Einer Männerschule gleich:

Was wir da gelehrt sind worden,

Lernten wir ja nur für euch.


Auf der Maurerreise bücken

Wir uns nur vor euch so tief,

Und ein sanftes Händedrücken,

Schwestern, ist der Maurergriff.
[278]

Will uns eu're Zunge lästern,

So bleibt uns're ungerührt;

Denn man hat bloß darum, Schwestern,

Einst den Mund uns sigillirt.


Unser Teppich selbst, an Lehren

Und Geheimnissen so reich,

Predigt, solltet ihr ihn hören,

Unaufhörlich uns von euch.


Nimmer wird uns, Schwestern, nimmer

Unsers Flammensternes Schein

Etwas anders, als der Schimmer

Eu'rer holden Augen sein.


Denn der Mond in seiner Lage,

Und die Sonn' in ihrer Pracht

Prophezeih'n uns Lieb' am Tage,

Und ein Doppelhorn bei Nacht.


Selbst bei Tafeln, da wo euer

Der Profane meist vergißt,

Weih'n wir euch ein eigen Feuer,

Welches uns're Mahle schließt.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 278-279.
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