Die Autorpolitik

[85] Ich kenn' ein Künstchen,

Das spielt gar gern

Mit blauen Dünstchen;

Das lehrt die Herr'n,

Genannt Autoren –

Versteht sich die

Mit langen Ohren –

Sich weißlich wie

Genies zu tragen.

In unsern Tagen

Macht Politik[85]

Des Autors Glück;

Sagt ihnen leise

Ihr Genius,

Dem jeder Weise

Doch folgen muß.

Erst thun sie dünne,

Bemühen sich,

Wie eine Spinne

Vorsichtiglich

Um ein paar Säulen,

Zu diesen eilen

Sie flugs hinan,

Und hängen dann

Mit Heuchelfädchen

So fest, wie Klettchen,

An sie sich an.

Und nun beginnen

Sie ihr Gespinnst;

Doch erst gewinnen

Durch manchen Dienst

Sie sich behende

Ein Dutzend Hände,

Die ihr Gespinnst

Mit Klatschen heben,

Und Spinneweben

Für Leinwand geben.

Ist das gescheh'n,

So läßt die Spinne

Der Welt sich seh'n,

Sieht selbst das Scheiblein

Das sie sich span,

Wie ein schön Weiblein

Den Spiegel an,

Wird stolz und letzet

Am Bravoschrey'n

Ihr Ohr, und setzet[86]

Sich mitten d'rein.

Ans Neugier laufet

Nun alles hin,

Besieht und kaufet

Sich das Gespinn,

Zählt fleissig jeden

Der dünnen Fäden

Und hängt es hin,

Denn brauchen, leider!

Kann's weder Schneider,

Noch Näherin.

Und dieses Heer

Der kleinen Männer

Thut oft noch mehr,

Es täuschet Kenner,

Läßt nimmermehr

Sich nah' besehen,

Geht auf den Zehen,

Weit weg einher,

Und läßt nur gerne

Sich in der Ferne

Von ihnen seh'n.

Den Hügelchen

Des Maulwurfs gleichen

Sie dann, und reichen

So halb beseh'n

In eb'ner Ferne,

Bis an die Sterne,

Und mancher wähnt,

Der sie nicht kennt,

Er säh den Zwergen

Den Riesen an;

D'rum hört noch an,

Wie so ein Mann

Die Kleinheit bergen

Und täuschen kann.[87]

Ein Dutzend Schergen,

In deren Hand

Des Volks Verstand

Und Ton ist, walten

Auch hier, und halten

Dem Layenchor

Ein Gläschen vor.

Da scheint dem Blicke

Die kleinste Mücke

Ein Elephant;

Denn, wie bekannt,

Giebt's wenig Augen,

Die ohne Glas

Das rechte Maß

Zu finden taugen.

Die Herren, klein

Vom Geiste, scheu'n

Das Kopfgerüttel

Von einem Büttel

Gar jämmerlich;

D'rum müh'n sie sich,

Die bösen Drachen

Durch manchen Brief

Und Autorkniff

Recht zahm zu machen;

Sie hängen dann

Flugs ihren Blättchen

Gar manches Nötchen

Voll Weihrauch an,

Woran die Götzen

Ihr Näschen letzen.

Oft selbst im Text

Streicht, wie behext,

Manch' Autorfüßchen

Vor jedem Haus

Gewaltig aus.[88]

Auf so ein Grüßchen

Erfolgt, wie man

Leicht denken kann,

Ein Gegengrüßchen;

Denn, wie bekannt,

Wäscht eine Hand

Die and're wieder:

Wer Weihrauch streut,

Dem streut man wieder

Aus Dankbarkeit.

Wenn all' die Grüsse

Und Gegengrüsse

Hanns Hagel hört,

So horcht, und sperrt

Er Maul und Augen,

Die Galant'rie

Von Wahrheit nie

Zu sondern taugen,

Gewaltig auf,

Und wettet d'rauf,

Das, was nicht selten

Als Kompliment

Gesagt ist, könnt'

Im Ernste gelten:

Nimmt nun den Mann

Ohn' all' Gefährde

Zum Halbgott an,

Fällt hin zur Erde

Und betet an.

Denn die Monarchen,

Die ruhig schon

Auf ihrem Thron,

Wie Götter, schnarchen,

Sehn's nur zu gern,

Wenn ihre Knaben

Altäre haben,[89]

Weil kleine Herr'n

Die grössern heben,

Und ihrem Thron

Mehr Stufen geben.


Um diesen Lohn

Hat mancher schon

Bei grossen Dichtern

Gedient, die dann

Vor Splitterrichtern

Den kleinen Mann

Gar mächtig schirmen,

Und himmel an

Ihr Thrönlein thürmen.

Ihr hört mich an,

Ihr grossen Dichter,

Die Zeit ist Richter!

Behängt euch nicht

Mit dem Gezücht

Von Dichterlingen;

Fand je ein Spatz

Wohl in den Schwingen

Des Autors Platz?

Er sieht vom Hügel

Der Sonne Schein,

Hebt seine Flügel –

Und fliegt allein.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 85-90.
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