Ich und Du

[139] Dich führet Mars in's blut'ge Feld,

Mich Amor zu den Hirten:

Du krönst mit Lorbeern dich als Held,

Ich kränze mich mit Myrten.
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Dich störet früh der Pferde Huf,

Und der Trompete Schallen:

Mich aber weckt der süsse Ruf

Verliebter Nachtigallen.


Du nahst dich jeder Festung still

In nächtlichen Approschen,

Wenn ich mich einer nähern will,

Versteck' ich mich in Poschen.


Du raubst dem Feinde Hab' und Gut,

Und ich den Mädchen Küsse;

Bei deinen Kämpfen setzt es Blut,

Bei meinen höchstens Bisse.


Streckst du den Feind zur Erde hin,

So bleibt er unbedecket;

Ich aber werfe mich auf ihn,

Sobald ich ihn gestrecket.


Du machst der Wittwen täglich mehr,

Und, ach! der Väter minder:

Ich mach' der Wittwen weniger,

Und mehr der kleinen Kinder.


Von deinen Thaten wird ein Stein

Die Nachwelt einst belehren:

Die meinen wird sie, groß und klein,

Von meinen Enkeln hören.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 139-140.
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