Illussion und Grübelei

[83] O geniesset!

Lernt euch freu'n!

Liebe giesset

Sonnenschein

Auf die Wege

Liebender;

Thut noch mehr:

Spornt das träge

Rad der Zeit,

Macht die Stunden[83]

Zu Sekunden,

Webet Freud'

In das längste Lebenskleid.

Selbst die bängste

Stunde mischt

Sie mit Freuden,

Und verwischt

Alle Leiden

Aus der Brusi.

Wenn der Becher

Ihrer Lust

Sie dem Zecher

Freundlich beut,

Da zerrinnen

Seine Sinnen,

Raum und Zeit

Flieh'n von hinnen:

In dem Wahn

Tanzen dann

Mond und Sterne,

Und die Ferne

Hüllet vor

Seinen Blicken

Sich in Flor.

Denn beglücken

Leider! kann

Nur der Wahn.

Auf dem Rücken

Trägst du, Wahn,

Wer dich reiten

Will und kann,

Deinen Mann

Durch die Zeiten

Pfeilschnell fort,

Bringst geschwinder,

Und gesünder

Ihn an Port,

Als die Mähre

Klügelei –

Der Schimäre

Konterfei –

Die die Fernen

Mit Laternen

Erst besieht,

Auf die Seiten

Schüchtern schielt,

An dem Flusse,

Mit dem Fusse

Prüfend fühlt,

Nach der Tiefe,

Jedes schiefe

Trittchen scheut,

Jeden kleinen

Sumpf vermeid't

Ueber keinen

Graben springt;

Oder springt

Sie in Eile,

Eine Weile

Nachher hinkt;

Die nicht weiter

Geht, und stutzt,

Und dem Reiter

Bäumend trutzt,

Nimmt am Stamme

Eine Flamme

Sie gewahr,

Die, besehen,

Faulholz war;

Die vor gähen

Klüften zagt,[84]

Ueber Klippen

Nie sich wagt,

Ihre Rippen,

Wimmernd klagt,

Wenn ein Steinchen

Diese Beinchen

Je berührt;

Jedes Bächlein

Erst sondirt,

Eh' die Knöchlein

Sie dem Bächlein

Anvertraut,

Oder lieber

Gar sich d'rüber

Brücken baut.

Solche Mähren

Sind in Ehren

Ueberall,

Thun gar weise

In dem Stall;

Doch die Reise

Fördern sie

Wahrlich nie.

Du, mein Pferdchen,

Galoppirst

Ohne Gertchen,

Und vollführst

Frisch und munter

Bald bergauf

Bald bergunter

Deinen Lauf.

Wer dich, Blinder,

Reiten will,

Kömmt geschwinder

Und gesünder

An das Ziel.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 83-85.
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