Lob des Esels

[125] Du gutes Thier, auf dessen Haut wir schreiben,

Das uns bald trägt, bald führt,

Nein, länger will ich dir nicht schuldig bleiben

Das Lob, das dir gebührt.


Man spottet deiner Ohren widerrechtlich,

Und höhnt dich, armer Tropf!

Doch tröste dich; sie wurden nur verächtlich

An eines Königs Kopf.


Und wer es dir etwa verargen könnte,

Daß du so langsam bist,

Der denke, daß der Spruch: Festina lente:

Der Weisen Losung ist.


Du bist aus allen Thieren, die wir reiten,

Allein ein Sonntagskind;

Du sahst dereinst den Engel schon von weiten,

Und Bileam war blind.


Du bist das Bild der nun in unsern Tagen

Gepries'nen Duldsamkeit!

Dir gilt es gleich Gold oder Mist zu tragen,

Und hältst, wenn man dich bläut.
[125]

Du bist das Thier, das seinem Herrn zur Speise

Mehl trägt und Disteln frißt:

Wer läugnet nun, daß du auf diese Weise

Der beste Bürger bist!


Auch ist kein Thier an Freunden und Bekannten

So reich, als du es bist,

Obgleich von deinen Brüdern und Verwandten

Nicht jeder Disteln frißt.


Und singst du gleich nicht so, wie die Nachtigallen,

So ist doch laut dein Ton!

D'rum braucht man auf dem Weg des Ruhms vor allen

Dich nun zum Postillon.


Bei alle dem ist dir kein Thier auf Erden

Gleich an Genügsamkeit;

Du trägst trotz all den Plagen und Beschwerden,

Ein simples, graues Kleid.


Du lebst mit deinen Disteln hier zufrieden,

Die dir dein Fleiß gewinnt,

Und mancher, ach! frißt Ananas hienieden,

Der Disteln nicht verdient.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 125-126.
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