Schon stand der Osten im weißen Glanze, und schon erhellten die Strahlen der aufgehenden Sonne unsere ganze Halbkugel, als Fiammetta von den süßen Gesängen der Vögel, die des Tages erste Stunde mit frohen Kehlen von Bäumen und Sträuchern verkündeten, erwachte und, während sie selbst sich erhob, die übrigen Mädchen und die drei Männer wecken ließ.

Langsamen Schrittes gingen sie dann auf das niedrig gelegene Feld hinaus und lustwandelten unter mancherlei Gesprächen in der weiten Ebene auf tauigem Grase, bis die Sonne schon ziemlich hoch stand. Als aber die Sonnenstrahlen zu brennen anfingen, wandte die Königin ihre Schritte nach dem Saale zurück, wo die Gesellschaft auf ihr Geheiß sich zuerst mit trefflichem Weine und Backwerk von der geringen Anstrengung erholte, die sie auf sich genommen, und alsdann bis zur Essenszeit in dem anmutigen Garten ihrem Vergnügen nachging.

Inzwischen bereitete der verständige Seneschall die Tafel, und als die Stunde herangekommen war und man noch ein Lautenlied und einige Tanzliedchen gesungen hatte, setzten sich auf der Königin Geheiß alle fröhlich zu Tische, und während der Tafel walteten Anstand und Munterkeit.

Nach Tisch aber gedachte man der herkömmlichen Ordnung und führte mit Instrumenten und Liedern mehrere kleine Tänze auf. Dann beurlaubte die Königin einen jeden bis zum Ende der Schlafenszeit. Auch legten einige sich wirklich schlafen, andere aber verweilten zu ihrer Lust in dem schönen Garten. Nicht lange nach der dritten Nachmittagsstunde versammelten sie sich jedoch alle bei der Quelle, wie die Königin ihnen[391] befohlen hatte. Und kaum hatte diese feierlich den Vorsitz übernommen, als sie auch schon mit einem Blick auf Panfilo diesem den Auftrag gab, die heiteren Geschichten zu beginnen. Panfilo gehorchte willig dem Befehl und sprach also:

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 390-392.
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