1.

[50] Komm, Jünger, her! Ich will dich Weisheit lehren,

Du sollst des Daseins Wert erkennen lernen.

Du sollst zum echten Glauben dich bekehren,

Das Wahre von dem Falschen trennen lernen:


Die Lehre, wie des Wahns, der Torheit Klippen

Klug zu umgehn, soll dir im Liede werden –

Wohlredenheit und Anmut deinen Lippen,

Und deinem Herzen Glück und Friede werden!


Fort aus der alten Satzung dumpfen Räumen

Will ich den Fuß zu besserm Streben führen –

Bei Wein und Liebe, unter Rosenbäumen

Sollst du ein neues, schönres Leben führen!


Und wenn du übst, was meine Lieder predigen,

So sollst du's offen, frohen Mutes üben: –

Der Heuchelei, des Truges dich entledigen

Und im geheimen nichts als Gutes üben!


Kein Schwert hab' ich, die Toren zu bekehren;

Wer Weisheit übt, legt andern keinen Zwang auf;

Mein Joch ist leicht, der Kern von meinen Lehren

Löst sich in Wein, in Liebe und Gesang auf.
[50]

Unendlich ist der Schönheit Zauberkreis,

Unendlich sehnsuchtsvollen Dranges bleiben

Die Menschenherzen – doch wird stets der Preis

Den Zaubertönen des Gesanges bleiben!


Quelle:
Friedrich von Bodenstedt: Die Lieder des Mirza-Schaffy von Friedrich von Bodenstedt, Leipzig [1924], S. 50-51.
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