5.

[109] Das Leben ist ein Darlehn, keine Gabe –

Du weißt nicht, wieviel Schritt du gehst zum Grabe,

Drum nütze klug die Zeit: auf jedem Schritt

Nimm das Bewußtsein deiner Pflichten mit.

Gewöhne dich – da stets der Tod dir dräut –

Dankbar zu nehmen, was das Leben beut;[109]

Die Wünsche nicht nach Äußerm zu gestalten,

Sondern den Kern im Innern zu entfalten;

Nicht fremder Meinung untertan zu sein,

Die Dinge nicht zu schätzen nach dem Schein;

Nicht zu verlangen, daß sie sollen gehn,

Wie wir es wünschen – sondern sie verstehn,

Daß wir uns bei Erfüllung unsrer Pflichten

(Da sie's nach uns nicht tun) nach ihnen richten.


Quelle:
Friedrich von Bodenstedt: Die Lieder des Mirza-Schaffy von Friedrich von Bodenstedt, Leipzig [1924], S. 109-110.
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