11.

[23] Wohl weiß ich einen Kranz zu winden

Aus Blumen, die ich selbst gepflückt –

Wohl auch das rechte Wort zu finden,

Ob ich betrübt bin, ob beglückt.


Solang' ich meiner Sinne Meister,

Solang' ich weiß, was mir gefällt,

Gehorchen dienstbar mir die Geister

Der Blumen- und der Feenwelt.


Doch in der heil'gen Glut des Kusses,

Im Wunderleuchten des Geschicks,

Im Augenblick des Vollgenusses,

Im Vollgenuß des Augenblicks:
[23]

Da fehlen mir zum Lied die Töne,

Gleichwie der Nachtigall der Schlag,

Weil wohl der Mensch das höchste Schöne

Genießen, doch nicht singen mag.


Wer kann die helle Sonne malen

In höchster Glut, im Mittagslicht?

Wer nur sie sehn mit ihren Strahlen

Von Angesicht zu Angesicht?

Quelle:
Friedrich von Bodenstedt: Die Lieder des Mirza-Schaffy von Friedrich von Bodenstedt, Leipzig [1924], S. 23-24.
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