9.

[21] Kind, was tust du so erschrocken,

Was hebt schüchtern sich dein Fuß!

Fass' ich tändelnd deine Locken,

Naht mein Mund sich dir zum Kuß –

Was ich biete, was ich suche,

Laß dich's, Mädchen, nicht betrüben:

Denn so steht's im Schicksalsbuche

Mir urzeitlich vorgeschrieben!


Ja, voll hohem Glauben bin ich,

Glaub' an Allah und Koran!

Glaube, daß ich dich herzinnig

Lieben muß und lieben kann!

Andern ward ihr Los zum Fluche,

Mir zum Segen und zum Lieben:

Denn so steht's im Schicksalsbuche

Mir urzeitlich vorgeschrieben!
[21]

Beut die Liebe dir Bedrängnis?

Scheuche lächelnd Angst und Pein,

Denn erfüllt muß das Verhängnis

Meines stolzen Herzens sein!

Ob ich sinne, ob ich suche,

Keine andre kann ich lieben:

Denn so steht's im Schicksalsbuche

Mir urzeitlich vorgeschrieben!


Hoffst du einst dort auf Belohnung

Nach vollbrachter Erdenbahn,

Nimm dich selbst auch hier voll Schonung

Meines armen Herzens an!

Keines andern Minne suche,

Füge, zwing dich, mich zu lieben!

Denn so steht's im Schicksalsbuche

Mir urzeitlich vorgeschrieben!


Nimm dies duft'ge Lied und lies es,

Lausche seinem Zauberton –

Es verheißt des Paradieses

Seligkeit auf Erden schon!

Andres Glück dort oben suche,

Doch hienieden laß uns lieben:

Denn so steht's im Schicksalsbuche

Uns urzeitlich vorgeschrieben!


Wie vom Hauch des Morgenwindes

Sich der Kelch der Rose regt,

Sei das Herz des lieben Kindes

Von des Liedes Hauch bewegt![22]

Sie gewähre, was ich suche,

Was mich toll zu ihr getrieben:

Denn so steht's im Schicksalsbuche

Ihr urzeitlich vorgeschrieben!


Quelle:
Friedrich von Bodenstedt: Die Lieder des Mirza-Schaffy von Friedrich von Bodenstedt, Leipzig [1924], S. 21-23.
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