Dreyzehender Aufftritt.

Cirus, der sich auff einem dazu auffgerichteten Thron setzet / sein Staats- und Kriegs-Bediente /Soldaten / und grosse Menge Volckes; Crœsus, nachmahls Eliates, Olisius, Halimacus, Atis, Elmira, Clerida, Trigesta, Orsanes, Solon, und Lidische Soldaten.


CIRUS.

Fort führt ihn auff den Scheiter-Hauffen.

Nun Crœsus, gute Nacht!

CRŒSUS.

Tyrann / mißbrauch nur deiner Macht /

Du wirst des Himmels-Rache nicht entlauffen.

CIRUS.

Du leidest nur verdienten Lohn /

Es sind die Götter selbst / die dich dazu verdammen.

CRŒSUS.

Du Unmensch / auch mein Tod sol in den heissen Flammen

Noch herrlich leuchten dir zum Hohn.


Es steigen schwartze Wolcken auf / die plötzlich mit Blitz und Donner in einen starcken Platz-Regen ausbrechen / nacher das Feuer verlöschet.


CIRUS.

Was für ein Ungestüm wil meinen Thron bewegen?

Ihr Götter / welch ein Knall- und Wetter-voller Regen!

HAUPTMANN.

Die Sonne scheuet sich zu dieser That zu scheinen;

Der Himmel selbst wil Crœsus Tod beweinen.

CIRUS.

Umsonst / macht neues Feuer.

Der knüsternden Flammen erneuertes Krachen

Sol freudig das Weinen des Himmels verlachen.


Das Feuer wird wieder angezündet; Olisius, Halimacus, Atis, Elmira, Clerida, Trigesta und Orsanes gelangen an durch unterschiedliche Wege.


ELIATES.

Was hör' ich?

HALIMACUS.

Ach was kömmt mir zu Gesicht!

ELIATES, HALIMACUS, OLISIUS.

Sol Crœsus in dem Feuer sterben?

HALIMACUS, ELMIRA.

Ach Himmel!

OLISIUS, CLERIDA.

Ach Geschick!

ATIS, ELMIRA.

Ihr Götter!

ALLE.

Wir verderben.

OLISIUS.

Hält Cirus so sein Wort?

CIRUS.

Thu ich es nicht?

Ich laß' euch allen euren König sehen.

OLISIUS.

Betrug pflegt Königen gar übel anzustehen.

ELIATES.

Wir wollen / läst er Crœsus leben /

Die Stadt / das Reich / und alle Schätz ihm geben.

CIRUS.

Der Schatz / die Stadt / das Reich / ist morgen mein Begehren /

Und heute solt ihr sehn / was euch ist zugesagt.

HALIMACUS.

Tyrann / so wollen wir uns noch auffs beste wehren.

Führt alle Schaaren an; das äusserste gewagt /

Last uns für Crœsus noch zuletzt wie Löwen kämpffen /

Und diese Gluth mit unserm Blute dämpffen.


Tritt nebenst Eliates ab / das Heer anzuführen.


OLISIUS.

Kan dich mein Tod versühnen /

Wil ich dir gerne damit dienen.

ELMIRA, CLERIDA.

Wir wollen unsern Leib für Crœsus willig geben.

OLISIUS, ELMIRA, CLERIDA.

Wirff uns zusammen

In diese Flammen /

Und lasse Crœsus leben.

CIRUS.

Ein Opffer fordert nur mein Rachbegierger Muth /

Und tauget nichts dazu als Königliches Blut.

Macht fort!


Crœsus wird auf dem Scheiter-Hauffen gebunden.


ATIS.

So lebe Crœsus dann /

Wo Königliches Blut ihn retten kan.

Ich bin sein Sohn / nimm mich an seine statt.

OLISIUS.

Wie! Atis spricht?

ELMIRA.

Es ist Ermin.

OLISIUS, CLERIDA.

O Rühmens-werthe That!

ORSANES.

Es ist ein frembder Baur / er leugt;

Weil er nur an Gestalt Printz Atis gleicht /

Meynt er / ein jeder seh' ihn vor den Printzen an /

Da Atis doch nich reden kan.

CIRUS.

Ich weiß / daß Atis stumm; du kanst der Printz nicht seyn.

ATIS zu Orsanes.

Verräther / möcht' ich dir das Leben rauben.

CIRUS.

Führt den Unsinnigen hinein.

ATIS.

Ich bin der Printz / wo du es nicht wilt glauben /

Soltu es jetzt an meiner Lieb erkennen /

Wann ich mit meinem Vater werde brennen.


Atis wil sich ins Feuer stürtzen.


CIRUS.

Man halt' ihn fest.

ATIS.

Ach lasset mich.

Mein Vater!

CRŒSUS.

Liebstes Kind / wie / kanstu sprechen?

ATIS.

Ja / Vater / Ja; Gott selbst erbarmet sich /

Er hat geheilt des Munds Gebrechen /

Und wil jetzund die Stimme mir verleihen /

Um Hülff' in dieser Noth mit dir zu schreyen.

CRŒSUS.

Ach welcher Trost! nun wil ich gerne sterben.

ATIS.

Ich mit; Tyrann laß mich die Gnad erwerben /

Mit meinem Vater in den Tod zu gehn.

CRŒSUS.

Nein / lebe trautster Sohn.


Atis wil sich mit Gewalt loß reissen.


ATIS.

Ihr Hunde! wolt ihr mein Begehren

Zu sterben mir mit Macht verwehren?

ORSANES.

Mein Hertze zweifelt schon.

ELMIRA.

Es scheinet Ernst; Er ist zu keck.

OLISIUS, CLERIDA.

Ich solche Treu bey Bauren je gesehn?

CIRUS.

Führt diesen tollen Menschen weg.


Die Soldaten entfernen Atis.


ATIS.

Blutdürftiger Barbar / verfluchtes Ungeheuer /

Warum sol nicht der Sohn in diesem Feuer

Das Leben mit dem Vater lassen?

CRŒSUS.

Leb / liebster Atis, leb / Gott wird dich noch erheben.

ATIS.

Nein / Vater / nein / ich wil nach dir nicht leben.


Atis wird weggerissen; Solon kommt.


ORSANES.

(Ich kan den Handel nicht mehr fassen)


Das Feuer ist völlig wieder angebrandt.

Aria.


CRŒSUS.

Solon, weiser Solon, ach!

Jetzt denck' ich den Worten nach /

Die ich jüngst von dir vernommen;

Daß des Reichthums stoltze Pracht

Keinen Menschen glücklich macht

Eh sein Ende ist gekommen.

Solon, weiser Solon, ach!

Jetzt denck' ich den Worten nach.

CIRUS.

Welch eine Gottheit rufft er an?

SOLON.

Es ist kein Gott; Ich bin der Mann;

Es fällt jetzund bey / was ich ihm eins gesaget /

Da er mich / ob er nicht glückselig sey / befraget.

CIRUS.

Was war das?

SOLON.

Daß das Rad des Glückes stetig drehet /

Daß das Verhängnüs Cron und Thron verschmähet /

Und daß wir Sterblichen unmöglich können

Und vor dem Tode glücklich nennen.

Es schertzt mit unserm Stoltz der grosse Jupiter,

Wer heut' im Throne sitzt / und heisst Großmächtigster /

Kan / eh noch morgen kömmt / mit Schand und Spott zur Erden /

Und in die äusserste Gefahr gestürtzet werden.


Cirus sitzet eine Weile in tieffen Gedancken.


CIRUS.

Mein Hertze wird gerührt. Fort / machet Crœsus loß;


Crœsus wird von dem Scheiterhauffen loß gemacht.


Sitz' ich gleich jetzt dem Glück' im Schooß' /

In grosser Macht / und höchsten Ehren /

Muß Solons Rede mich / und Crœsus Beyspiel lehren /

Daß auch ich / wie er / fallen kan.

Legt ihm den Purpur wieder an.


Crœsus wird in ein Gezelt geführet.


OLISIUS.

O Edler Muth!

ELMIRA.

O Helden That!

OLISIUS, ELMIRA, CLERIDA.

Womit für einen

Er tausend angefesselt hat.

CHOR.


Von innen.


Frisch auff! auff / ihr Getreuen /

Setzt an / den König zu befreyen


Eliates, Halimacus, und viele Lidier / brechen / den Degen in der Faust / durch Cirus Leibwache ihren König vom Feuer zu erretten.


CIRUS.

Was will das Volck / was sol der Lärm bedeuten

HALIMACUS, ELMIRA.

Wo ist der König / wo ist Crœsus hingekommen?

OLISIUS, ELMIRA, CLERIDA.

Ach haltet ein / er ist dem Tode schon entnommen!

HALIMACUS, ELMIRA.

Wo ist er dann? man sag es uns bey zeiten.

HAUPTMANN.

Gedult / man warte nur ein wenig.

Da seht ihr euern König.


Crœsus kömmt in Königlicher Kleidung.


ELMIRA.

Ach unverhoffte Freud'.

HALIMACUS.

O Hertzens-Lust!


Cirus stehet auf / und umarmet Crœsus.


CIRUS.

Mein Freund / ich drücke dich an meine Brust.

Den unbedachten Zorn mustu nicht übel deuten;

Mich hat dein Fall / und Solons Rath gerührt /

Weil der Gott / der dich strafft / auch über mich regiert.

CRŒSUS.

Großmächtiger Monarch / ich üb' Erkäntlichkeit /

So lang der Himmel mir den Lebens-Geist verleiht.

CIRUS.

Komm / Crœsus, setz dich mir zur Seiten.


Crœsus setzet sich bey Cirus auff den Thron.


CIRUS.

So leben wir hinfort in Fried' und Freundschafft wieder.

CHOR DER LIDIEN.

Gantz Lidien legt sich zu Cirus Füssen nieder.


Alle Lidier neigen sich zur Erden. Atis kniet vor dem Thron.


ATIS.

Schau / Cirus, schau auff mich / für meines Vaters Leben /

Das du ihm hast geschenckt / wil ich dir meines geben.

CIRUS.

Ist diß dein Sohn?

CRŒSUS.

Ja Herr.

ORSANES.

Ihr beyde seyd betrogen /

Es ist ein Bauren-Kind / in Phrygien erzogen;

Der Printz ist stumm.

HALIMACUS.

Du irrest dich / Orsan.

Es ist der Printz: Ich sah' es selber an /

Wie ihm die Furcht / und seiner Liebe Trieb /

Da jenes Persers Schwerdt dem König einen Hieb /

Wovon er wohl besorglich sterben müssen /

Zu geben war gezückt / der Zungen Band zerrissen;

Halt / rieff er / tödt ihn nicht; wodurch der Hieb gestöret.

CRŒSUS, HAUPTMANN.

Ich hab' es selbst gehöret.

ELMIRA.

Ach welche Freud.

OLISIUS, ELMIRA, CLERIDA.

O Glück!

ORSANES.

Orsan du gehst zu Grunde!

ATIS.

Orsan, in dieser Stunde

Wünschstu vielleicht / ich könte noch nicht sprechen?

ORSANES.

Ich bitte Gnade.

ATIS.

Dein Verbrechen

Weiß ich / und nur Halimacus allein.

Ich schweig' / und er sol auch verschwiegen seyn /

Sey ohne Furcht / und diene treu nach diesem.


Orsan fällt auf die Knie.


ORSANES.

Die Gnade / so du mir erwiesen /

Sol mich / mein Printz / so fest verbinden /

Daß du an Treue nicht wirft meines gleichen finden.

ELMIRA.

Mein Atis, warum doch nahm er das Bauren-Kleid?

ATIS.

Mein Kind / es war zu meiner Sicherheit.


Gibt ihr die Hand.


Herr Vater / unsre beyde Hertzen

Sind längst entbrandt durch treue Liebes-Kertzen;

Verstattet er / daß wir / in Lieb' und Treu zu leben /

Uns jetzt die Hände geben?

CRŒSUS.

Gar gerne / trautster Sohn.

ATIS.

Was sagt Elmira.

ELMIRA.

Ja!

ATIS.

Und sie / holdselige Clerida.

Wil sie an Eliat nicht auch ingleichen

Die Hand zu fester Treue reichen?

CLERIDA.

Ich wil nicht länger widerstreben.


Gibt Eliaten die Hand.


CIRUS.

Der Himmel lasse euch in stetem Glücke leben!

Ich lasse / Crœsus, dir dein Reich mit allen Schätzen.

CRŒSUS UND CHOR DER LIDIER.

Wir wollen diese Gunst mit steter Treu' ersetzen.


Die Könige steigen vom Thron. Elmira und Aria. Clerida und Eliates umarmen sich.

Aria.


ELMIRA.

Glückliche Stunden / erfreulicher Tag /

ATIS.

Da ich mich mit dir vereinigen mag!

ELIATES.

Trauriges Weinen und Schmertzen

CLERIDA.

Kehrt sich in Lachen und Schertzen.

HALIMACUS, ORSANES, OLISIUS.

Lidien spühret in Leiden

Und Freuden /

Was das Verhängnüs des Himmels vermag!

Glückliche Stunden / erfreulicher Tag.


Tantz von Damen und Cavalliere.


ALLE.

Glückliche Stunden / erfreulicher Tag.

Ende.


Quelle:
Reinhard Keiser: Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus. Hamburg [1711], unpaginiert.
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