10. Nächste Folgen von des Großvaters Tod

[86] Nun wurde wieder eine Magd angeschaft; die war dem Vater recht, weil sie brav arbeitete. Aber Mutter und Großmutter konnten sie nicht leiden, weil sie glaubten, sie schmeichle dem Vater, und trag' ihm alles zu Ohren. Auch war sie krätzig, so daß wir alle die Raud von ihr erbten. Und kurz, die Mütter ruhten nicht; sie mußte fort, und eine andre zu. Die war nun ihnen recht, aber dem Vater nicht, weil sie nur das Haus- aber nicht das Feldwerk verstand. Auch meinte er, sie helfe den Weibern allerhand verschmauchen. Jetzt gab's bald alle Tag einen Zank. Die Weibervölker stunden zusammen; der Mann hinwieder glaubte, Er sey einmal Meister; und kurz, es schien als wenn der alte Näbis-Joggele einen guten Theil vom Hausfrieden mit sich unter den Boden genommen hätte. Aus Verdruß gieng darum der Vater einstweilig wieder dem Salpetersieden nach, übergab die Wirthschaft seinem Bruder N. als Knecht, und glaubte mit einem so nahen Blutsfreunde wohl versorgt zu seyn. Er betrog sich. Er konnt' ihn nur ein Jahr behalten, und sah noch zu rechter Zeit die Wahrheit des Sprüchworts ein: Wer will daß es ihm ling, schau selber zu seinem Ding! – Nun gieng er nicht mehr fort, trat auf's neue an die Spitze der Haushaltung, arbeitete über Kopf und Hals, und hirtete die Kühe selber; Ich war[86] sein Handbub, und mußte mich brav tummeln. Die Magd schafte er ab; und dingte dafür einen Gaißenknab, da er jetzt einen Fasel Gaissen gekauft, mit deren Mist er viel Waid und Wiesen machte. Inzwischen wollten ihn die Weiber noch immer meistern; das konnt' er nicht leiden; 's gab wieder allerley Händel. Endlich da er einmal der Großmutter in der Hitz' ein Habermußbecken nachgeschmissen, lief sie davon, und gieng wieder zu ihren Freunden in den Näbis. Die Sach' kam vor die Amtsleuth. Der Vater mußt ihr alle Wochen 6. Batzen und etwas Schmalz geben. Sie war ein kleines bucklichtes Fräulein; mir eine liebe Großmutter; die hinwieder auch mich hielt wie ihr rechtes Großkind; aber, die Wahrheit zu sagen, ein wenig wunderlich, wetterwendisch; gieng immer den sogenannten Frommen nach, und fand doch niemand recht nach ihrem Sinn. Ich mußt' ihr alle Jahr die Metzgeten bringen, und blieb dann ein Paar Tage bey ihr. Da war gut Leben: Ich ließ mir's schmecken; ihre wohlgemeinten Ermahnungen hingegen zum einten Ohr ein, und zum andern wieder aus. Gewiß kein Ruhm für mich. Aber dergleichen Buben machen's, leider Gott erbarm! so. Zuletzt war sie einige Jahr blind, und starb endlich in der Feuerschwand in einem hohen Alter An. 50. 51. oder 52. Sie vermachte mir ein Buch, Arndts wahres Christenthum, apart. Sie war gewiß ein gottseliges Weib, in der Schamaten hoch estimirt; und die Leuth dort sind mir noch besonders lieb um ihretwillen. Auch glaub' ich gewiß noch Glück von ihr her zu haben; denn Elternsegen ruht auf Kindern und Kindskindern.[87]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 86-88.
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