11. Allerley wie's kömmt

[88] Unsre Haushaltung vermehrte sich. Es kam alle zwey Jahr geflissentlich ein Kind; Tischgänger genug, aber darum noch keine Arbeiter. Wir mußten immer viel Taglöhner haben. Mit dem Vieh war mein Vater nie recht glücklich; es gab immer etwas krankes. Er meinte, die starken Kräuter auf unsrer Waid seyen nicht wenig Schuld daran. Der Zins überstieg alle Jahr die Losung. Wir reuteten viel Wald aus, um mehr Mattland, und Geld von dem Holz zu bekommen; und doch kamen wir je länger je tiefer in die Schulden, und mußten immer aus einem Sack in den andern schleufen. Im Winter sollten ich, und die ältesten welche auf mich folgten, in die Schule; aber die dauerte zu Krynau nur 10. Wochen, und davon giengen uns wegen tiefem Schnee noch etliche ab. Dabey konnte man mich schon zu allerley Nutzlichem brauchen. Wir sollten anfangen, Winterszeit etwas zu verdienen. Mein Vater probierte aller Gattung Gespunst: Flachs, Hanf, Seiden, Wollen, Baumwollen; auch lehrte er uns letztre kämbeln, Strümpfstricken, u.d.g. Aber keins warf damals viel Lohn ab. Man schmälerte uns den Tisch, meist Milch und Milch; ließ uns lumpen und lempen, um zu sparen. Bis in mein sechszehntes Jahr gieng ich selten, und im Sommer baarfuß in meinem Zwilchröcklin zur Kirche. Alle Frühjahr mußte der Vater mit dem Vieh oft weit nach Heu fahren, und es theuer bezahlen.[88]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 88-89.
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