19. Kameradschaft

[104] Mein Vater hatte bisweilen aus der Gaißmilch Käse gemacht, bisweilen Kälber gesäugt, und seine Wiesen mit dem Mist geäufnet. Dieß reitzte unsre Nachbarn, daß ihrer Vier auch Gaissen anschaften, und beym Kloster um Erlaubniß baten, ebenfalls im Kohlwald hüten zu dürfen. Da gab's nun Kameradschaft. Unser drey oder vier Gaißbuben kamen alle Tag zusammen. Ich will nicht sagen, ob ich der beßte oder schlimmste unter ihnen gewesen – aber gewiß ein purer Narr gegen die andern – bis auf einen, der ein gutes Bürschgen war. Einmal die übrigen alle gaben uns leider kein gutes Exempel. Ich wurde ein Bißlein witziger, aber desto schlimmer. Auch sah's mein Vater gar nicht gern, daß ich mit ihnen laichte; und sagte mir, ich sollte lieber allein hüten, und alle Tag auf eine andre Gegend treiben. Aber[104] Gesellschaft war mir zu neu und zu angenehm; und wenn ich auch etwa einen Tag den Rath befolgte, und hörte dann die andern hüpen und jolen, so war's, als wenn mich ein Paar beym Rock zerrten, bis ich sie erreicht hatte. Bisweilen gab's Zänkereyen; dann fuhr ich wieder einen Morgen allein, oder mit dem guten Jacoble; von dem hab' ich selten ein unnützes Wort gehört, aber die andern waren mir kurzweiliger. Ich hätte noch viele Jahre für mich können Gaissen hüten, eh' ich den Zehntheil von dem allem inne worden wäre, was ich da gar in Kurzem vernahm. Sie waren alle grösser und älter als ich – fast aufgeschossene Bengel, bey denen schon alle argen Leidenschaften aufgewacht. Schmutzige Zotten waren alle ihre Reden, und unzüchtig alle ihre Lieder; bey deren Anhören ich freylich oft Maul und Augen aufthat, oft aber auch aus Schaamröthe niederschlug. Über meinen bisherigen Zeitvertreib lachten sie sich die Haut voll. Späne und junge Vögel galten ihnen gleich viel, aussert wenn sie glaubten Geld aus einem zu lösen; sonst schmissen sie dieselben samt den Nestern fort. Das that mir Anfangs weh; doch macht' ich's bald mit. So geschwind konnten sie mich hingegen nicht überreden, schaamlos zu baden wie sie. Einer besonders war ein rechter Unflath; aber sonst weder streit- noch zanksüchtig, und darum nur desto verführerscher. Ein andrer war auf alles erpicht, womit er einen Batzen verdienen konnte; der liebte darum die Vögel mehr als die andern, die nämlich welche man ißt; suchte allerley Waldkräuter, Harz, Zunderschwamm, u.d.g. Von dem lernt' ich manche Pflanze kennen; aber auch, was der[105] Geitz ist. Noch einer war etwas besser als die schlimmern, er machte mit, aber furchtsam. Jedem gieng sein Hang sein Lebenlang nach. Jacoble ist noch ein guter Mann; der andre blieb immer ein geiler Schwätzer, und ward zuletzt ein miserabler hinkender Tropf; der dritte hatte mit List und Ränken etwas erworben, aber nie kein Glück dabey. Vom Vierten weiß ich nicht wo er hinkommen ist.

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 104-106.
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