28. Jetzt Taglöhner

[126] »Danke deinem Schöpfer«! (sagte inzwischen eines Tags mein Vater zu mir) »Er hat dein Flehen erhört, und dir von Neuem das Leben geschenkt. Ich zwar, ich will dir's nur gestehen, dachte nicht, wie du, Uli, und hätt' dich und mich nicht unglücklich geschätzt, wenn du dahingefahren wärst. Denn, Ach! Grosse Kinder, grosse Sorgen! Unsre Haushaltung ist überladen – Ich hab' kein Vermögen – Keins von Euch kann noch sicher sein Brodt gewinnen – Du bist der Aelteste. Was willst du nun anfangen? In der Stube hocken, und mit der Baumwolle handthieren, seh ich wohl, magst du nicht. Du wirst müssen tagmen«. »Was du willst, mein Vater«! antwortet' ich: »Nur, ja, nicht ofenbruten«! Wir waren bald einig. Der damalige Schloßbauer, Weibel K. nahm mich zum Knecht an. Von meiner überstandenen Krankheit war ich noch ziemlich abgemattet; aber mein Meister, als ein vernünftiger und stets aufgeräumter Mann, trug alle Geduld mit mir, um so viel mehr da er eigne Buben von gleichem Schrot hatte. Die meiste Zeit mußt' er seinen Amtsgeschäften nach; dann gieng's freylich oft bunt über Eck. Indessen gab er mir auch blutwenig Lohn, und die Frau Bäurin ließ uns manchmal bis um 10. Uhr nüchtern. Bey strenger Arbeit aber erhielten wir auch immer bessre Kost. Bisweilen brachten wir ihm etwas Wildpret, einen Vogel oder Fisch nach Haus; das ließ[126] er sich vortrefflich schmecken. Eines Tags erbeuteten wir ein ganzes Nest voll junger Krähen; die mußt' ihm seine Hausehre wunderbar präpariren. Er verschlang mit ungeheurer Lust alle bis auf die letzte. Aber mit Eins gab's eine Rebellion im Magen. Er sprang vom Stuhl, und rannte todtblaß und schnellen Schrittes den Saal auf und nieder, wo die Füß und Federn noch überall zerstreut am Boden lagen! Endlich schneutzt er uns Buben mit lächerlichem Grimm an: »Thut mir das Schinderszeug da weg, oder ich k ... Euch hunderttausend Dotzend von Euern Bestien heraus. Einmal in meinem Leben solche schwarze Teufel gefressen, und nimmermehr«! Dann legte sich der launigte Mann zu Bethe, und mit einem tüchtigen Schweiß gieng alles vorbey.

Auch mein Bruder Jakob verrichtete um die nämliche Zeit ähnliche Knechtendienst'. Die Kleinern hingegen mußten in den Stunden neben der Schule spinnen. Unter diesen war Georg ein besonders lustiger Erzvogel. Wenn man ihn an seinem Rädchen glaubte, saß er auf einem Baum, oder auf dem Dach, und schrie, Guckuck! »Du fauler Lecker«! hieß es dann etwa von Seite der Mutter, wenn sie ihn so in den Lüften erblickte; und von seiner: »Ich will kommen wenn du mich nicht schlagen willst; sonst steig ich dir bis in Himmel auf«! Was war da zu thun? Man mußte meist des Elends lachen.[127]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 126-128.
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