33. Es geht auf Reisen

[145] Es war im Herbste, als ich eines Tags meinem Vater eine hübsche Buche im Wald fällen half. Ein gewisser Laurenz Aller von Schwellbrunn, ein Rechen- und Gabelmacher, war uns auch dabey behüflich, und kaufte uns nachwerts das schönste davon ab. Unter allerhand Gesprächen kam's auch auf mich: »Ey, ey, Hans«! sagte Laurenz, »du hast da einen ganzen Haufen Buben. Was willst auch mit allen anfangen? Hast doch kein Gut, und kann keiner kein Handwerk. Schad', daß du nicht die größten in die Welt 'nausschickst. Da könnten sie ihr Glück gewiß machen. Siehst's ja an des Hans Joggelis seinen: Die haben im Welsch-Berngebiet gleich Dienst' gefunden; sind noch kaum ein Jahr fort, und kommen schon wie ganze Herren neumontirt, mit goldbordirten Hüten heim, sich zu zeigen, und wurden um kein Geld mehr hie zu Land bleiben«. »Ha«! sagte mein Vater: »Aber meine Buben sind dazu viel zu läppisch und ungeschickt; des Hans Joggelis hingegen witzig und wohlgeschult; können lesen, schreiben, singen und geigen. Meine sind pur lauter Narren in Vergleichung; sie stehen wo man's stellt, und thun's Maul auf«. »Behüte Gott«! versetzte Laurenz, »mußt das nicht sagen, Hans! Sie wären gwiß wohl zu brauchen; sonderlich der grosse da ist wohl gewachsen, kann ja auch lesen und schreiben, und ist sicher kein Stockfisch – seh's ihm wohl an. Potz[145] Wetter! wenn der recht getummelt wird, das gäb' ein Kerl. Würdst die Augen aufsperren! Hans, ich will dir Mann dafür seyn, daß er nach Jahr und Tag heimkommt gestiefelt und gespornt, und Geld hat wie Hünd, daß es dir ein Ehr' und Freud' seyn soll«. Während diesem Gespräch sperrt' ich Maul und Augen auf, guckte dem Vater ins Gesicht; und er mir, und sprach: »Was meinst, Uli«? Aber eh' ich antworten konnte, fuhr Laurenz fort: »Potz Hagel! wenn ich noch so jung wär', und's Maul voll hübsche Zähn hätte, wie du, das ganze Tockenburg mit allen seinen Stricken und Seilern sollten mich nicht im Land behalten. Ich bin auch in der Welt 'rum gekommen. Ha! da giebts Globte Länder, und Geld z'verdienen wie Dreck. Weiß was ich da gesehen hab'. Aber ich war halt ein liederlicher Narr; und nun ist's zu späth, wenn man dem Alter zuruckt, und gar ein Weib hat. O, ich möchte noch brieggen darob! Aber, was ist zu machen«? »Alles gut«, fiel itzt mein Vater ein; »aber da müßt' er Empfehlungsschreiben, oder sonst jemand haben, der ihm in den Teich hülfe. Ich wollte freylich gern alle meine Kinder versorgt wissen, und keinem vor dem Glück stehn. Aber« – »Aber, was aber«? unterbrach ihn Laurenz. »Da laß mich dafür sorgen; es soll dich nicht einen Heller kosten, Hans! und Bürg will ich dir seyn, dein Bub soll versorgt werden, daß er ein Mann, daß er ein Herr giebt. Ich kenne weit und breit angesehene Leuth' genug, die solche Bursch' glücklich machen können; und da will ich dem Uli gwiß den beßten aussuchen, daß er mir's sein Lebtag danken[146] soll« – Mein Vater traute gegen seine Gewohnheit dießmal sehr geschwind; denn er war diesem Laurenz sonst gut. Und von mir kam's – einige Liebesscrupel ausgenommen, von denen wir bald reden werden – wohl gar nicht in die Frage. So bald es einmal von des Aetis Seite wirklich hieß: »Wie, Uli, hätt'st Lust«? hieß es von meiner: »Ja«! Mein Vater mochte um so viel zufriedener seyn, da er mich dergestalt vollends von Aennchen entfernen konnte. Der Mutter hingegen lag's gar nicht recht. Aber, man weiß es schon; wenn der Näbishans einmal einen Entschluß gefaßt, hätten ihn Himmel und Erde nicht mehr davon abwendig gemacht. Es ward also Tag und Stund abgeredt, wo ich mit Laurenz verreisen sollte, ohne weiter einem Menschen ein Wort davon zu sagen: Denn es mache nur unnöthigen Lerm, sagte mein Führer.

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 145-147.
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