39. Was weiters

[162] Meines Diensts war ich bald gewohnt. Mein Herr hatte, ohne mein Wissen, etlichemal meine Treu auf die Probe gestellt, und hie und da im Zimmer Geld liegen lassen. Als bald nachher einem andern von den Preußischen Werboffizieren sein Bedienter mit dem Schelmen davon gieng, und ihm über 80. fl. enttrug, sagte mein[162] Herr zu mir: »Willst du mir's auch e'nmal so machen, Ollrich«? Ich versetzte lachend: Wenn er mir so was zutraue, soll er mich lieber fortjagen. Ich hatte aber wirklich sein Vertrauen so sehr gewonnen, daß er mir den ganzen Winter durch die Schlüssel zu seiner Stube und Kammer ließ, wenn er etwa ohne Bedienten kleine Tours machte. Hinwieder ehrte und liebte ich ihn wie einen Vater. Aber er war auch freundlich und gütig darnach. Nur zu viel konnt' ich spatziren und müßig gehn; und fuhr ich, besonders im Herbst, oft über Rhein auf Feurthalen (denn die alte Brücke war kurz vorher eingefallen, und die neue mit H. Grubenmann in unserm Gasthof accordirt worden) in die Weinlese. Dort half ich dem jungen Volk Trauben – essen, bis ans Halszäpflin. Einmal bey einer solchen Ueberfahrt, sagte mir jemand: »Nun, wie geht's Ulrich? Weißt du auch, daß dein Herr ein Preußischer Offizier ist«? Ich. »Ja! meinetwegen, er ist ein herzguter Herr.« »Ja, ja«! sagte jener: »Wart' nur, bis d'enmal in Preussen bist; da mußt Soldat seyn, und dir den Buckel braun und blau gerben lassen. Um tausend Thaler möcht' ich nicht in deiner Haut stecken«. Ich sah dem Burschen starr ins Gesicht, und dachte bloß, der Kerl rede so aus Bosheit oder Neid; gieng dann geschwind nach Hause, und erzählte meinem Herrn alles harklein, worauf derselbe versetzte: »Ollrich, Ollrich! Du mußt nicht so einem jeden Narrn und Flegel dein Ohr geben. Ja! es ist wahr, ein Preußischer Offizier bin ich – und was ist's denn? – von Geburth ein Pohlnischer Edelmann; und, damit ich dir alles auf die Nase binde, heiß ich'[163] Johann Markoni. Bisher nanntest du mich Herr Lieutenant! Aber eben dieser Grobiane wegen, sollst du mich könftig Ihr Gnaden! schelten. Uebrigens sey nur getrost und guten Muths, dir soll's, bey Edelmanns Parole! nie fehlen, wenn du anderst ein wackrer Bursche bleibst. Soldat solltest werden? Nein! bey meiner Seel' nicht! Ich konnt' dich ja haben; um ein Paar schlichtige Louisd'or wollten deine beyden saubern Landsleuth' dich verkaufen. Aber du warst mir dazu etwas zu kurz; von deiner Länge nimmt man noch keinen an, und ich behielt dir was besseres vor«. Nun, dacht' ich, bin ich Leibs und Guts sicher – Ha! der gute Herr! – Er hätt mich können haben – Die Schurken! – Ja wohl, mich verkaufen? – Der Henker lohn's ihnen! – Aber komm' mir mehr so einer, ich will ihm das Maul mit Erde stopfen. Ja wohl! – Was für ein vornehmer Herr muß nicht Markoni seyn, und dabey so gut! Kurz, ich glaubte von nun an ihm alles, wie ein Evangelium.

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 162-164.
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