43. Noch einmal, und dann: Adieu Rothweil! Adieu auf ewig!

[175] Dieser von R*** war einer von Markonis faulen Debitoren, wie er deren viele hatte. Nun fürchtete er zwar nicht, daß derselbe ihm Geld bringen, aber wohl, daß er noch mehr bey ihm hohlen möchte; denn mein Herr konnte keinem Menschen nichts abschlagen. Indessen wollt' er mich von Zeit zu Zeit dazu brauchen, ihm dergleichen Schulden wieder einzutreiben; dazu aber taugt' ich in Grundsboden nicht: Die Kerls gaben mir gute Wort'; und ich gieng zufrieden nach Haus. Aber länger mocht' eine solche Wirthschaft nicht dauern. Dazu kam, daß Markoni am End das Aergste befürchten mußte, wenn er bedachte, wie wenig Bursche er für so viel Geldverzehrens seinem König geliefert hatte; denn der Grosse Friedrich, wußt' er wohl, war zugleich der genaueste Rechenmeister seiner Zeit. Er strengte darum mich, unsern Wirth, und alle seine Bekannten an, uns doch umzusehn, ob wir ihm nicht noch ein Paar Kerls ins Garn bringen könnten? Aber alles vergebens. Auch die beyden Wachtmeisters Hevel und Krüger, langten um die[175] gleiche Zeit, ebenfalls mit lären Händen wieder zu Rothweil an. Nun mußten wir uns sämtlich reisfertig machen. Vorher aber gab's noch ein Paar lustige Tägel. Hevel war ein Virtuos' auf der Cithar, Krüger eine gute Violine; beyde feine Herren, so lang sie auf der Werbung lagen, beym Regiment aber magere Korporals. Ein dritter endlich, Labrot, ein grosser handvester Kerl, ließ ebenfalls jetzt seinen Schnurrbart wieder wachsen, den er als Werber geschoren trug. Diese drey Bursche belustigten noch zu guter Letze ganz Rothweil mit ihren Sprüngen. Es war eben Faßnacht, wo die sogenannte Narrenzunft (ein ordentliches Institut in dieser Stadt, bey welchem über zweyhundert Personen von allen Ständen eingeschrieben sind) ohnehin ihre Gauckeleyen machte, die meinen Herrn schwer Geld kosteten. Und kurz, es war hohe Zeit, den Fleck zu räumen. Jetzt giengs an ein Abschiednehmen. Mariane flocht mir einen zierlichen Strauß von kostbaren künstlichen Blumen, den sie mir mit Thränen gab, und den ich eben so wenig mit trockenem Aug' abnehmen konnte. – Und nun Ade! Rothweil, liebes friedsames Städtchen! liebe, tolerante katholische Herren und Bürger! Wie war's mir so tausendswohl bey euern vertrauten brüderlichen Zechen! – Ade! ihr wackern Bauern, die ich an den Markttagen in unserm Wirthshaus so gern' von ihren Geschäften plaudern hörte, und so vergnügt auf ihren Eseln heimreiten sah! Wie treflich schmeckten mir oft Milch und Eyer in euern Strohhütten! Wie manche Lust genoß ich auf euern schönen Fluren, wo Markoni so viel Dutzend singende[176] Lerchen aus der Luft schoß, die mich in die Seele dauerten! Wie entzückt war ich, so oft mein Herr mirs vergönnte, in euern topfebnen Wäldern, an des Neckars reitzenden Ufern, auf und nieder zu schlentern, wo ich ihm Hasen ausspähen sollte – aber lieber die Vögel behorchte, und das Schwirren des Wests in den Wipfeln der Tannen! – Nochmal also Ade! Rothweil, werthes, theures Nestgen! Ach! vielleicht auf ewig! Ich hab' seit der Zeit so viel Städte gesehn, zehnmal grösser, und zwanzigmal saubrer und netter als du bist! Aber mit aller deiner Kleinheit, und mit allen deinen Miststöcken, warst du mir zehn und zwanzigmal lieber als sie! Adie, Marianchen! Tausend Dank für deine innige, und doch so unverdiente Liebe zu mir! Adie! Sebastian Zipfel, lieber guter Armbrustwirth! und deine zarte Mühle desgleichen! Lebt alle alle wohl!

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 175-177.
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