61. Itzt wird's wohl Ernst gelten

[233] Indem ich so hin und wieder meinen Salpeter brannte, sah' ich eines Tags ein Mädchen so mit einem Amazonengesicht vorbeygehn, das mir als einem alten Preussen nicht übel gefiel, und das ich bald nachher auch in der Kirche bemerkte. Dieser fragte ich erst nur ganz verstohlen nach; und was ich von ihr vernahm, benagte mir ziemlich; Einen Kapitalpunkt ausgenommen, daß es hieß, sie sey verzweifelt böse – doch im bessern Sinn; und dann glaubten einiche, sie habe schon einen Liebhaber. Nun, mit alle dem, dacht' ich: 's muß doch einmal gewagt seyn! Ich sucht' ihr also näher zu kommen, und mit ihr bekannt zu werden. Zu dem End kauft' ich im Eggberg, wo meine Dulcinee daheim war, etwas Salpetererde, und zugleich ihres Vaters Gaden – ihr zu lieb viel zu theuer; denn es war fast verloren Geld; und schon bey diesem Handel merkt' ich, daß sie gern den Herr und Meister spiele; aber der Verstand, womit sie's that, war mir denn doch nicht zuwider. Nun hatt' ich alle Tag' Gelegenheit, sie zu sehen; doch ließ ich ihr lange meine Absichten unentdeckt, und dachte: Du mußt sie erst recht ausstudieren. Die Böse, wovon man mir so viel Wesens gemacht, konnt' ich eben nicht an ihr finden. Aber der Henker hol' ein lediges Mädchen aus! Meine Besuche wurden indessen immer häufiger. Endlich lärt ich den Kram aus, und gewahrte bald, daß ihr mein[233] Antrag nicht unerwartet fiel. Dennoch hatte sie viele Bedenken, und ihr Ziel gieng offenbar dahin, mich auf eine lange Probe zu setzen. Setz' du nur! dacht' ich, wanderte unterdessen mit meinem Salpeterplunder von einem Ort zum andern, und machte noch mit verschiedenen andern Mädchen Bekanntschaft, welche mir, die Wahrheit zu gestehen, vielleicht besser gefielen, von denen aber denn doch keine so gut für mich zu taugen schien als sie – begriff' aber endlich, oder vielmehr gab mir's mein guter Genius ein, daß ich nicht bloß meiner Sinnlichkeit folgen sollte. Inzwischen setzte es itzt schon bald allemal, wenn ich meine Schöne sah, irgend einen Strauß oder Wortwechsel ab, aus denen ich leicht wahrnehmen konnte, daß unsre Seelen eben nicht gleichgestimmt waren; aber selbst diese Disharmonie war mir nicht zuwider, und ich bestärkte mich immer mehr in einer gewissen Ueberzeugung: Diese Person wird dein Nutzen seyn – wie die Arztney dem Kranken. Einst ließ sie sich gegen mir heraus, daß ihr meine dreckeligte Handthierung mit dem Salpetersieden gar nicht gefalle; und mir war's selber so. Sie rieth mir darum, ein kleines Händelchen mit Baumwollengarn anzufangen, wie's ihr Schwager W. gethan, dem's auch nicht übel gelungen. Das leuchtete mir so ziemlich ein. Aber, wo's Geld hernehmen? war meine erste und letzte Frage. Sie gab mir wohl etwas an; aber das kleckte nicht. Nun gieng' ich mit meinem Vater zu Rath; der hatte ebenfalls nichts dawider, und verschafte mir 100. fl. die er noch von der Mutter zu beziehen hatte.[234]

Um diese Zeit hatt' ich eine gefährliche Krankheit, da mir nämlich ein solches Geschwür tief im Schlund wuchs, das mich beynahe das Leben gekostet hätte. Endlich schnitten's mir die Herren Doktors Mettler Vater und Sohn, mit einem krummen Instrumente so glücklich auf, daß ich gleichsam in einem Nu wieder schlucken und reden konnte.


1759.


Im Merz des folgenden Jahrs fieng ich nun wirklich an, Baumwollengarn zu kaufen. Damals' mußt' ich noch den Spinnern auf ihr Wort glauben, und also den Lehrbletz theuer genug bezahlen. Indessen gieng ich den 5. Aprill das erstemal mit meinem Garn auf St. Gallen, und konnt' es so mit ziemlichem Nutzen absetzen. Dann schafte ich mir von Herrn Heinrich Hartmann 76. Pfund Baumwollen, das Pfund zu 2. fl. an, ward nun in aller Form ein Garnjuwelier, und bildete mir schon mehr ein, als der Pfifferling werth war. Ungefehr ein Jahr lang trieb ich nebenbey noch mein Salpetersieden fort; und da meine Baarschaft eben gering war, mußt' ich sie um so viel öftrer umzusetzen suchen, wanderte deswegen einmal übers andere auf St. Gallen, und befand mich dabey nicht übel: Doch betrug mein Vorschlag in diesem Jahr nicht über 12. fl. Aber das deuchte mir damals schon ein Grosses.[235]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 233-236.
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