[364] Freytag d. 11. April 1788


Schreiben an meinen Sohn –

Seihst du, Junge – siehst wies einem geht in der Welt – wann er nicht auf seinem Posten bleibt – Hast das Gespräch gelesen – sonst ist lesen nicht deine Sache – aber das Gespräch zwüschen Balz und Andres wirst du doch lesen – es ist ächt – glaubs Bube – so schwäzten – so dachten die meisten Nachbaren und Bekandten – von mir – deinem Vater – nur wegen meinen Lesereyen und Schreibereien könen sie mich nicht leiden – zwar du lachst hinden im Maul – ich weiß wohl – du sagst heimlich sie haben recht – aber es kan doch noch eine Zeit komen – das du mich list – schon du und deine Mutter – alle Freunde und Verwandten mich jez deswegen tadeln und scheel ansehn – das Gespräch – das ist würklich geflossen – mein Verthädiger Andres ist würklich mein Freund – der hat mich die gantze Unterredung haarklein berichtet – ob er aber mich so heftig verthädigt – weiß ich nicht ich habe nur das wennigste hergesezt – und Balzens harte Ausdrücke und Beschimpfungen habe auch mehr als die Helfte ausgelassen –

Deswegen bin ich doch nicht von meinem Posten gewichen wie die mürrischen Nachbaren glauben – und auch du mir vorwerfen möchtest – ich versaume sehr wennig bey meinem Beruf – viel wenniger als man glaubt – freilich ist meine Seele nicht gestimt[364] – all ihre Kräfte nur auf Brodterwerb oder Geltsameln zu verwenden – wie meinen Durchhächlern die Ihre – die kein anderes Verdienst wüssen – kein anderes Vergnügen kenen als Gelt – und was mit Gelt zu kaufen ist – doch ich plaudere zur Zeit noch tauben Ohren – lieber Junge – wolte Gott ich könt erleben das ich dich aus eigenem Trieb mit einem Buch in der Hand in einem Weinkel fände – oder dich anträfe – einen eigenen Gedanken aufs Paper hinkleksen – oder nur einsam deinen Gedanken nachhengcn – aber läyder – zur Zeit noch nichts dergleichen – ich und du Vatter und Sohn denken nach – wie wiederwertig unsere Stekenpferdt – was mir all meine Tage unausstehlich war, muß ich an dir sehen – von einem Haus zum andern laufen – wo nur die pöbelhaften Grobianen hausen – Gespenster- und Hexenhistörchen erzehlt werden – foppen und fabeln – weder kalt noch warm – denen ich gar keinen Namen weiß – wos jedem ehrlichen Mann dabey übel wirdt – ohne dabey der Flüche zu gedenken – welche jede unter Gelächter ausgehauchte Narrheit begleitet – o Sohn – denke nach –[365]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 364-366.
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