Dritte Abhandlung.

Von dem schönen Bein und seinen Reizen.

[212] Unter andern Schönheiten, die ich öfter unter uns Hofherren als besonders zur Liebe reizend, rühmen hörte, wird ein schönes Bein bei einer schönen Dame sehr hoch geschätzt Viele Damen, die ich sah, waren stolz auf ihr schönes Bein und bemüht, es in seiner Schönheit zu erhalten. Unter andern hörte ich von einer mir bekannten großen Fürstin, daß sie eine ihrer Damen vor allen andern liebte und auszeichnete, nur weil diese ihr die Strümpfe so straff anzog, sie dem Schienbein so gut anpaßte und das Strumpfband so hübsch zu binden verstand wie keine andre. Deshalb stand sie sehr bei ihr in Gunst und empfing dafür sogar Geschenke von ihr. Da die Dame nun so viel Pflege auf ihr schönes Bein verwendete, ist anzunehmen, daß sie es nicht tat, um es unter ihren Röcken zu verbergen, sondern es öfter zur Schau zu stellen mit hübschen Strümpfen aus Gold- oder Silberstoff, die sie gewöhnlich trug; denn man hat ja viel mehr Vergnügen davon, wenn man so etwas auch andere sehen läßt.

Diese Dame konnte sich auch nicht damit entschuldigen, daß sie es nur, um ihrem Gatten zu gefallen, täte, was die meisten sagen, und sogar die Alten, wenn sie sich trotz ihres Alters prächtig herausputzen; denn die Dame war Witwe. Allerdings tat sie es schon bei Lebzeiten ihres Gatten und wollte, nachdem sie ihn verloren, nicht damit aufhören.[213]

Ich habe viele schöne, achtbare Damen und Mädchen gekannt, die ebenso beflissen waren, ein schmuckes, reizendes Bein zu besitzen; und sie hatten recht, denn es liegt darin ein größerer sinnlicher Reiz, als man denkt.

Ich hörte von einer sehr großen Dame aus der Zeit Königs Franz, die sehr schön war. Sie hatte ein Bein gebrochen und ließ es sich wieder einrichten; aber es fiel nicht zu ihrer Zufriedenheit aus, da es schief stand. Kurz entschlossen ließ sie es sich von dem Chirurgen noch einmal brechen und es sich so einrenken, wie es gewesen war. Irgend eine Dame verwunderte sich darüber und erhielt von einer andern schönen Dame, die etwas von der Sache verstand, zur Antwort: »Ich sehe, daß Sie gar keine Ahnung haben, was für ein Liebreiz in einem schönen Bein liegt«

Ich kannte einst eine sehr hübsche und anständige junge Frau der großen Welt, die in einen Grandseigneur verliebt war. Eines Tages, als sie sich in der Allee eines Parkes befand, sah sie ihn kommen, und um ihn zu reizen, tat sie, als ob ihr Strumpfband sich gelöst hätte. Sie stellte sich ein wenig beiseite, hob das Bein, zog den Strumpf in die Höhe und befestigte das Strumpfband. Der Herr beobachtete sie und fand das Bein sehr schön. Er verlor sich so in den Anblick, daß dieser einen größeren Eindruck auf ihn machte als ihr hübsches Gesicht. Denn er schloß, daß die beiden schönen Säulen auch ein schönes Gebäude tragen müßten. Später gestand er dies seiner Herrin, und diese gewährte ihm nun seinen Willen. Man beachte diesen hübschen Kunstgriff!

Ich hörte auch von einer schönen und achtbaren Dame erzählen, die sehr geistvoll und von heiterer Laune war. Als sie sich eines Tages von ihrem Kammerdiener die Strümpfe anziehen ließ, fragte sie ihn, ob ihn das nicht in Aufregung und Versuchung bringe. Der Diener glaubte[214] es gut zu machen und sagte aus Respekt vor seiner Herrin: Nein. Da erhob sie die Hand und gab ihm eine gehörige Ohrfeige: »Fort,« rief sie, »nicht länger bist du mehr in meinem Dienst. Du bist ein Einfaltspinsel und kannst gehen!«

Viele Kammerdiener von heute sind nicht so zurückhaltend, wenn sie ihre Herrin ankleiden und ihr die Strümpfe anziehen helfen. Aber auch Edelleute werden sich nicht so benehmen, wenn sie solche Reize sehen.

Nicht erst seit heute schätzt man die Schönheit des Beins und des Fußes; sondern aus den Zeiten der alten Römer lesen wir, daß Lucius Vitellius, Vater des Kaisers Vitellius, der sich in Messalina verliebt hatte und der durch ihre Vermittlung bei ihrem Gatten in Gunst stehen wollte, sie eines Tages bat, ihm die Ehre einer Gunst zu erweisen. Die Kaiserin fragte ihn: »Und welche?« »Möchtet Ihr gestatten,« sagte er, »daß ich Euch die Sandalen ausziehe.« Messalina, die gegen ihre Untertanen sehr höflich war, verweigerte ihm diese Gunst auch nicht. Nachdem er ihr die Schuhe ausgezogen, behielt er einen davon und trug ihn stets bei sich unter dem Hemde auf dem Leibe; er küßte ihn, so oft er konnte und betete den schönen Fuß seiner Dame in diesem Schuh an, da er den Fuß und das Bein selbst nicht zur Verfügung hatte.

Jener Mylord aus England in den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra trug ebenso den Handschuh seiner Geliebten bei sich. Ich kannte viele Edelleute, die, bevor sie ihre Seidenstrümpfe selbst anzogen, ihre Geliebte baten, sie vorher acht oder zehn Tage lang zu tragen; dann zogen sie sie zum großen Genuß für Leib und Seele selber an.

Ich kannte einen Herrn der feinen Welt, der sich auf der Heimreise mit einer vornehmen Dame von großer Schönheit auf der See befand. Während nun ihre Dienerinnen seekrank waren, und sie deshalb nicht gut bedienen konnten,[215] wurde das ein Glück für ihn, indem er ihr beim Aufstehen und Zubettgehen aufwarten konnte. Bei diesen Dienstleistungen verliebte er sich dermaßen in sie, daß er ganz den Kopf verlor. Und wer sollte auch bei einer solchen Verführung kalt bleiben?

Wir lesen von der Gemahlin Neros, Poppäa Sabina, seiner Lieblingsfrau, daß sie, außer einer Unmenge von Schmuck und Zierat, Schuhe trug, die ganz aus Gold waren. Aber diese Bekleidung verbarg weder ihren Fuß noch ihr Bein vor den Blicken Neros, der auch ein Hahnrei war; er hatte nicht allein den Genuß von diesem Anblick, sondern andre hatten ihn auch. Sie konnte sich diese Seltenheit ja gestatten, ließ sie doch die Hufe der Stuten, die ihren Wagen zogen, mit silbernen Eisen beschlagen.

Der heilige Hieronymus tadelt heftig eine Dame seiner Zeit, die auf die Schönheit ihres Beines gar zu stolz war; er sagt: »Mit ihren kleinen braunen Stiefeln, die so knapp sitzen und blank sind, dient sie den jungen Leuten als Köder, und durch den Klang der Schnallen lockt sie sie an.« Es war dies eine damals gebräuchliche sehr kokette Fußbekleidung, die sich für sittenstrenge Frauen nicht schickte. Derartige Schuhe sind heute noch bei den türkischen Frauen in Gebrauch, und werden von den vornehmsten und keuschesten getragen.

Ich habe die Frage aufstellen hören: welches Bein ist verführerischer, das nackte oder das bekleidete? Manche meinen, die reine Natur wäre das Schönste, wenn das Bein, im Sinne des früher zitierten Spaniers, vollendet geformt ist, wenn es weiß und glatt ist und in einem hübschen Bett zur Erscheinung kommt. Denn wenn anders eine Dame das Bein ganz nackt zeigen wollte, indem sie umhergeht mit Pantoffeln an den Füßen, so würde sie, sei sie sonst auch noch so prächtig gekleidet, doch nicht hübsch und anständig gefunden werden. Dann schon eher eine Frau mit schönen bunten Strümpfen aus Seide oder weißem Gewebe, wie man es in Florenz für die Sommertracht herstellt[216] Solche Strümpfe sah ich früher unsre Damen tragen, bevor die Seidenstrümpfe so sehr in Aufnahme kamen. Der Strumpf muß auch so straff gespannt sein wie ein Trommelfell und mit einer Spange befestigt werden, oder wie es sonst den Damen beliebt. Ferner gehört dazu ein feiner weißer Schuh oder Pantoffel aus schwarzem oder farbigem Sammet, oder ein hübscher kleiner Absatzschuh, wie ich ihn bei einer sehr vornehmen Dame sehr zierlich und fein gesehen habe.

Aber auch die Schönheit des Fußes verdient Beachtung. Wenn er zu groß ist, ist er nicht schön. Wenn er gar zu klein ist, so erweckt er keine allzu gute Meinung von der Dame, da es heißt; »petit pied, grand con.« Und das ist nicht angenehm. Am besten ist die Mittelgröße, wie ich solche Füße sehr verführerisch wirken sah, wenn die Damen sie halb unter dem Unterrock sehen ließen, in unruhiger, lasziver Bewegung, und bedeckt mit einem hübschen kleinen Hackenschuh, weiß, spitz und ja nicht breit vorne. Weiß ist er am schönsten. Aber diese kleinen Schuhe sind nur für die großen und hohen Frauen, nicht für die kurzen und kleinen, deren große Schuhe für zwei Füße passen. Das gleicht dann schon eher der Keule eines Riesen oder dem Schellenstab eines Narren.

Vor einer andern Sache soll sich ein Weib hüten, nämlich: ihr Geschlecht nicht entstellen und sich nicht als Knabe verkleiden. Denn mag sie auch das schönste Bein der Welt haben, so sieht es doch ungestaltet aus, da jedem Ding seine besondere Eigenheit zukommt. Verleugnet also eine Frau ihr Geschlecht, so entstellt sie ihre natürliche Schönheit und Anmut.

Deshalb steht es einer Frau nicht wohl an, wenn sie sich als Mann verkleidet, in der Meinung, sich dadurch schöner zu zeigen; höchstens könnte sie sich durch einen hübschen Hut mit Feder ä la Guelfe oder Ghibelline »adonisieren«,[217] oder auch die Feder vorn auf der Stirn tragen, wie es seit einiger Zeit unsre Damen aufgebracht haben. Es kleidet aber nicht allen; man muß dazu ein besonderes knabenhaftes Gesicht haben, wie unsre Königin von Navarra. Diese brauchte sich nur ein wenig männlich zu kleiden und man konnte schwer sagen, zu welchem Geschlecht sie gehörte, ob sie ein hübscher Knabe oder eine sehr schöne Dame sei.

Ich erinnere mich einer Frau der vornehmen Welt, die ich kannte und die ihr im Alter von 25 Jahren nachahmen wollte. Sie war aber zu groß gebaut und hatte männliche Formen. Erst kürzlich an den Hof gekommen, wollte sie den Galan spielen und erschien eines Tages als solcher im Ballsaal. Es wurden viele spitze Bemerkungen über sie gemacht, auch vonseiten des Königs, der sofort sein Urteil über sie fällte, denn er war der wortgewandteste Mann seines Reichs. Er sagte, sie gliche einer Gauklerin oder Seiltänzerin vom Markt oder besser gesagt, einem jener Frauenbilder, die man aus Flandern herüberbringt und vor den Kaminen der Gasthäuser aufhängt, mit einer deutschen Flöte im Munde. Wenn sie noch öfter in dieser Gewandung und Haltung erscheinen würde, sagte er, so wollte er ihr raten, mit ihrer Flöte der edlen Gesellschaft ein Ständchen zu geben. So machte er sich über sie lustig, sowohl weil ihr Aufputz sie schlecht kleidete, wie auch wegen eines Hasses, den er gegen ihren Mann hegte.

Derartige Verkleidungen stehen also nicht allen Damen gut. Denn wenn die Königin von Navarra, die die schönste Frau der Welt ist, sich anders mit ihrer Mütze hätte verkleiden wollen, würde sie niemals so schön erschienen sein, wie sie ist. Was für eine schönere Gestalt hätte sie auch annehmen können, als die ihrige war? Und wenn sie ihr Bein, das ich von ihren Frauen als das schönst geformte[218] der Welt schildern hörte, anders als nach der Natur, oder auch hübsch bekleidet unter ihren schönen Gewändern hätte zeigen wollen, so würde man sie niemals so schön gefunden haben. So müssen die schönen Frauen ihre Reize zur Schau tragen.

Ich las in einem spanischen Buche, betitelt »El viaje del Principe« – es war die Reise, die der König von Spanien in seinen Niederlanden unternahm, zur Zeit des Kaisers Karl, seines Vaters – daß eins der schönsten Erlebnisse in den reichen und prächtigen Städten dasjenige war, welches die Königin von Ungarn ihm in ihrer schönen Stadt Bains verschaffte, wovon das Sprichwort sagt: »Mas brava que las fiestas de Bains«.

Unter andern Herrlichkeiten gab es die, daß sie während der Schein-Belagerung eines Schlosses (ich werde es an anderer Stelle beschreiben) eines Tages ihrem guten Bruder dem Kaiser, der Königin Eleonore, ihrer Schwester, dem König ihrem Neffen und allen Herren, Kavalieren und Damen des Hofes ein Fest gab. Gegen Ende des Festmahls erschien eine Dame, begleitet von sechs Bergnymphen, in antiker Kleidung nach Art der Jägerinnen, alle in grünem Silberschleier mit einem Halbmond auf der Stirn, der ganz mit Diamanten besetzt war, um den Schimmer des Mondes nachzuahmen. Jede trug Bogen und Pfeile in der Hand, einen prächtigen Köcher an der Seite und an den Füßen reizende Schuhe aus Silbertuch. So traten sie in den Saal, hinter sich ihre Hunde, und legten vor dem Kaiser alle Arten Wildbret als ihre Jagdbeute auf die Tafel.

Darauf erschien Pales, die Göttin der Hirten, mit sechs weißgekleideten Nymphen, in Silberschleier, mit demselben Kopfschmuck, ganz mit Perlen besät, und mit silbernen Strümpfen und weißen Schuhen. Sie brachten alle Arten Milchspeisen mit und setzten sie dem Kaiser vor.[219]

Als dritte Gruppe kam die Göttin Pommona mit ihren Najaden, und brachte Früchte dar. Diese Göttin wurde von der Tochter der Doña Beatrix Pacebo, Komtesse von Antremont, Ehrendame der Königin Eleonore, dargestellt, die damals erst neun Jahre alt sein konnte. Heute ist sie die zweite Gemahlin des Herrn Admirals von Chastillon. Sie überreichte die schönsten Früchte des Sommers dem Kaiser mit einer so beredten und anmutsvoll vorgebrachten Ansprache, daß sie den Kaiser und die ganze Gesellschaft entzückte, und man ihr schon damals in ihrem zarten Alter weissagte, das zu werden, was sie heute ist: eine schöne kluge, anständige, tugendhafte, geschickte und geistvolle Frau.

Sie war ebenso wie die andern Nymphen in weißen Silberschleier gekleidet, ihr Haar war mit Edelsteinen geschmückt, lauter Smaragden, die zum Teil die Farbe der dargebrachten Früchte darstellen sollten. Außer diesen Gaben überreichte sie dem Kaiser und dem König von Spanien einen Siegeszweig aus grünem Email, der mit Perlen und Edelsteinen besetzt war, was einen köstlichen Anblick bot. Der Königin Eleonore reichte sie einen Fächer mit einem Spiegel darin, geschmückt mit Steinen von großem Wert.

Sicherlich, diese Königin von Ungarn bewies, daß sie in allen Dingen eine vornehme Frau war und die Belustigung ebensowohl verstand wie das Kriegshandwerk. Und ich hörte, ihr Bruder, der Kaiser, hätte sich sehr gefreut, eine Schwester zu besitzen, die seiner so würdig war.

Nun könnte man mir vorhalten, weshalb ich denn diese Abschweifung gemacht hätte. Es geschah, um zu sagen, daß alle diese Mädchen, die die Nymphen darstellten, aus den schönsten ausgewählt waren, die die Königinnen von Frankreich und von Ungarn und Madame von Lothringen besaßen. Es waren Mädchen aus Frankreich, Italien, Holland Deutschland und Lothringen, und auch die Königin von Ungarn hatte ihr Möglichtes getan, die anmutigsten auszulesen.[220]

Madame von Fontaine-Chalandry, die noch am Leben ist, weiß davon zu berichten; sie gehörte damals zum Gefolge der Königin Eleonore und war eines der schönsten Mädchen; man nannte sie auch die schöne Torcy. Sie hat mir viel davon erzählt, und von ihr und andern weiß ich, daß die Edelleute und Kavaliere an diesem Hofe mit Vergnügen die schönen Beine und hübschen kleinen Füße dieser Damen betrachteten. Denn in ihrer Nymphentracht waren sie sehr hoch geschürzt und boten so ein prächtiges Schauspiel, noch mehr als durch ihre hübschen Gesichter, die man alle Tage sehen konnte, was bei ihren schönen Beinen nicht der Fall war. In diesen Anblick verliebten sich nun manche viel mehr als in das hübsche Antlitz. Denn schöne Säulen pflegen gewöhnlich auch ein schönes Kapital und ein prächtiges Gesims zu tragen.

Ja, ich muß noch eine Abschweifung machen und meiner Laune folgen, da wir nun einmal von solchen Schauspielen und Darstellungen reden. Fast zur selben Zeit, als diese schönen Feste in den Niederlanden und zumal in Bains zu Ehren des Königs von Spanien stattfanden, erfolgte der Einzug des Königs Heinrich in Lyon, auf seinem Besuch Piemonts und seiner Garnisonen. Es soll, wie ich von dabei anwesenden Damen und Herren hörte, ein herrlicher Triumphzug gewesen sein.

Wurde nun schon die Darstellung der Diana und ihrer Jagd auf dem Feste der Königin von Ungarn prächtig gefunden, so erfolgte zu Lyon eine noch viel schönere. Denn auf dem Wege, den der König nahm, empfing ihn ein großer antiker Obelisk, und zur Seite des Weges rechter Hand befand sich eine Wiese, etwa sechs Fuß durch Mauerwerk erhöht; sie war bepflanzt mit Bäumen mittlerer Größe, dazwischen dichte Gebüsche, abwechselnd mit Obstbäumen. In diesem kleinen Walde tummelten sich eine Menge kleiner zahmer Hirsche und Rehe. Dann vernahm Seine Majestät den Klang von Hörnern und Trompeten, und alsbald sah er durch den Wald Diana mit ihren Jagerinnen[221] daherschreiten. In der Hand hielt sie einen reich mit Türkisen verzierten Bogen, zur Seite hing der Köcher. Sie war nach antiker Mode als Nymphe gekleidet: um den Leib trug sie einen halblangen Mantel aus sechs großen runden Stücken von dunkelm Goldstoff, besät mit silbernen Sternen, die Ärmel und das Übrige aus karmoisinrotem Atlas mit Goldborte. Das Gewand war bis zur Hälfte des Beines hochgeschürzt und ließ ihre schöne Wade und ihre antiken Schuhe aus rotem Atlas mit Perlenstickerei sehen. Ihre Haare waren mit dicken Perlenschnüren durchflochten und mit wertvollen Edelsteinen besteckt. Auf der Stirn flimmerte ein kleiner silberner Halbmond mit lauter kleinen Diamanten; denn von Gold würde es nicht so schön und natürlich gewesen sein, da der Schein des Mondes silbern ist.

Ihre Gefährtinnen trugen Gewänder von verschiedenem Schnitt aus golddurchwirktem Stoff, alles im antiken Geschmack; Strümpfe und Schuhe aus Atlas, das Haupt mit Perlen und Steinen geschmückt.

Einige führten kleine Windspiele und andre Hunde an der Koppel mit Schnüren von weißer Seide; das waren die Farben des Königs zu Ehren einer Dame mit Namen Diana, die er liebte, Andre begleiteten den Zug und trieben die Hunde an, die lustig bellten. Einige trugen kleine Pfeile aus Brasilienholz mit vergoldeter Eisenspitze und hübschen kleinen Quasten aus weißer und schwarzer Seide. Die gebogenen Trompeten und Hörner aus Gold und Silber hingen an Schärpen aus silbernen und schwarzen Seidenschnüren.

Sobald sie den König erblickten, erschien aus dem Walde ein lange vorher gezähmter Löwe, der sich der Göttin schmeichelnd zu Füßen legte. Diese nahm das sanfte Tier mit einer starken Schnur aus schwarzer Seide und führte es zum König. Bis zum Rand der Mauer an der Seite des Weges vortretend, hielt sie einen Schritt vor dem König an und bot ihm den Löwen mit einer Ansprache[222] in Versen dar, einem Zehnzeiler, wie man sie in damaliger Zeit verfaßte. Mit diesen wohlklingenden, und anmutig gesprochenen Reimen empfahl sie ihm in dem Bilde des sanften Löwen die Stadt Lyon, die ebenso sanft und gehorsam seinen Gesetzen und Befehlen folge.

Hierauf verneigten sich Diana und ihre Gefährtinnen ehrfurchtsvoll vor dem König, der sie wohlwollend ansah und ihnen aus vollem Herzen dankte; dann setzte er seinen Einzug fort. Diese Diana und ihre Gefährtinnen waren die schönsten verheirateten Frauen, Witwen und Mädchen von Lyon, wo kein Mangel an Schönheiten ist. Und sie führten ihr Schauspiel so reizend auf, daß die Mehrzahl der Prinzen, Edelleute und Höflinge hingerissen waren. Ich überlasse es Ihnen zu beurteilen, ob sie recht hatten.

Madame von Valentinois, genannt Diana von Poitiers, die der König verehrte und unter deren Namen diese Jagd stattfand, war nicht weniger erfreut darüber und hegte ihr Lebelang eine große Vorliebe für die Stadt Lyon. Übrigens war sie auch deren Nachbarin, denn das Herzogtum Valentinois liegt ganz in der Nähe.

Da wir nun einmal dabei sind, von dem Entzücken zu sprechen, das der Anblick eines schönen Beins gewährt, darf man es glauben, daß nicht nur der König, sondern alle Herren des Hofes sich daran ergötzten, diese schönen, kurzgeschürzten Nymphen zu betrachten und Lust empfanden, in das zweite Stockwerk zu steigen, um ihrer Bewunderung für diesen reizenden Einfall Ausdruck zu geben.

Um aber von dieser Abschweifung zurückzukommen, sage ich, daß an unsern Höfen wunderhübsche Ballete aufgeführt wurden und zwar von unsern Königinnen, hauptsächlich von der Königinmutter. Gewöhnlich richteten wir Hofleute unsre Blicke auf die Füße und Beine der tanzenden Damen und entzückten uns an den verführerischen Bewegungen. Denn ihre Röcke waren kürzer als sonst, aber nicht, wie bei Nymphen, so hochgeschürzt, wie man hätte wünschen können. Trotzdem schlugen wir unsre Augen[223] ein wenig nieder, besonders wenn man die Volte tanzte, wobei die Röcke flogen und man stets etwas Hübsches zu sehen bekam, vorüber Einige ganz und gar in Entzücken gerieten.

Die schönen Damen von Siena bildeten im Anfang der Empörung ihrer Stadt und Republik, drei Rotten aus den schönsten und vornehmsten Frauen der Stadt. Jede Rotte bestand aus tausend, was also im ganzen eine Anzahl von dreitausend ausmachte. Der eine Trupp war violett gekleidet, der andre weiß, der dritte rosenrot Alle trugen sich nach Art der Nymphen sehr hoch geschürzt, so daß die schönen Beine und Waden zu sehen waren. So erschienen sie in der Stadt vor der Welt und sogar vor dem Herrn Kardinal von Ferrara und Herrn von Termes, Generalleutnants unsers Königs Heinrich. Alle versprachen, daß sie bereit wären, für die Republik und für Frankreich ihr Leben zu opfern und die Befestigung der Stadt in die Hand zu nehmen: sie trugen schon die Faschinen auf der Schulter. Dies setzte alle Welt in Erstaunen. Ich werde auf diese Geschichte noch zurückkommen, wo ich von den heldenmütigen Frauen spreche. Denn dies gehört mit zu dem Schönsten, was man von den galanten Damen berichten kann.

Jetzt will ich mich damit begnügen zu sagen, daß ich von mehreren Edelleuten und Soldaten, sowohl Franzosen wie Ausländern und auch von Einwohnern der Stadt gehört habe, daß man nie etwas Schöneres gesehen hätte; denn alles waren große Damen und hervorragende Bürgerinnen der genannten Stadt, eine immer schöner als die andre, wie Siena ja wegen seiner Schönheiten bekannt ist. Aber wenn es reizend war, ihre hübschen Gesichter zu sehen, so war es sicher auch ein Genuß, ihre schönen Beine und Waden zu betrachten, sowie die hübschen Strümpfe, da sie die Röcke ganz kurz wie Nymphen trugen, um besser ausschreiten zu können. Das mußte die kältesten entflammen. Dazu waren die kurzen Röcke noch nach antiker Mode an[224] der Seite geschlitzt, was den wollustvollen Reiz noch mehr erhöhte.

Aber was macht heutzutage die schönen Frauen und Mädchen der Insel Kios so liebreizend? Gewiß schon ihre natürliche Anmut, aber ebensowohl ihre prächtige Kleidertracht und besonders die sehr kurzen Röcke, die ihre schönen Beine, Waden und reizend beschuhten Füße sehen lassen.

Hier erinnere ich mich, daß einst am Hofe eine schöne, hochgewachsene Dame ein prachtvolles Tapetenwerk betrachtete, worauf Diana und die ganze Schar der Jagdjungfrauen dargestellt war, deren Gewänder die schönen Füße und Waden zur Schau stellten. Neben ihr stand eine Dame von sehr niedrigem Körperbau und während sie das Gewebe beschauten, sagte sie zu dieser: »Nun, Kleine, wenn wir uns auch so anzögen, würden Sie sehr dabei verlieren, denn Ihre Schuhe sind viel zu plump. Ihre Beine und Ihr Gang würde nicht so anmutig sein wie bei uns hochgewachsenen Frauen. Deshalb müßten Sie sich verstecken und lieber gar nicht zum Vorschein kommen. Danken Sie also der Jahreszeit und den langen Röcken, die wir tragen; sie kommen Ihnen zu statten. Denn Ihre Beine mit den Absatzschuhen von einem Fuß Höhe gleichen mehr einer Keule. Wenn jemand sich schlagen wollte und hätte keine Waffe zur Hand, so brauchte er nur Ihr Bein zu nehmen, damit könnte er tüchtig losschlagen.«

Diese Dame durfte wohl mit Recht so sprechen; denn der schönste Fuß der Welt verliert seinen Reiz, wenn er so plumpe Schuhe trägt. Entspricht dem Bein nicht ein Fuß in hübscher Bekleidung, so taugt die ganze Sache nichts. Manche Damen glauben durch diese großen und schweren Hackenschuhe ihre Figur zu erhöhen und dadurch liebreizender zu erscheinen; auf der andern Seite aber schädigen sie dadurch die Schönheit des Beins, welches dann immer noch im natürlichen Zustande besser ist als eine nachgemachte hohe Figur.[225]

Auch in früheren Zeiten besaß ein schöner Fuß einen so großen Wollustreiz, daß manche keusche und prüde Römerin, oder die es wenigstens sein wollte, den Fuß sorgfältig unter ihren langen Kleidern verborgen trug, damit man ihn ja nicht sehe. Noch heute ahmen manche Frauen in Italien dies nach und gehen so gemessen und vorsichtig, daß der Fuß niemals unter dem Kleide zum Vorschein kommt.

Das mag gut sein für die Sittenstrengen oder Scheinheiligen, die nicht verführerisch wirken wollen, meinetwegen; aber ich glaube, wenn sie die Freiheit hätten, würden sie gerne den Fuß, das Bein und noch anderes sehen lassen.

Ich kenne einen sehr galanten Edelmann, der einst zu Rheims bei der Salbung des letzten Königs das schöne mit weißem Seidenstrumpf bekleidete Bein einer verwitweten Dame von hoher Figur gesehen hatte, und zwar von unten auf der Tribüne, wo die der Feierlichkeit zuschauenden Damen standen. Er war davon so entzückt, daß er ganz toll vor Liebe wurde. Was das hübsche Gesicht nicht erreicht hatte, bewirkten die schönen Waden. Und diese Dame verdiente auch in allen Teilen die heiße Liebe eines achtbaren Edelmannes. Ich kannte mehr Männer von gleicher Empfindung.

So viel steht fest, der Anblick schöner Beine und Füße ist sehr gefährlich und bestrickend, und mich wundert, daß manche guten Schriftsteller, unsre Dichter wie auch andre, nicht soviel zu ihrem Lobe geschrieben haben, wie über andre Körperteile. Ich meinerseits hätte gern noch mehr geschrieben, aber ich befürchte, daß ich durch zu großes Lob den Vorwurf verdienen könnte, mich um die andern Körperteile nicht zu kümmern. Auch habe ich ja noch über andre Gegenstände zu schreiben und darf nicht zu lange bei ein und demselben verweilen.

Deshalb sage ich nur noch dies Eine: »Meine Damen, seien Sie um Gotteswillen nicht bestrebt, von größerer Figur erscheinen zu wollen, als ihre Beine es zulassen, die bei[226] einigen von Ihnen sehr schön sind; durch die hohen Absatzstiefel verderben Sie sich nur. Freilich müssen Sie Absätze tragen, aber nicht übertrieben hoch; das entstellt Sie mehr als Sie denken.«

Nun möge ein andrer, wer will, die übrigen Schönheiten der Frau rühmen, wie es manche Dichter tun; aber ein schönes Bein, eine fein geformte Wade und ein hübscher Fuß besitzen eine große Macht im Reich der Liebe.

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 212-227.
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Das Leben der galanten Damen
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