Vierte Abhandlung.

Von den älteren Damen, die ebenso der Liebe pflegen wie die jungen.

[227] Da ich schon früher von den älteren verliebten Damen gesprochen habe, so möchte ich ihnen diese Abhandlung widmen. Ich beginne sogleich: Eines Tages, als ich mich am spanischen Hofe befand und mit einer sehr achtbaren und schönen, freilich schon etwas gealterten Dame plauderte, sagte sie zu mir: »Ningunas damas lindas, ó á lo menos pocas, se hazen viejas de la cinta hasta abajo.« »Die schönen Damen, wenigstens einige, altern nicht vom Gürtel abwärts.« Ich fragte sie, wie sie das meine: ob sie sagen wollte, daß die Schönheit des Leibes vom Gürtel abwärts sich durch das Altern nicht vermindert, oder daß die Sinnlichkeit mit dem Alter nicht erkalte und erlösche. Sie antwortete: sie meine beides; »denn,« sagte sie, »von dem Stachel des Fleisches geneset man nicht anders als durch den Tod, obgleich es scheint, daß er im Alter weniger fühlbar wird. Denn jede schöne Frau liebt sich selbst in hohem Maße, aber nicht um ihretwillen, sondern wegen anderer; und sie gleicht durchaus nicht dem Narzissus, der so einfältig war, über seiner Liebe zu sich selbst jede andre Liebe zu verschmähen.«

Nein, eine schöne Frau denkt anders. So hörte ich von einer sehr schönen Dame erzählen, daß sie ganz verliebt in ihren eigenen Körper war und oft daran Vergnügen[228] fand, sich allein nackend im Bett in allen möglichen wolllüstigen Stellungen zu sehen. Sie verdammte ihr Schicksal, an einen Mann gefesselt zu sein, der eines so schönen Leibes nicht würdig war. Endlich entflammte sie durch dieses Selbstanschauen ihre Phantasie derartig, daß sie ihrer Keuschheit und ihrem Ehegelübde Valet sagte und sich einen neuen Liebhaber anschaffte.

So vermag die Schönheit das Feuer in einer Frau anzufachen; sie überträgt es dann auf andre, auf den Gatten oder den Geliebten, um es in Gebrauch zu setzen, wie denn ja eine Liebe die andre erweckt. Und sieht sie sich von jemandem umworben, so wird sie nicht lange zögern und sich hingeben. So sagte Laïs: Bei jeder Frau, die den Mund öffnet, um ihrem Freund ein süßes Wort zu sagen, öffnet sich auch das Herz.

Mehr noch, keine schöne Frau weist die Huldigung ab, die man ihr darbietet; und wenn sie erst einmal erlaubt, daß man ihre Schönheit, Liebenswürdigkeit und Anmut lobt, wie wir Höflinge es beim ersten Liebesangriff zu tun pflegen, dann tragen wir durch Ausdauer stets den Sieg davon.

Hat nun eine schöne Frau das Spiel der Liebe erst einmal versucht, so verlernt sie es nicht wieder, und die Fortsetzung ist ihr angenehm und süß; so wie man sich an eine gute Speise gewöhnt hat und nicht davon lassen will; ja, sie bekommt einem, sagen die Ärzte, je älter man wird, desto besser. So wird auch die Frau immer lüsterner nach der gewohnten guten Speise, je höher sie in die Jahre kommt.

Man sagt, daß mit dem Alter die Kräfte abnehmen, nur die der Liebe nicht, denn der Dienst der Venus in einem schönen, gemütlichen Bett ist sanft und ohne Anstrengung, das heißt: für die Frau; für den Mann ist es eine große Arbeit Er muß sich dieser Lust bald enthalten, so leid es ihm auch tut; die Frau aber, gleichviel welchen Alters, ist wie ein Ofen, der stets geheizt werden kann. Und sollte es ihr in späteren Jahren an Bewerbern fehlen, dann besitzt sie oft die Geldmittel, um ihren Bedarf zu decken. Jede[229] Ware, die etwas kostet, tut dem Käufer zwar leid, (worin Heliogabel freilich andrer Meinung war, der ein Gericht um so schmackhafter fand, je teurer es war), aber die Ware der Venus gefällt einem desto mehr, je mehr sie kostet, weil das Vergnügen ihrer Benutzung ein großes ist, und man kann mit dem Pfunde, das man in der Hand hat, dreifach, ja zehnfach wuchern.

Eine spanische Courtisane rief zwei tapfern Kavalieren, die ihr Haus verließen, um sich ihretwegen zu duellieren, aus dem Fenster zu: »Señores, mis amores se ganan con oro y plata, non con hierro.« »Meine Liebe gewinnt man mit Gold und Silber, aber nicht mit Eisen.«

So ist also jede gut bezahlte Liebe eine gute Sache. Viele Damen und Kavaliere, die solche Händel getrieben haben, wissen davon zu reden. Beispiele von Damen anzuführen, die in ihrem Alter ebenso wie in der Jugend in Liebe erglühten, wäre eigentlich überflüssig, da ich bereits an andrer Stelle öfter davon gesprochen; dennoch muß ich hier einige erwähnen, da der Gegenstand es verlangt.

Ich hörte von einer großen Dame, die eines Tages einen jungen Edelmann sah, der sehr weiße Hände besaß, und ihn fragte, woher das käme. Er antwortete, lachend und im Scherz, das käme daher, weil er sie so oft mit Sperma wüsche. »Da bin ich schlimmer daran,« versetzte die Dame, »denn ich wasche nun bereits seit sechzig Jahren meine Vulva damit,« (sie sagte das Wort geradeheraus), »und sie ist noch genau so schwarz wie früher. Und dabei wasche ich sie doch alle Tage damit«.

Ich hörte von einer ziemlich betagten Frau, die sich wieder verheiraten wollte und eines Tages einen Arzt befragte, indem sie ihre Absicht damit begründete, daß seit ihrer Witwenschaft ihre Natur übermäßig feucht sei, was zu Lebzeiten ihres Gatten, infolge fleißiger Übungen, nicht der Fall gewesen war. Der Arzt ein lustiger Schelm, riet ihr, um ihr einen Gefallen zu tun, zu einer neuen Heirat, die das Übel schon beseitigen würde; denn die Trockenheit[230] wäre in der Tat besser als die Feuchtigkeit Die Dame, so betagt sie auch war, befolgte den Rat sehr gründlich, das heißt, sie nahm einen Gatten und dazu einen neuen Liebhaber, der sie sowohl ihres Geldes wie des Vergnügens wegen sehr liebte. Es gibt eben viele ältere Frauen, mit denen die Liebe ebenso viel, ja noch mehr Vergnügen macht als mit jungen, weil jene in der Liebenskunst erfahrener sind.

Die Courtisanen Roms und Italiens überhaupt haben für ihre alten Tage den Grundsatz: »Una gallina vecchia fa miglior brodo che un' altra«

Horaz erwähnt eine Alte, die bei der Beiwohnung so stürmische Bewegungen machte, daß nicht nur das Bett, nein, das ganze Haus zitterte. Die Alte war gut! Die Lateiner nennen ein derartiges Bewegen; sabare a sue, d.h. nach Art eines Mutterschweins.

Vom Kaiser Caligula lesen wir, daß er von all seinen Frauen besonders Cezonnia liebte, nicht wegen ihrer Schönheit, die sie besaß, noch wegen ihres blühenden Alters, das schon vorüber war, sondern wegen ihrer großen Unzüchtigkeit und ihrer vortrefflichen Künste, worin sie alle jungen übertraf. Sie mußte ihm als Mann gekleidet und bewaffnet mit zum Heere folgen und neben ihm zu Pferde sitzen. Ja, er zeigte sie öfter seinen Freunden ganz nackend und ließ sie ihre gewandten Künste vorführen.

Das Alter mußte also in keiner Weise ihre Begehrlichkeit vermindert haben, weil sie ihm solche Liebe einflößte. Aber trotz seiner Leidenschaft für sie konnte er sich doch oft, wenn er ihren schönen Busen berührte, nicht enthalten, in seiner blutdürstigen Weise zu sagen: »Das ist eine schöne Brust, aber es steht in meiner Macht, sie abzuschneiden.« Die arme Frau wurde später gleichzeitig mit ihm von einem Soldaten mit dem Schwert durchbohrt, und ihr Töchterchen, das doch schuldlos war an der Schlechtigkeit seines Vaters, wurde an einer Wand zerschmettert.[231]

Von Julia, der Stiefmutter des Kaisers Caracalla, liest man, daß sie eines Tages fast unabsichtlich bis zur Hälfte des Körpers nackt war; als Caracalla sie sah, sagte er weiter nichts als: »Ah! ich möchte wohl, wenn ich dürfte!« Sie entgegnete sofort: »Bitte! Du bist ja Kaiser und gibst die Gesetze, statt dir Vorschriften machen zu lassen!« Auf dieses bereitwillige Wort hin heiratete er sie.

Fast dieselbe Antwort empfing einer unsrer drei letzten Könige, den ich nicht nennen will. Er war in eine sehr schöne und ehrenwerte Dame verliebt, und nachdem er ihr die ersten Liebesworte gesagt, gab er ihr eines Tages seinen Wunsch in längerer Rede zu verstehen, die ein sehr gewandter Edelmann, den ich kenne, ihr überbrachte und sein Möglichstes tat, sie zu überreden. Sie, die durchaus nicht dumm war, verteidigte sich so gut sie konnte mit vielen Gründen, ohne besonders den großen, oder besser gesagt, den kleinen Ehrenpunkt zu vergessen. Kurz, endlich fragte der Edelmann, was er denn nun dem König antworten solle. Nach einigem Nachdenken rief sie plötzlich wie verzweifelt: »Was Sie ihm sagen sollen? Nun, nichts anderes, als daß man seinem König und Gebieter nichts abschlagen darf; denn er besitzt die Macht, zu befehlen und braucht nicht erst zu bitten.« Der Edelmann begnügte sich mit dieser Antwort und überbrachte sie dem König, der die Gelegenheit beim Schöpfe faßte und die Dame in ihrem Zimmer aufsuchte. Sie wurde dann ohne großen Kampf besiegt. Die Antwort war gut, und obwohl man sagt, daß es nicht wohlgetan sei, sich mit einem König einzulassen, so hat eine Frau doch keinen Schaden davon, wenn sie sich in solchem Falle nur klug benimmt.

Um noch einmal auf jene Julia zurückzukommen, so war sie doch eigentlich eine Dirne, weil sie denjenigen zum Gatten nahm, der einige Zeit vorher ihren eigenen Sohn an ihrer Brust getötet hatte. Ja, sie war von sehr niedriger Gesinnung. Immerhin ist es aber verführerisch, eine Kaiserin zu sein, und um solcher Ehre willen kann man sich leicht[232] vergessen. Diese Julia wurde übrigens von ihrem Gemahl sehr geliebt, trotzdem sie schon hoch bei Jahren war; ihre Schönheit hatte sie aber noch nicht eingebüßt.

Filippo-Maria, der dritte Herzog von Mailand, vermählte sich in zweiter Ehe mit Beatricina, der bereits sehr betagten Witwe des Facin Cane. Sie brachte ihm aber vierhunderttausend Taler mit in die Ehe, außer allen andern Kostbarkeiten, deren hoher Wert für ihr Alter entschädigte. Sie wurde jedoch später von ihrem Gatten verdächtigt, noch anderswo Liebe zu suchen, und mußte deshalb den Tod erleiden. Man sieht aber, daß sie im Alter nicht den Geschmack an der Liebe verloren hatte, dank der langen Übung, die sie darin besaß.

Konstanze, Königin von Sizilien, die seit ihrer Jugend im Kloster ihr Leben in Keuschheit hingebracht hatte, trat im Alter von fünfzig Jahren in die Welt ein, und wollte, trotzdem sie nicht schön und sehr gealtert war, die Freuden der Liebe genießen und heiraten. Im Alter von zweiundfünfzig Jahren ward sie gesegneten Leibes und wollte öffentlich auf den Gefilden Palermos das Kind gebären. Sie ließ ausdrücklich zu diesem Zweck ein Zelt und einen Pavillon erbauen, damit die Welt nicht an der Echtheit ihrer Leibesfrucht zweifeln solle. Das war eins der größten Wunder, die man seit den Zeiten der heiligen Elisabeth gesehen. Die »Geschichte Neapels« sagt jedoch, das Kind sei untergeschoben worden; immerhin wurde es eine große Persönlichkeit. Aber die Mehrzahl der tapfern Ritter sind ja Bastarde, wie mir eines Tages ein Großer sagte.

Ich kannte eine Äbtissin zu Tarrascon, die Schwester der Madame von Usez, aus dem Hause Tallard, die im Alter von mehr als fünfzig Jahren das Kloster verließ und sich mit dem Herrn Chanay vermählte, der als ein großer Spieler am Hofe bekannt war.

Viele andre fromme Schwestern haben noch in sehr reifem Lebensalter, sei es in der Ehe oder anderswie, die Freuden des Fleisches gekostet. Wenn das nun solche[233] Frauen tun, was sollen dann unsre Damen anfangen, die doch schon seit ihrem zarten Alter daran gewöhnt sind? Soll das Alter sie hindern, von der guten Speise zu kosten, die sie seit so langer Zeit genossen haben? Und was soll aus all den stärkenden und erhitzenden Säften und Drogen werden? Es ist nicht zu bezweifeln, daß solche Mischungen nicht nur den schwachen Magen der älteren Damen stärken, sondern ihnen auch Sinnenglut erzeugen. Diese müssen sie dann durch den Beischlaf auslassen, der nach dem Urteil der Ärzte das beste Mittel dagegen ist Einen besonderen Vorteil haben die Frauen von fünfzig Jahren noch dadurch, daß sie keine Schwangerschaft zu befürchten brauchen und infolgedessen sich in voller Freiheit dem Vergnügen hingeben können, so daß viele von fünfzig Jahren aufwärts sich besser in der Liebe vergnügen als andre von fünfzig Jahren abwärts. Ja, ich habe von manchen erfahren, daß sie ihr fünfzigstes Jahr herbeiwünschten, um ohne Besorgnis der Schwängerung oder sonstigen Skandals der Liebe pflegen zu können. – Man sagt von den verliebten alten Damen, daß sie sich noch nach dem Tode bewegen. Ich will davon eine Geschichte erzählen.

Ich hatte einen älteren Bruder, genannt der Kapitän Bourdeille, der einer der tapfersten Krieger seiner Zeit war. Ich muß das von ihm sagen, obwohl er mein Bruder war, denn seine kriegerischen Leistungen beweisen es. Er gehörte zu den Edelleuten Frankreichs, die die Waffen vortrefflich zu führen verstanden; man nannte ihn in Piemont einen der dortigen Rodomonts. Er wurde bei dem Sturm auf Hedin, bei der letzten Wiedereroberung getötet.

Von seinen Eltern wurde er für die Gelehrtenlaufbahn bestimmt und deshalb im Alter von achtzehn Jahren Studien halber nach Italien geschickt Dort nahm er zu Ferrara seinen Aufenthalt, weil die Herzogin von Ferrara, Madame Renée von Frankreich, meiner Mutter sehr gewogen war.[234] Auf der dortigen Universität sollte er seine Studien betreiben. Leider aber widmete er sich ihnen nur wenig, desto mehr aber den Frauen. Bald verliebte er sich denn auch im Hause der Herzogin von Ferrara in eine französische Witwe mit Namen Mademoiselle de la Roche, bei der er Gegenliebe fand. Als mein Vater erfuhr, wie schlecht er den Wissenschaften oblag, rief er ihn zurück.

Sie aber, die ihn liebte und die befürchtete, daß ihm Unheil widerfahren könne, da sie sehr der damals aufgekommenen Lehre Luthers anhing, bat meinen Bruder, sie mit nach Frankreich zu nehmen, an den Hof der Königin Margarethe von Navarra, bei der sie gewesen war und die sie, als sie sich vermählte und nach Italien ging, der Madame Renée übergeben hatte. Mein Bruder, jung und unbedacht, war mit dieser hübschen Begleitung sehr zufrieden und brachte sie nach Paris, wo die Königin sich damals aufhielt. Diese freute sich sehr, sie wiederzusehen, denn das Fräulein war eine geistvolle, redegewandte Dame und eine schöne, in jeder Weise vollendete Frau.

Nachdem mein Bruder sich einige Tage bei meiner Mutter und Großmutter aufgehalten, die damals am Hofe waren, besuchte er seinen Vater. Nach einiger Zeit aber, seine geringe Neigung für die Wissenschaften einsehend, verließ er seine Verwandten kurz entschlossen und widmete sich den Kriegen von Piemont und Parma, wo er sich viele Ehren erwarb. Er nahm fünf oder sechs Monate lang an dem Feldzug teil, ohne nach Hause zurückzukehren. Nach Ablauf dieser Zeit aber besuchte er seine Mutter, die sich immer noch am Hofe der Königin von Navarra, damals zu Pau, aufhielt. Dort machte er ihr nach beendigter Vesper seine Aufwartung. Sie, die liebenwürdigste Fürstin der Welt, empfing ihn auf das freundlichste, und, ihn bei der Hand nehmend, ging sie mit ihm etwa eine oder zwei Stunden lang in der Kirche hin und her, wobei sie ihn[235] nach den Kriegsneuigkeiten aus Piemont und Italien fragte und sonstiges mit ihm plauderte. Mein Bruder gab ihr so gute Antworten (denn er wußte gut zu reden), daß sie sowohl mit seinem Geist, wie mit seiner äußern Erscheinung sehr zufrieden war, denn er war ein sehr schöner Mann im Alter von 24 Jahren. Endlich, in der schönsten Unterhaltung mit dieser ehrenvollen Fürstin und immer umhergehend, wurde er plötzlich von ihr genau über dem Grabmal der Mademoiselle de la Roche angehalten, die vor drei Monaten gestorben war. Sie nahm ihn bei der Hand und sagte: »Lieber Vetter« (so nannte sie ihn, weil eine Tochter d'Albrets in unsre Familie de Bourdeille geheiratet hatte; aber deswegen will ich mich nicht weiter besonders rühmen), »merken Sie nicht, daß sich unter Ihren Füßen etwas bewegt?« – »Nein, Madame,« entgegnete er. – »Aber so geben Sie doch Acht, lieber Vetter,« sagte sie. Mein Bruder antwortete: »Madame, ich habe aufgepaßt, aber ich merke nicht, daß sich etwas bewegt Ich stehe ja auf einem ganz festen Grabstein.« – »Nun, dann will ich es Ihnen sagen,« versetzte die Königin, um ihn nicht länger hinzuhalten, »Sie stehen auf dem Grabstein des armen Fräuleins de la Roche, die darunter beigesetzt ist und die Sie so sehr geliebt haben. Da die Seelen nach dem Tode leben und Empfindung besitzen, so ist kein Zweifel, daß dieses liebe Geschöpf, das erst vor kurzem gestorben, sich bewegt hat, als Sie den Grabstein betraten. Wenn Sie es auch wegen der Dicke des Steins nicht gefühlt haben, so kann doch kein Zweifel bestehen, daß sie sich gerührt hat. Und da es eine fromme Pflicht ist, der Abgeschiedenen zu gedenken, zumal derer, die man geliebt hat, so bitte ich, ihr ein Paternoster und ein Avemaria und ein De Profundis zu widmen und ihr Weihwasser zu sprengen. Damit werden Sie sich den Namen eines treuen Liebhabers und guten Christen verdienen. Ich lasse Sie deshalb hier zurück.« Und damit ging sie hinweg. Mein seliger Bruder verfehlte nicht zu tun, was sie ihm gesagt. Dann suchte er die Königin wieder[236] auf, die ihn nun noch ein wenig verspottete: denn es war ihre Gewohnheit, liebenswürdig zu scherzen.

Das war also die Meinung dieser guten Fürstin; ich glaube jedoch, daß es nur ein launiger Einfall von ihr und nicht ihre Überzeugung war.

Hierbei erinnere ich mich der Grabschrift einer Courtisane, die in der Kirche Madonna del Populo begraben liegt: »Quaeso, viator, ne me diutius calcatam amplius calces«. (»Ich bitte dich, Wanderer, mich, die so oft Getretene, nicht mehr zu treten.«) Der lateinische Ausdruck ist anmutiger (als die Übersetzung). Ich setze es nur des Scherzes halber hierher.

Übrigens braucht man sich nicht zu wundern über jene Meinung der spanischen Fürstin von den Damen, die geliebt worden sind und liebten und die sich gerne loben hören, obgleich die Zeit ihrer Blüte vorüber ist. Man kann ihnen eben kein größeres Vergnügen bereiten, als ihnen zu sagen, daß sie immer noch hübsch und besonders nicht gealtert sind vom Gürtel abwärts.

Ich hörte von einer schönen Dame, die eines Tags zu ihrem Anbeter sagte: »Ich weiß nicht, ob mir das Alter noch manches Unangenehme bringen wird (sie war bereits fünfundfünfzig Jahre alt), aber Gott sei Dank! die Liebe hat mir niemals mehr Vergnügen bereitet als jetzt. Wenn das so bis in mein höchstes Alter fortgeht, dann wünsche ich weiter nichts und bedaure nicht die vergangene Jugend.«

Was nun die Liebe und Sinnlichkeit anbetrifft, so habe ich hier und anderswo genügend Beispiele dafür beigebracht. Sprechen wir jetzt von dem andern Punkte betreffs der Schönheit jener Frauen, die vom Gürtel abwärts nicht altern.

Über diesen Gegenstand hat jene spanische Dame mehrere hübsche Vergleiche angestellt, indem sie sagt, solche Frauen glichen den schönen Ruinen prachtvoller Gebäude, wie man sie in Rom sieht als Zeugen der antiken Herrlichkeit: die Kolosseen und Thermen, die noch immer[237] zeigen, was sie einst waren, und die Welt noch immer mit Bewunderung oder Schrecken erfüllen. Auf diesen Ruinen hat man wieder sehr schöne neue Gebäude errichtet, was beweist, daß deren Grundsteine besser und fester sind als die der neueren Bauten. So bauen unsre Architekten auch lieber auf der Grundlage alter Ruinen als auf der von neueren Gebäuden.

Ich sah auch öfter schöne Schiffe und Galeeren, neu aufgetakelt auf dem Rumpf alter Wracks, die lange unbenutzt im Hafen gelegen hatten und deren Holz noch gerade so tauglich war, wie das für die neuen Schiffe frisch aus dem Wald geholte.

Ferner, sagte jene spanische Dame: Sieht man nicht oft die Spitzen hoher Türme von Sturm und Gewitter beschädigt, während der untere Teil unversehrt bleibt? Auch die Wellen höhlen am Ufer die oberen Steine eher aus als die in der Tiefe liegenden.

Ebenso verlieren viele schöne Damen den Glanz der Schönheit ihres Antlitzes eher durch die Einflüsse von Kälte und Hitze, von Sonne oder Mond, und, was noch schlimmer ist, durch die Salben und Schminken, die sie auftragen, indem sie glauben, sich zu verschönern, während sie doch damit alles verderben. Bei den unteren Partien aber wenden sie keine andre Salbe an als das natürliche Sperma, und weder Kälte, Regen noch Wind, weder Sonne und Mond dringen dahin.

Wenn die Hitze ihnen zusetzt, so wissen sie sich dort gut zu erfrischen, und auch gegen die Kälte gibt es Ja Mittel. Soviel Unzuträglichkeiten die Schönheit oben bedrohen, so wenigen ist die untere ausgesetzt Und hat eine schöne Frau auch an den Reizen ihres Antlitzes eingebüßt, so darf man daraus nicht schließen, es verhielte sich unten ebenso.

Ich hörte von einer großen Dame erzählen, die sehr schön und der Liebe sehr ergeben gewesen war. Einer ihrer früheren Liebhaber hatte sie wegen einer Reise, die[238] er unternommen, für den Zeitraum von vier Jahren aus den Augen verloren und fand bei seiner Rückkehr ihr schönes Gesicht sehr verändert Er erkaltete deshalb und wollte die Liebschaft von einst nicht erneuern. Dies bemerkend sann sie auf ein Mittel, daß er sie einst im Bett liegend sehen mußte. Sie stellte sich krank, und als er sie deshalb eines Tages besuchte, sagte sie zu ihm: »Mein Herr, ich weiß wohl, daß Sie mich meines gealterten Gesichtes wegen verschmähen; aber sehen sie hier –« (und damit enthüllte sie die untere Hälfte ihres nackten Körpers) – »Finden Sie hier etwas verändert? Wenn mein Gesicht Sie enttäuscht hat, – dies wird Sie nicht enttäuschen.« Der Edelmann betrachtete sie und fand sie dort so schön wie jemals. Er bekam sofort Appetit und genoß von dem Fleisch, das er für verdorben gehalten hatte. »Sehen Sie wohl, mein Herr,« sagte die Dame, »wie Sie sich geirrt haben! Ein andermal vertrauen Sie nicht bloß auf unser Gesicht, denn unser übriger Körper gleicht ihm nicht immer. Das hab' ich Ihnen bewiesen.«

Eine Dame wie diese, deren hübsches Gesicht sich auch verändert hatte, war so ärgerlich darüber, daß sie es nicht mehr im Spiegel sehen wollte. Sie ließ sich von ihren Frauen frisieren und bespiegelte sich zur Entschädigung dafür unten, was ihr gerade soviel Freude machte, wie ihr früheres hübsches Gesicht.

Von einer andern Dame hörte ich, daß sie, wenn sie mit ihrem Freunde am Tage schlief, ihr Gesicht mit einem schönen weißen Taschentuch aus holländischer Leinwand bedeckte, damit er durch den Anblick nicht erkalte; der untere Teil hatte dagegen seine Schönheit bewahrt.

Übrigens gibt es Männer genug, die lieber mit einer altern Dame zu tun haben wollen als mit einer jungen; so wie manche lieber ältere Pferde besteigen, weil sie besser dressiert sind.

Im Marstall unsrer Könige sah ich ein Pferd mit Namen der »Quadragant«, das zur Zeit des Königs Heinrich[239] dressiert war. Es war über 22 Jahre alt, aber trotz seines Alters versah es sehr gut seine Dienste und hatte nichts vergessen, so daß selbst der König noch seine Freude daran hatte. Ein ebensolches tüchtiges Pferd sah ich, das den Namen Gonzaga führte; es war aus der Stuterei zu Mantua und ein Zeitgenosse des Quadragant.

Ich habe auch den Rappen gesehen, der es beschälte. Der Herr Antonio, der die Stuterei des Königs verwaltete, zeigte ihn mir zu Mun, als ich einst durch jene Stadt kam. Er konnte im Zweischritt gehen und im Sprung, sowie die Volte treten. Herr von Carnavallet, dem er gehörte, hatte ihn zugeritten und Herr von Longueville wollte ihm dreitausend Livres Rente dafür geben; aber der König Karl ließ es nicht zu und behielt ihn für sich, wofür er den Herrn jedoch entschädigte. Ich könnte noch zahllose andre nennen, aber ich unterlasse es und verweise auf die Stallmeister, die sehr viele solche Pferde gesehen haben.

Der selige König Heinrich hatte im Feldlager zu Amiens für den Tag der Schlacht ein sehr schönes und starkes, bereits betagtes Streitroß gewählt, das den Namen »le Bay de la paix« trug. Es starb, nach der Aussage erfahrene! Stallmeister, auf dem Schlachtfeld von Amiens am Fieber.

Der verstorbene Herr von Guise ließ aus seiner Stuterei von Esclairon den Fuchs »Sanson« holen, der als Zuchthengst diente, um ihn in der Schlacht bei Dreux zu reiten, wo er sich sehr gut bewährte.

In den ersten Kriegen verwendete der verstorbene Fürst in Mun zweiundzwanzig Pferde, die dort als Zuchthengste standen, auf dem Schlachtfeld. Er verteilte sie an die Herren seines Gefolges und behielt seinen Teil für sich Von diesen hatte der tapfere Avaret einen Renner, den der[240] Herr Connetable dem König Heinrich gegeben hatte; er führte den Namen »Compère« (Gevatter). So alt er auch war, hatte man nie einen besseren gesehen, und er diente seinem Herrn tapfer in mancher guten Schlacht. Der Kapitän Bourdet hatte den »Türken«, auf dem der König Heinrich verwundet und getötet wurde; der Herr von Savoyen hatte ihm das Pferd gegeben. Es trug den Namen »le Malheureux« (der Unglückliche). Diesen Namen empfing es, als der König es erhielt, was eine schlimme Vorbedeutung für den König wurde. Es war in seiner Jugend kein so gutes Pferd gewesen, wie in seinem Alter, und wurde auch von seinem Herrn, der einer der tapfersten Edelleute Frankreichs war, hoch geschätzt, Kurz, bei all diesen Rossen war das Alter kein Hindernis für ihre vortrefflichen Dienste. Es heißt ja auch, daß ein gutes Pferd niemals rossig wird.

Ebenso verhält es sich mit manchen Damen, deren Alter im Punkte der Liebe schätzbarer ist als deren Jugend, weil sie eben erfahrener sind. Das Beste ist auch noch ihre Freigebigkeit gegen ihre Ritter, die sich für ihre Dienste bei einer Alten besser bezahlen lassen als bei einer Jungen; im Gegensatz zu den Stallmeistern, die lieber ein junges Pferd zureiten.

Ich habe über die betagten Damen die Frage aufstellen hören: welcher Ruhm ist größer, eine ältere Dame oder eine junge zu genießen? Manche entscheiden sich für die älteren, indem sie sagen, daß es viel leichter sei, die Jugend wegen ihrer Torheit und ihrer Sinnenglut zu verführen, wogegen die Besonnenheit und Kälte, die dem Alter eigentümlich sind, viel schwerer zu besiegen seien. Und wem das gelänge, dessen Triumph sei größer.

Auch jene berüchtigte Courtisane Laïs rühmte sich sehr, daß die Philosophen so oft zu ihr kamen, um in ihrer Schule zu lernen, viel mehr als all die jungen Leute und Gecken. Ebenfalls rühmte sich Flora, daß zu ihr viel mehr die großen römischen Senatoren kämen als die jungen[241] albernen Ritter. Mir scheint es auch, daß es ein größerer Triumph ist, die Weisheit des Alters zur Liebe zu verführen.

Ich berufe mich auf die hierin Erfahrenen, von denen einige behaupten, ein zugerittenes Roß sei besser als eins, das erst kaum zu traben versteht. Und dann, kann es einen größeren Genuß geben, als zu sehen, wie in einen Ballsaal, in eine Kirche oder in eine sonstige große Versammlung eine vornehme Dame de alta guisa tritt, wie der Italiener sagt, ja eine Ehrendame der Königin oder einer Fürstin, oder die Hofmeisterin einer Königs- oder Fürstentochter, der man die hohe Aufgabe erteilt, das Mädchen zur Tugend anzuhalten. Und dann zu sehen, wie sie die Miene der Keuschen und Tugendhaften aufsetzt, wofür sie auch wegen ihres Alters von aller Welt gehalten wird, und bei sich zu denken oder einem ganz vertrauten Freunde zu sagen: »Sehen Sie, wie sie ehrwürdig, kalt und verächtlich tut, als könnte sie kein Wässerchen trüben? Aber, o weh! wenn ich sie im Bett habe, dann kann sich keine Wetterfahne lustiger drehen und winden, wie ihre Hüften.«

Was mich betrifft, so glaube ich, daß das jedem Vergnügen macht, der es erfahren hat. Wie viele Frauen gibt es in der Welt, die sich gesetzt, keusch und sittenstreng stellen, und dabei ausgelassener und zudem noch viel listenreicher sind als die Jungen. Man sagt auch, daß niemand ein besserer Jäger ist als eine alte Füchsin, die Futter für ihre Jungen sucht.

Wir lesen, daß einst manche römischen Kaiser eine besondere Wollust darin fanden, vornehme Damen von Ehre und Ruf zu verführen, sowohl wegen der Genugtuung, die gewiß größer ist als bei niedrig stehenden Frauen, wie auch wegen des Triumphs, solche reifen Frauen zu unterjochen. Zu meiner Zeit sah ich ebenfalls viele große Herren, Fürsten und Edelleute, die denselben Geschmack hatten.

Julius Cäsar und sein Nachfolger Octavius waren sehr eifrig auf solche Eroberungen aus, wie ich bereits früher sagte. Nach ihnen kam Caligula, der zu seinen Festmählern[242] die berühmtesten römischen Frauen mit ihren Gatten einlud, sie aufmerksam beobachtete, sogar mit der Hand ihr Kinn hochhob, wenn einige den Kopf vor Beschämung gesenkt hielten, weil sie sich als angesehene, ehrenvolle Damen fühlten, oder sich wenigstens so stellten. Denn wirklich anständige Frauen wird es in den Zeiten jener verkommenen Kaiser wohl kaum gegeben haben. Diejenigen, die diesem Kaiser gefielen, nahm er öffentlich von der Seite ihrer Gatten weg und führte sie, den Saal verlassend, in ein Gemach, wo er sich mit ihnen ganz nach Laune vergnügte. Dann schickte er sie an ihren Platz zurück und lobte vor der ganzen Gesellschaft ihre verborgenen Reize, die er einzeln aufzählte. Wenn eine nur irgend welche Mängel oder Gebrechen hatte, so verhehlte er das auch nicht, sondern erklärte es ganz offen.

Nero trieb es sogar so weit, den Leichnam seiner Mutter zu betrachten, alle Glieder zu befühlen und über die einen sein Lob, über die andern seinen Tadel auszusprechen.

Ich habe dasselbe von einigen großen Herren der Christenheit gehört, die ebenfalls neugierig waren, den Leib ihrer verstorbenen Mutter zu sehen.

Aber Caligula tat noch mehr: er erzählte, was für Bewegungen und Mienen die Frauen gemacht, besonders von denen, die schüchtern und verschämt gewesen waren oder bei der Tafel sich so anstellten. Denn wenn sie nicht alles getan haben würden, was er wollte, dann hätte dieser Wüterich sie mit dem Tode bedroht. So schilderte er die armen Frauen zum allgemeinen Gelächter als unzüchtige Dirnen; was ja bei denen, die es waren und nicht dafür gelten wollten, ganz angebracht sein mochte. Dabei waren es, wie gesagt, alles Frauen von Konsulen, Diktatoren, Pretorianern, Quästoren, Senatoren, Censoren, Rittern und andern vornehmen Männern, deren Rang heute den Königinnen entspricht, sowie den Fürstinnen, Großherzoginnen und Herzoginnen, den Marquisen, Gräfinnen und Baroninnen usw. denn die Konsulen geboten damals der Welt.[243] Mit diesen könnten die Kaiser und Könige zweifellos ebenso verfahren, wie der Kaiser Caligula, aber sie tun es nicht, denn sie sind Christen, die die Furcht Gottes vor Augen haben, ihr Gewissen, ihre Ehre achten und die Schmähung der Menschen scheuen; denn die Tyrannei wäre unerträglich für edle Herzen. Deshalb sind die christlichen Könige sehr zu achten und zu loben, daß sie die Liebe ihrer schönen Damen mehr durch Sanftmut und Freundlichkeit gewinnen als durch Gewalt und Strenge; und ihre Eroberung ist dann auch viel schöner.

Ich hörte von zwei großen Fürsten erzählen, denen es das größte Vergnügen bereitete, die verborgenen Reize ihrer Damen aufzudecken, ebenso aber auch ihre Mängel und Fehler, sowie ihr Benehmen beim Beischlaf, freilich nicht öffentlich wie Caligula, sondern im geheimen, und nur vertrauten Freunden gegenüber.

Man liest, daß Artaxerxes unter allen Frauen, die er besaß, am meisten Astasia liebte, die schon hochbetagt und trotzdem sehr schön war; sie war von seinem verstorbenen Bruder Darius verführt worden. Sein Sohn verliebte sich so in sie, daß er seinen Vater bat, sie mit ihm zu teilen, ebenso wie er an dem Königreich teil hatte. Der Vater aber machte sie, aus Eifersucht, zur Sonnenpriesterin, da in Persien die Frauen, die sich diesem Stande widmen, in völliger Keuschheit leben müssen.

Wir lesen in der »Geschichte Neapels«, daß Ladislaus, König von Neapel, in Tarent die Herzogin Maria, Gattin des verstorbenen Rammondelo von Balzo, belagerte und sie nach mehreren Gefechten, durch Vergleich mit ihren Kindern, zur Frau nahm. Dann führte er sie nach Neapel, wo sie den Titel Königin Maria erhielt. Sie war hochbetagt, aber schön und wurde von ihm sehr geliebt.

Ich sah die Frau Herzogin von Valentinois im Alter von siebzig Jahren ebenso schön von Angesicht und ebenso frisch und liebenswürdig, wie sie mit dreißig Jahren gewesen. Sie wurde auch von einem der tapfersten Könige[244] sehr verehrt. Ich kann das offen sagen, ohne der Schönheit dieser Dame zu nahe zu treten; denn von einem Könige geliebt zu werden, ist wohl ein Beweis ihrer Vollkommenheit. Auch soll die vom Himmel verliehene Schönheit nicht nur für die Halbgötter aufgespart werden.

Ich sah diese Dame sechs Monate vor ihrem Tode noch so schön, daß sie ein Herz von Stein bewegen konnte, sie hatte einmal auf dem Straßenpflaster zu Orleans ein Bein gebrochen, trotzdem sie so sicher und gewandt zu reiten wußte, als hätte sie stets zu Pferde gesessen. Aber das Pferd glitt aus und fiel mit ihr. Nun hätte man glauben sollen, daß ihr schönes Gesicht durch die Schmerzen dieses Unfalls verändert worden wäre; aber nichts weniger als das: ihre Schönheit, Majestät und Anmut war dieselbe geblieben. Ihr Antlitz war von zartem Weiß, aber nicht durch Schminke, sondern man sagt, sie gebrauche jeden Morgen eine Bouillon von trinkbarem Gold und anderen Drogen, die ich nicht so gut kenne wie die Ärzte und Apotheker. Ich glaube, wenn diese Frau noch hundert Jahr gelebt hätte, so würde sie doch nicht gealtert sein, Es ist schade, daß die Erde diesen schönen Körper deckt.

Ich sah auch die Frau Marquise de Rothelin, die Mutter der verwitweten Frau Prinzessin von Condé und des seligen Herrn de Longueville, an der eben falls die Jahre spurlos vorübergegangen, nur daß am Ende ihre Gesichtsfarbe ein wenig rot wurde. Aber ihre unvergleichlich schönen Augen, die ihre Tochter geerbt hatte, veränderten sich niemals und waren stets bereit, die Herzen zu entzünden.

Ich sah Madame de la Bourdesière, die zweite Gattin des Marschall von Aumont, die in ihren alten Tagen so schön war, daß man sie gradezu für jung hielt; sie wurde sogar von ihren fünf ebenfalls schönen Töchtern nicht überstrahlt. Wenn man die Wahl gehabt hätte, so würde man die Mutter den Töchtern vorgezogen haben. Diese Dame nahm ihre Schönheit auch sehr vor dem Einfluß von Sonne und Mond in Acht. Die von vielen Damen angewandte Schminke war ihr unbekannt.[245]

Ja, was noch mehr sagen will, ich sah auch Madame de Mareuil, die Mutter der Frau Marquise de Mézières und Großmutter der Prinzessin Dauphin, im Alter von 100 Jahren, wo sie starb, noch ebenso aufrecht, frisch, gesund und hübsch wie im Alter von fünfzig Jahren. In ihrer Jugendzeit war sie eine wunderschöne Frau gewesen.

Ihre Tochter, die genannte Frau Marquise, war ebenso schön gewesen und starb auch so, aber zwanzig Jahre früher und ihre Gestalt war etwas kleiner. Sie war die Tante der Madame de Bourdeille, der Frau meines älteren Bruders, und obwohl sie ihr dreiundfünfzigstes Jahr überschritten und vierzehn Kinder geboren hatte, sagte man – und die, welche sie sahen, können das besser beurteilen als ich – daß ihre vier Töchter neben ihr wie ihre Schwestern aussahen. So sieht man oft Früchte des Winters oder Herbstes, die sich mit denen des Sommers vergleichen können und ebenso schön und schmackhaft sind, ja mehr.

Die Frau Admiral von Brion und ihre Tochter, Madame von Barbeziaux, sind auch in ihrem Alter sehr schön gewesen.

Man sagte mir kürzlich, daß die schöne Paula von Toulouse noch so schön sei wie ehemals, obgleich sie 80 Jahre alt ist, und man findet nichts an ihr verändert, weder ihre hohe Figur noch ihr hübsches Gesicht.

Ich sah die Frau Präsidentin Conte, zu Bordeaux, die im gleichen Alter ebenfalls sehr liebenswürdig und begehrenswert war. Ich könnte noch viele anführen, aber ich würde dann kein Ende finden.

Ein junger spanischer Ritter sprach zu einer älteren, aber noch hübschen Dame von Liebe, und sie erwiderte ihm: »A mis completas desta manera me habla V.M.?« »Warum sprechen Sie so zu mir nach meinen Completas?«[246]

Mit diesen »Completas« meinte sie ihr Alter und den Niedergang ihrer Tage. Der Kavalier entgegnete: »Sus completas valen mas, y son mas graciosas que las horas de prima de cualquier otra dama.« (»Ihre Completas sind mehr wert und viel schöner und liebenswürdiger als die ersten Gebete irgend einer andern Dame.«) Das war eine hübsche Anspielung.

Ein andrer sprach ebenfalls einer altern Dame von Liebe, und da sie ihn auf ihre verblühte Schönheit hinwies, womit es indessen noch nicht so schlimm stand, entgegnete er ihr: »A las visperas se conoce la fiesta,« »Bei der Vesper erst erkennt man das Fest.«

Man sieht heute noch Madame de Nemours, die im April ihres Lebens eine der größten Schönheiten gewesen, der alles auslöschenden Zeit trotzen. Ich kann behaupten – und alle, die sie sahen, werden mir beistimmen – daß sie in ihren Blütetagen die schönste Frau der Christenheit gewesen. Ich sah sie eines Tages mit der Königin von Schottland tanzen, sie beide allein ohne die andern Damen der Gesellschaft – es war eine Laune – und alle, die sie tanzen sahen, wußten nicht, wem von beiden die Palme der Schönheit gebühre. Man hätte, wie jemand bemerkte, sagen können, es seien die zwei Sonnen, die – nach der Erzählung des Plinius – eines Tages am Himmel erschienen und die Welt in Erstaunen setzten. Madame von Nemours, damals Madame von Guise, besaß die schönere Figur, und – wenn ich es sagen darf, ohne die Königin von Schottland zu kränken – sie hatte noch mehr Majestätisches in ihrem Wesen, obwohl sie keine Königin war wie jene. Aber sie war die Enkelin jenes großen Königs und Vaters des Volkes, dem sie auch in manchen Gesichtszügen glich. Ich sah sein Bildnis in dem Kabinett der Königin von Navarra, das ihn als wirklich königliche Erscheinung zeigte.

Ich glaube, ich bin der Erste gewesen, der sie die Enkelin des Königs und Vaters des Volks genannt hat. Es war zu Lyon, als der König aus Polen zurückkehrte. Ich[247] nannte sie oft so, und sie erwies mir die Ehre, diesen Beinamen gut zu finden und ihn gern von mir zu hören. Sie war sicher die wahre Enkelin dieses großen Königs, besonders in Bezug auf Herzensgüte und Schönheit. Denn sie war von gutem Gemüt und hat niemals irgend jemandem Böses oder Mißfallen bereitet. Diese beiden großen Vorzüge: Güte und Schönheit, bewahrte sich diese Dame bis heute, und um derenwillen fand sie zwei Gatten, die ihres Gleichen suchten. Und wenn sich noch ein ähnlicher dritter gefunden hätte, der ihrer würdig gewesen, so hätte sie ihn auch heiraten können, so schön war sie noch. Die Ferraresischen Damen galten ja auch in Italien für die köstlichsten, worauf das Sprichwort potta ferraresa e cazzo mantuano hindeutet.

Ein Großer jenes Landes huldigte einst einer schönen Fürstin Frankreichs, und man lobte auch bei Hofe seine Eigenschaften und Vorzüge, vermöge deren er die Liebe jener Dame verdiente. Den Trumpf darauf setzte aber der Herr von Au, Kapitän der schottischen Garde, indem er sagte: »Sie vergessen das Beste: cazzo mantuano.«

Ich hörte einst ein ähnliches Wort über den Herzog von Mantua mit dem Beinamen »II Gobbo«. Er wollte die Schwester des Kaisers Maximilian heiraten, und als man ihr sagte, daß er sehr bucklig sei, antwortete sie: »Non importa purchè la campana habbia qualche diffetto, ma ch'il sonaglio sia buono«. Einige sagen, sie hätte dieses Wort nicht ausgesprochen, denn sie war zu anständig; aber andre sagten es für sie.

Um noch einmal auf die ferraresische Fürstin zurückzukommen: ich sah sie bei der Hochzeit des verstorbenen Herrn de Joyeuse, wo sie in einem Mantel nach italienischer[248] Mode erschien, dessen Ärmel bis zur Hälfte des Arms nach sienesischer Art aufgestreift waren. Keine Dame konnte ihren Reiz übertreffen, und es war auch nicht einer dort, der nicht gesagt hätte: »Die Schönheit dieser Fürstin weicht wahrlich keiner andern, und man darf von diesem schönen Antlitz wohl auf noch andre, verborgene Reize schließen, die wir nicht sehen. Wenn die Front eines schönen Gebäudes so prächtig ist, dann darf man annehmen, daß sich darin viele schöne Zimmer und Kabinette und trauliche Winkel befinden.« Seitdem hat sie ihre Schönheit, und zwar in vorgerückten Jahren noch an mehreren andern Orten leuchten lassen, so besonders in Spanien auf der Hochzeit des Herrn und der Frau von Savoyen, wo die Erinnerung an ihre Schönheit und Tugenden für immer leben wird. Wenn die Flügel meiner Feder stark genug wären, sie bis in den Himmel zu tragen, so würde ich es tun; aber leider sind sie zu schwach. Ich werde übrigens noch anderswo von ihr reden. Soviel ist sicher: sie war eine sehr schöne Frau in ihrem Frühling, Sommer, Herbst und Winter, trotzdem sie viele Sorgen und viele Kinder hatte.

Die Italiener mißachten eine Frau, die viele Kinder gehabt hat, und nennen sie scrofa. Aber Frauen, die so schöne und vortreffliche Kinder hervorbringen wie diese Fürstin, verdienen gepriesen zu werden, und dieses Wort ist ihrer unwürdig, denn sie sind vielmehr Gesegnete Gottes.

Ich könnte ausrufen: Wie wunderbar, daß das Unbeständigste, was es gibt, nämlich die schöne Frau, der Zeit Widerstand leistet! Aber ich will das doch nicht sagen; denn ich achte die Beständigkeit mancher Frauen sehr hoch, und alle sind durchaus nicht flatterhaft. Ich möchte gern noch einige ausländische Damen erwähnen, die ebensogut wie unsre Französinnen, im Winter ihres Lebens noch schön waren. Für diesmal will ich aber nur noch zwei zu diesen rechnen.[249]

Die eine, die jetzt regierende Königin Elisabeth von England soll, wie man mir sagte, heute noch so schön sein wie früher. Wenn das der Fall, dann muß sie in der Tat eine sehr schöne Fürstin sein; denn ich sah sie in ihrem Sommer und Herbst. Jetzt muß sie sich allerdings sehr ihrem Winter nähern; denn ich habe sie lange nicht gesehen. Vom ersten Mal weiß ich noch ihr damaliges Alter. Ich glaube, was sie so lange in ihrer Schönheit erhalten hat, ist der Umstand, daß sie nie vermählt war und das Joch der Ehe nie getragen, das schwer ist, besonders wenn man mehrere Kinder hat. Diese Königin verdient alles Lob, nur daß der Tod jener edlen, schönen und einzigen Königin von Schottland als ein großer Schandfleck an ihrem Namen haftet.

Die andre Fürstin ist die Frau Marquise de Gouast, Donna Maria von Aragon, die ich als eine sehr schöne Frau von hohen Jahren gesehen habe. Ich will von ihr in möglichst kurzer Weise erzählen.

Als König Heinrich gestorben war, verschied einen Monat später der Papst Paul IV., Caraffa, und für die Neuwahl mußte eine Versammlung sämtlicher Kardinäle stattfinden. Unter andern begab sich aus Frankreich der Kardinal von Guise nach Rom, und zwar zur See mit den Galeeren des Königs, deren Oberbefehlshaber der Herr Großprior von Frankreich war, der Bruder des genannten Kardinals, der ihn als guter Bruder mit sechzehn Galeeren begleitete. Der Wind war so günstig, daß sie in zwei Tagen und zwei Nächten in Civita-Vecchia ankamen. Von dort reisten sie nach Rom, wo der Herr Großprior sah, daß man für die Neuwahl noch nicht bereit war (denn sie beanspruchte drei Monate Vorbereitungen). Da nun seine Galeeren nutzlos im Hafen lagen, und sein Bruder nach Frankreich zurückkehrte, ging er nach Neapel, um sich diese Stadt einmal anzusehen.

Bei seiner Ankunft wurde er von dem Vizekönig, dem damaligen Herzog von Alcala, wie ein König empfangen.[250] Bevor er in die Stadt eintrat, begrüßte er sie mit einer langen Kanonade, die von der Stadt und den Kastellen erwidert wurde, so daß der Himmel während dieser Salutschüsse zu erbeben schien. Er brachte, sich in ziemlicher Entfernung haltend, seine Galeeren in Schlachtordnung und sandte in einem Boot Herrn de l'Estrange von Languedoc, einen sehr gewandten und redefertigen Edelmann, an den Vizekönig ab. Dieser sollte ihn beruhigen und um die Erlaubnis bitten (obgleich wir im Frieden lebten, aber freilich erst eben einen Krieg geführt hatten), in den Hafen einzulaufen und die Stadt zu besichtigen. Auch wollte er die Grabmäler seiner Vorgänger besuchen, die dort beerdigt lagen, und ihnen Weihwasser sprengen und für sie beten.

Der Vizekönig ging auf alles sehr freundlich ein. Darauf avancierte der Herr Großprior und begann die Salve von neuem aus den Kanonen von sechzehn Galeeren und den andern Musketen; dann zog er stolz in die Mole ein mit Standarten, Fahnen, karmesinroten Wimpeln aus Taffet und seiner Fahne aus Damast; alle Galeerensklaven waren in karmesinroten Sammet gekleidet, und die Soldaten seiner Garde ebenfalls, ihre Mäntel mit Silber bordiert. Ihr Befehlshaber war der tapfere Kapitän Geoffroy, ein Provençale. So wurden unsre französischen Galeeren sehr schön und behende gefunden, besonders die »Reale«, die ganz vorzüglich war; denn dieser Fürst war sehr prachtliebend.

In diesem prächtigen Aufzuge im Hafen angelangt, betrat er das Land, wir andern alle mit ihm. Der Vizekönig hatte Pferde und Wagen gestellt, um uns in die Stadt zu fahren. Da fanden wir denn etwa hundert Pferde: Renner, spanische Rappen, Schimmel u.a., die einen immer schöner als die andern, mit gold- oder silbergestickten Sammetschabracken. Man konnte nach Belieben die Pferde oder die Wagen benutzen, denn von den letzteren waren einige zwanzig vorhanden, die von schön gezäumten prächtigen Rennern gezogen wurden. Zugegen waren viele große Fürsten und Herren, aus Italien und Spanien, die den Herrn[251] Großprior im Auftrage des Vizekönigs ehrenvoll empfingen. Er bestieg ein spanisches Roß, das schönste, das ich seit langem gesehen, und das der Vizekönig ihm später schenkte. Er verstand es ganz vortrefflich zu reiten, und bot zu Pferde ein so schönes Bild wie zur See. Denn er war einer der schönsten, liebenswürdigsten und gebildetsten Fürsten seiner Zeit, von hoher, stattlicher Figur, was nicht bei allen 4 großen Männern zutrifft. So wurde er von all diesen Herren und Edelleuten zum Vizekönig geleitet, der ihn erwartete und ihm alle möglichen Ehren erwies, ihm Wohnung in seinem Palaste gab und ihn und seine Truppen kostbar bewirtete. Er konnte das wohl tun, denn er gewann zwanzigtausend Taler bei dieser Reise. Wir waren etwa zweihundert Edelleute in seiner Begleitung, sowohl Hauptleute der Galeeren, wie andre. Wir fanden in der Mehrzahl bei den vornehmen Herren der Stadt ein glänzendes Unterkommen.

Wenn wir des Morgens unsre Gemächer verließen, standen schon Lakaien bereit, die nach unsern Wünschen fragten. Verlangten wir Pferde oder Wagen, sofort wurde unser Wunsch erfüllt. Sie holten die prächtigsten Rosse herbei, deren ein König sich nicht geschämt haben würde, und dann verbrachten wir unsern Tag, wie es uns beliebte. Es mangelte uns in dieser Stadt auch nicht an Vergnügungen; denn ich sah nie eine Stadt, die in jeder Art so viel Anziehendes bietet. Nur an der freien, vertraulichen Unterhaltung mit vornehmen Damen mangelte es etwas, von andern Frauen gab es genug. Dafür aber entschädigte diesmal die Marquise Del Gouast, der zu Liebe ich diese Abschweifung mache. Als sie, die liebenswürdigste und höflichste Dame, die Vorzüge des Herrn Großpriors hatte rühmen hören und ihn bei seinem Ritt durch die Stadt erkannt hatte, lud sie ihn durch einen Edelmann ein, wie es unter Großen Brauch ist. Sie ließ ihm sagen, wenn ihr Geschlecht und die Sitte des Landes es gestattet hätten, ihn zu besuchen, so wäre sie gern gekommen. Er möge sie gütigst entschuldigen,[252] und sie stelle ihm ihre Schlösser und Gemächer zur Verfügung.

Der Herr Großprior, ebenso höflich, dankte ihr, wie es sich gebührte, und ließ ihr sagen, er würde ihr gleich nach dem Diner seine Aufwartung machen. Er verfehlte denn auch nicht, zu erscheinen und uns, sein ganzes Gefolge, mitzunehmen. Wir fanden die Marquise im Saal mit ihren beiden Töchtern, Donna Antonina und Donna Hieronima oder Donna Joanna (ich erinnere mich nicht mehr genau des Namens), in Gesellschaft vieler schöner Frauen und Mädchen, so daß ich, außer an unsern Höfen von Frankreich und Spanien, nirgend wo anders einen solchen Flor schöner Damen gesehen habe.

Die Frau Marquise begrüßte uns in französischer Manier und empfing den Herrn Großprior auf das ehrenvollste. Er erwiderte ihren Gruß in noch untertänigerer Form, con mas gran sosiego, wie der Spanier sagt. Ihr Gespräch war diesmal nur konventionell. Einige von uns andern, die Italienisch und Spanisch verstanden, beschäftigten sich mit den übrigen Damen, die wir sehr liebenswürdig und unterhaltend fanden.

Beim Fortgehen sagte die Frau Marquise, die erfahren hatte, daß der Herr Großprior einen vierzehntägigen Aufenthalt nehmen würde: »Mein Herr, wenn es Ihnen an Zerstreuung fehlen sollte, werde ich es mir zur Ehre schätzen, Sie bei mir zu sehen, und Sie dürfen mein Haus wie das Ihrer Frau Mutter betrachten. Verfügen Sie über mein Haus wie über das Ihrige. Ich habe die Ehrenden Besuch schöner und achtbarer Damen des Königreichs und der Stadt zu empfangen, und da Sie bei Ihrer Jugend und Ihrem innern Wert die Unterhaltung mit anständigen Damen lieben werden, werde ich diese bitten, öfter zu mir zu kommen als gewöhnlich, damit sie Ihnen angenehme und vornehme Gesellschaft leisten. Hier sehen Sie meine beiden Töchter, denen ich empfehlen werde, – obgleich sie noch nicht ganz die gewünschte Bildung besitzen – Sie nach[253] französischer Mode zu unterhalten, durch Heiterkeit, Tanz, Spiel und freies, jedoch bescheidenes Geplauder, wie es beim Hofe von Frankreich, dem ich mich gerne widmen möchte, Sitte ist. Dagegen wird es einem jungen und schönen Fürsten, wie Sie sind, wenig gefallen, sich mit einer alten, hochbetagten und wenig liebenswürdigen Frau wie ich zu unterhalten. Denn Jugend und Alter passen nun einmal nicht zusammen.«

Der Herr Großprior widersprach ihr jedoch und sagte, das Alter habe noch keine Macht über sie gewonnen, und ihr Herbst übertreffe den Frühling aller andern Damen im Saal. Und in der Tat, sie zeigte sich als eine sehr schöne und liebenswürdige Frau, mehr noch als ihre beiden schönen und jungen Töchter. Und dabei war sie damals hoch in den Sechzigern. Diese wenigen Worte, die der Herr Großprior zu ihr sprach, gefielen ihr sehr, wie wir an ihrem lächelnden Gesicht und ihren Manieren erkennen konnten.

Wir schieden von dieser Dame mit hoher Befriedigung, besonders der Herr Großprior, der, wie er uns sagte, sofort ganz entzückt von ihr war. Natürlich lud diese reizende Frau täglich den Herrn Großprior und den schönen Damenflor zu sich ein, entweder nachmittags oder des Abends. Der Herr Großprior nahm zur Geliebten die ältere Tochter, obgleich er die Mutter vorgezogen hätte; aber es geschah per adumbrar la cosa.

Es fanden nun Spiele, wie Ringelstechen, statt, wobei der Herr Großprior den Sieg davontrug, sowie Tänze und Ballets. Kurz, diese reizende Geselligkeit verschuldete es, daß wir statt vierzehn Tage sieben Wochen dort blieben, was uns durchaus nicht leid tat; denn wir hatten uns ebenso wie unser General eine Geliebte angeschafft. Ja, wir hätten noch länger verweilt, wenn nicht ein Bote des Königs eingetroffen wäre, der Nachrichten von dem in Schottland ausgebrochenen Kriege brachte. Deshalb mußte er die[254] Galeeren flott machen, die jedoch erst acht Monate später absegelten.

Nun hieß es, von diesen köstlichen Vergnügungen Abschied nehmen und die reizende Stadt Neapel verlassen. Unser Herr General und wir alle bedauerten es tief, einen Ort zu verlassen, wo wir so viel Schönes genossen hatten.

Nach Verlauf von sechs Jahren oder mehr reisten wir wieder nach Italien, um der Stadt Malta zu Hilfe zu kommen. Ich begab mich dann nach Neapel und erkundigte mich, ob die Frau Marquise noch am Leben sei. Man bestätigte mir dies und sagte, sie wohne noch in der Stadt. Sofort ging ich sie zu besuchen. Ich wurde auch gleich von einem alten Hausmeister erkannt, der seiner Herrin mitteilte, daß ich ihr meine Aufwartung machen möchte. Sie, die sich meines Namens Bourdeille erinnerte, ließ mich in ihr Zimmer bitten. Sie hütete grade das Bett wegen einer kleinen Wangengeschwulst. Der Empfang, den sie mir bereitete, war höchst liebenswürdig. Ich fand sie nur sehr wenig verändert und noch so schön, daß man wohl eine Sünde mit ihr hätte begehen können.

Sie erkundigte sich lebhaft nach dem inzwischen verstorbenen Herrn Großprior und nach der Ursache seines Todes Man hätte ihr gesagt, er sei vergiftet worden, und sie verwünschte hundertmal den Elenden, der diese Schandtat vollbracht Ich sagte ihr, das sei nicht der Fall, er wäre an einer Lungenentzündung gestorben, die er sich in der Schlacht bei Dreux zugezogen, wo er täglich wie ein Cäsar gekämpft hatte. Am Abend des letzten Treffens hatte er sich im Kampfe sehr erhitzt und eine furchtbare Erkältung davongetragen. Die Krankheit schleppte sich hin, bis er nach Verlauf von sechs Wochen daran verstarb.

Sie drückte ihr Bedauern mit bewegten Worten aus. Zwei oder drei Jahre vorher hatte er zwei Galeeren abgesandt unter dem Befehl des Kapitäns Beaulieu, einem seiner Galeerenoffiziere. Er hatte unter dem Banner der Königin von Schottland gesegelt, das man noch nie in den Gewässern[255] der Levante gesehen hatte, worüber man sehr erstaunte. Denn das Banner von Frankreich durfte er nicht führen wegen des Bündnisses mit der Türkei. Der Herr Großprior hatte den Kapitän Beaulieu beauftragt, bei Neapel zu landen, und seinerseits die Frau Marquise und deren Töchter zu besuchen. Er sandte den drei Damen eine große Zahl reizender Geschenke, die es am Hofe, im Palais zu Paris und in Frankreich gab; denn der Herr Großprior war die Freigebigkeit selbst. Der Kapitän Beaulieu verfehlte auch nicht, die Geschenke zu überreichen, die sehr wohl aufgenommen und mit einem schönen Gegengeschenk an ihn erwidert wurden.

Die Frau Marquise versicherte mir mehrmals, wie dankbar sie ihm wegen dieser Aufmerksamkeit sei und wie es sie freue, daß er sich ihrer noch erinnerte. Um seinetwillen erwies sie einem Gaskogner Edelmann, der damals bei den Galeeren des Herrn Großpriors war, eine große Freundlichkeit. Als wir abreisten, war er krank in der Stadt zurückgeblieben, und sie sorgte so für ihn, daß er genas. Sie nahm ihn in ihr Haus, und als in einem ihrer Schlösser die Stelle eines Verwalters frei wurde, setzte sie ihn dort ein und verheiratete ihn mit einer reichen Frau.

Manche von uns wußten nicht, was aus dem Edelmann geworden und hielten ihn für tot; als wir aber die Reise nach Malta machten, befand sich unter uns ein jüngerer Bruder von ihm, der mir eines Tages von dem hauptsächlichen Grunde seiner Reise erzählte: Er wolle sich nämlich nach dem Schicksal eines seiner Brüder erkundigen, der früher bei dem Herrn Großprior gewesen und vor reichlich sechs Jahren krank in Neapel zurückgeblieben sei. Seitdem wisse er nichts mehr von ihm. Ich erinnerte mich nun seiner und erkundigte mich nach ihm bei den Leuten der Frau Marquise, wo ich denn von der glücklichen Wendung seines Schicksals erfuhr. Sofort teilte ich es seinem Bruder mit, der mir sehr dankbar dafür war; er ging mit mir zu jener Dame, die ihm Näheres mitteilte und ihn hinschickte, wo sein Bruder zu finden war.[256]

Das war ein schöner Zug freundschaftlichen Gedenkens. Und sie erwies mir noch mehr Aufmerksamkeiten. Sie plauderte viel mit mir von den vergangenen Tagen und in der liebenswürdigsten und redegewandtesten Weise; denn sie sprach vortrefflich.

Sie bat mich dringend, nirgendwo anders Kost und Wohnung zu nehmen als bei ihr; aber ich lehnte dankend ab, denn es ist nicht meine Art, aufdringlich zu sein. Während der sieben oder acht Tage, die wir uns dort aufhielten, besuchte ich sie täglich und fand stets den freundlichsten Empfang.

Als ich ihr Adieu sagte, gab sie mir Empfehlungsschreiben mit an ihren Sohn, den Herrn Marquis von Pescara, damals General in der spanischen Armee. Außerdem nahm sie mir das Versprechen ab, sie bei meiner Rückkehr zu besuchen und nur bei ihr Wohnung zu nehmen.

Leider aber brachten uns die Galeeren auf der Rückfahrt bei Terracina an Land, von wo wir nach Rom gingen, und ich konnte nicht umkehren, auch wollte ich an dem Feldzug in Ungarn teilnehmen. Aber als wir in Venedig waren, erfuhren wir den Tod des Sultans Soliman. Nun verwünschte ich mein Geschick, daß ich nicht nach Neapel zurückgegangen war und dort meine Zeit angenehm verbracht hatte. Möglicherweise hätte ich dort durch die Frau Marquise irgendwie mein Glück gefunden, entweder in einer Heirat oder sonstwie; denn sie war mir sehr zugetan.

Ich glaube, mein ungünstiges Geschick wollte es nicht und führte mich nach Frankreich zurück, damit ich dort für immer unglücklich sein sollte. Fortuna hat mir denn auch niemals gelächelt, nur daß ich stets als Ehrenmann geachtet worden bin. Meine Mittel und meine Stellung waren nicht so günstige wie die meiner Gefährten, selbst niedriger Menschen. Manche hätten sich glücklich geschätzt, wenn ich bei Hofe, in den Gemächern eines Königs oder einer Königin oder in einem Saal auch nur über die Achsel hinweg das Wort an sie gerichtet hätte, und heute sind sie zu[257] Würden gelangt und tun aufgeblasen wie ein Kürbis. Trotzdem gebe ich mich mit ihnen nicht ab, erachtete sie nicht größer als mich und gebe ihnen keinen Finger breit nach.

Ja, ich kann wohl auf mich das Wort anwenden, das unser Erlöser einst gesprochen: »Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande.« Vielleicht, wenn ich ausländischen Fürsten ebenso gedient hätte wie den meinigen, würde ich heute mehr mit Gütern und Würden beladen sein, als ich es mit Jahren und Leiden bin. Doch Geduld! Wenn meine Parze mir den Faden so gesponnen, sei sie verdammt; liegt es aber an den Fürsten, denen ich gedient, so wünsche ich sie zu allen Teufeln, wenn sie nicht schon dort sind. –

Hiermit ist meine Geschichte von jener ehrenvollen Dame beendet. Sie starb mit dem Ruhm, eine sehr schöne, achtenswerte Frau gewesen zu sein und eine schöne, edle Nachkommenschaft hinterlassen zu haben, wie den Herrn Marquis Don Juan, Don Carlos, Don Cesar d'Avalos, die ich alle gesehen und von denen ich an anderm Orte gesprochen habe. Und ihre Töchter waren ihrer Söhne würdig. – Hiermit schließe ich diese Abhandlung.

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 227-258.
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