Fünfte Abhandlung.

Darüber, daß die schönen und achtbaren Damen die tapfern Männer und diese die mutigen Frauen lieben.

[258] Stets haben die schönen Frauen tapfre und mutige Männer geliebt, obwohl sie selbst von Natur furchtsam und zaghaft sind; aber die Tapferkeit wird eben von ihnen so hoch geschätzt, denn der Gegensatz zu ihrer eignen Natur erzeugt eben die Liebe. Ein Beweis ist, daß Venus, die Göttin der Schönheit, der es am Hofe des Jupiter doch freistand, sich irgend einen hübschen Liebhaber auszusuchen, um ihren plumpen Gatten Vulkan zu hintergehen, doch nicht einen zierlichen, geschniegelten Jüngling wählte, sondern sich in den Mars verliebte, den Gott des Krieges und der Heldentaten. Und dabei war er doch vom Staub und Schweiß der Schlacht bedeckt, und sah eher wie ein geschwärzter Kriegsknecht als wie ein feiner Hofschranze aus. Ja, er wird oft genug bluttriefend vom Schlachtfelde gekommen sein und ohne sich zu säubern und mit Wohlgerüchen zu besprengen, mit ihr der Liebe gepflegt haben. Die edle, schöne Königin Penthesilea hatte von den Heldentaten Hektors vernommen, die er vor Troja über die Griechen errang, und verliebte sich bei der bloßen Kunde davon derartig in ihn, daß sie den Wunsch hegte, von einem so tapfern Ritter Kinder zu haben, d.h. Töchter, die ihr Königreich erben könnten. Deshalb besuchte sie ihn in Troja und bot alles auf, seine Gunst zu gewinnen, sowohl[259] durch ihre eignen kriegerischen Leistungen, wie durch ihre seltene Schönheit. Hektor unternahm nun jeden Angriff auf die Feinde in ihrer Begleitung, und sie stürzte sich an seiner Seite in das heißeste Getümmel. Oftmals soll sie durch ihre Heldentaten das Erstaunen Hektors erweckt haben, so daß er mitten im schlimmsten Gefecht bewundernd stillhielt und möglichst beiseite trat, um die Heldentaten der schönen Königin besser beobachten zu können.

Danach kann man sich denken, wie sie ihre Liebe ins Werk setzten. Aber leider sollten deren Wonnen nicht lange dauern; denn, um ihrem Geliebten noch mehr zu gefallen, setzte sie sich täglich den größten Gefahren aus, bis sie endlich in einem fürchterlichen Handgemenge getötet wurde. Einige sagen freilich, sie habe Hektor überhaupt nicht gesehen, und er sei vor ihrer Ankunft gestorben. Als sie seinen Tod erfahren, sei sie in Verzweiflung geraten, daß sie ihn verloren, den sie, aus einem fernen Lande kommend, mit heißen Wünschen gesucht. Da habe sie sich in den blutigsten Kampf gestürzt und den Tod gefunden.

Gleiches wird von Thalestris berichtet, auch einer Amazonenkönigin, die ein großes Land durchreiste, um Alexander den Großen zu sehen und aus einem so edlen Blute Nachkommenschaft zu haben. Alexander gewährte ihren Wunsch. Es wäre auch töricht gewesen, ihn abzuschlagen, denn diese Königin war ebenso schön wie tapfer. Quintus Curtius, Orosus und Justin versichern, daß sie mit einem Gefolge von dreihundert bewaffneten Frauen zu Alexander kam. So machte sie ihm ihre Aufwartung und er empfing sie höchst ehrenvoll. Sie blieb dreizehn Tage und Nächte bei ihm, unterwarf sich allen seinen Wünschen und Launen, sagte ihm jedoch: wenn sie von ihm eine Tochter haben würde, so wolle sie diese wie einen kostbaren Schatz hüten. Käme aber ein Knabe zur Welt, dann würde sie ihn zurückschicken, weil sie das männliche Geschlecht haßte und kein Mann unter ihnen aufkommen durfte. Dies war bei ihnen zu einem Gesetz erhoben worden, seitdem sie ihre Gatten getötet hatten.[260]

Sicher haben auch die andern Frauen sich den Kriegern Alexanders hingegeben; denn man mußte dem Beispiel der Königin folgen.

Die schöne Jungfrau Camilla, die treue Dienerin ihrer Herrin Diana, hatte in ihren Jagdgründen von der Tapferkeit des Turnus vernommen und gehört, daß er mit einem ebenfalls tapfern Manne, nämlich mit Äneas, im Kampfe lag. Sie suchte ihn auf, nur von drei auserlesenen Freundinnen, die Tribaden waren, begleitet. Deren bediente sie sich überall, wie Vergil in seiner Äneïde sagt; die eine hieß Armia, die andre Tulla, die dritte Tarpea; sie wußten den Spieß oder den Pfeil in zwei verschiedenen Arten vortrefflich zu führen. Alle drei waren Töchter Italiens.

Camilla suchte also mit dieser kleinen Schar den Turnus auf und machte gemeinsam mit ihm manchen Waffengang. Sie mischte sich unter die tapfern Trojaner und wagte sich so weit vor, bis sie getötet wurde, zum großen Schmerz des Turnus, der sie um ihrer Schönheit und ihres tapfern Beistandes willen hoch verehrte. So suchten also die schönen und mutigen Frauen die tapfern Männer auf und standen ihnen in ihren Kämpfen bei.

Und was war es denn, was das Feuer der Liebe im Busen der armen Dido entfachte, wenn nicht die Tapferkeit ihres Äneas, wenn wir Vergil Glauben schenken wollen? Er hatte ihr auf ihre Bitte von der Zerstörung Trojas erzählt, wodurch sein Schmerz aufs neue erweckt wurde, und hatte dabei auch seine eignen tapfern Taten nicht vergessen; Dido hörte ihm aufmerksam zu. Dann vertraute sie ihrer Schwester Anna ihre Leidenschaft mit den Worten: »Ach, Schwester, welch' ein Gast zog bei uns ein! Wie edel zeigt er sich! Wie groß ist sein Mut! Er muß aus göttlichem Geschlechte stammen. Denn feige ist nur ein niedres Herz!« So sprach sie. Ich glaube, daß sie ihn liebte, weil sie in ihm ihres Gleichen fühlte und sich im gegebenen Fall seiner bedienen wollte. Er aber täuschte sie und verließ sie schmachvoll. Das hätte er einem Weibe nicht antun sollen,[261] die ihm, einem Fremden und Verbannten, ihr Herz geschenkt hatte.

Boccaccio erzählt in seinem Buche »Berühmte Unglückliche« eine Geschichte von der Herzogin von Furly (Forli), genannt Romilde, die ihren Gatten und ihren ganzen Besitz verloren hatte. Der König Caucan von Avarese hatte ihr alles genommen und sie so weit gebracht, daß sie sich mit ihren Kindern auf ihr Schloß zu Forli zurückziehen mußte, wo er sie belagerte. Eines Tages, als er sich dem Schlosse näherte, um es zu erkunden, sah Romilde ihn von der Höhe eines Turms und beobachtete ihn lange und aufmerksam. Sie fand ihn schön, denn er war in der Blüte seiner Jahre. Er ritt ein edles Roß und war in einen prächtigen Harnisch gekleidet. Im Gefecht tat er sich glänzend hervor und schönte sich so wenig wie der geringste Soldat. Das alles bewirkte, daß sie sich sofort leidenschaftlich in ihn verliebte. Sie achtete nicht mehr der Trauer um den Gatten, noch der Belagerung, sondern ließ ihm durch einen Boten sagen: wenn er sie zur Gattin nehmen wolle, so wolle sie ihm den Platz an dem Tage überliefern, wo die Hochzeit stattfände. Der König Caucan nahm sie beim Wort. Am bestimmten Tage kleidete sie sich in ihre prächtigsten fürstlichen Gewänder, die ihre große Schönheit noch erhöhten. Als sie im Lager des Königs angelangt war, um die Hochzeit zu vollziehen, bewies der König, daß er nicht wortbrüchig sein wolle und brachte die ganze Nacht damit zu, die erhitzte Herzogin zu befriedigen. Am nächsten Morgen ließ er zwölf seiner avaresischen Soldaten holen, die er für die stärksten und robustesten Männer hielt, und übergab ihnen Romilde zu ihrer Lust, die sie eine ganze Nacht lang an ihr ausübten. Am Morgen ließ Caucan sie rufen, beschimpfte sie wegen ihrer Unzüchtigkeit und ließ sie den Tod durch Pfählung erleiden. Gewiß eine grausame und barbarische Handlung gegen eine schöne und ehrenwerte Frau, die doch viel eher Dank und Freundlichkeit dafür verdient hätte, daß sie ihn wegen seines Mutes und[262] seiner Tapferkeit geliebt. Das dürfte manchen Frauen zur Lehre dienen; denn solche Helden haben sich oft so an das Töten und die schneidige Führung ihrer Klinge gewöhnt, daß sie zuweilen die Laune haben, sie auch die Frauen fühlen zu lassen. Alle freilich sind nicht so geartet, und wenn achtbare Damen ihnen die Ehre erweisen, sie zu lieben und eine gute Meinung von ihrem Werte zu haben, so legen sie ihre kriegerische Rauheit ab und widmen sich den sanften Freuden der Liebe.

Bändel erzählt in seinen »Tragischen Geschichten« eine, die mit zu den schönsten gehört, die ich kenne. Eine Herzogin von Savoyen verließ eines Tages ihre Stadt Turin. Von einer spanischen Pilgerin, die um eines Gelübdes willen nach Loretto ging, hörte sie ihre Schönheit bewundern und laut aussprechen, daß, wenn eine so schöne und vollkommene Dame mit ihrem schönen und tapfern Bruder, dem Herrn von Mendoza, vermählt wäre, dann könnte man wohl sagen, es sei das schönste Paar der Welt zusammengekommen. Die Herzogin, die sehr gut Spanisch verstand, bewahrte diese Worte in ihrem Herzen, zugleich zog aber auch die Liebe darin ein. Dieses Gerücht hatte genügt, ihre Leidenschaft für den Herrn von Mendoza zu erwecken, so daß sie nicht ruhte, bis sie eine Wallfahrt nach Saint-Jacques vorschützte, um den Geliebten ihrer Seele zu sehen. Auf dieser Reise nach Spanien nahm sie ihren Weg durch die Besitzungen des Herrn von Mendoza und konnte dort in Muße ihre Blicke an dem Auserwählten weiden. Denn die Schwester des Herrn von Mendoza, die die Herzogin begleitete, hatte ihren Bruder von dem schönen und vornehmen Besuch unterrichtet. Deshalb zog er ihr auf einem schönen spanischen Roß entgegen, und die Herzogin fand den Ruf seiner Vorzüge voll bestätigt. Sie bewunderte seine Schönheit, seinen edlen Anstand und sein mutiges Wesen, das sie ebenso hoch schätzte, wie seine andern Eigenschaften. Er wollte ihr auch später noch Dienste leisten, als der Graf Pancalier eine falsche Anklage gegen ihre Keuschheit erhob.[263] So tapfer und mutig er sich nun auch in den Waffen erwies, so zaghaft war er jedoch in Sachen der Liebe. Er zeigte sich nur kalt und respektvoll gegen sie und sagte kein Wort von Leidenschaft. Um dies zu hören, hatte sie aber doch die Pilgerfahrt unternommen. Verletzt von dieser kalten Ehrerbietung oder vielmehr von seiner Schwachherzigkeit in der Liebe, reiste sie am nächsten Tage enttäuscht wieder ab.

Die Frauen haben eben bei den Männern sowohl den Mut in der Schlacht wie die Kühnheit in der Liebe gern. Freilich darf die Kühnheit nicht in schamlose Frechheit ausarten, wie es bei manchen vorkommt, sondern man muß den Mittelweg einschlagen.

Ich kannte viele, denen durch solche Ehrerbietung manches Glück entgangen ist, wovon ich verschiedene Geschichten erzählen könnte, wenn ich nicht fürchten müßte, zu weit abzuschweifen. Nur diese eine will ich anführen.

Eine Dame, die zu den schönen Frauen der großen Welt gehörte, hatte ebenfalls von dem Ruf der Tapferkeit eines Fürsten vernommen, der schon in jungen Jahren große Waffentaten vollbrachte. Besonders hatte er zwei große Schlachten über seine Feinde gewonnen. Die Dame hegte den lebhaften Wunsch, ihn zu sehen und unternahm deshalb, unter einem andern Vorwand, den ich verschweige, eine Reise in die Provinz, wo er sich damals aufhielt. Dort angelangt, konnte sie ihn in Muße betrachten, denn er kam ihr schon von weitem entgegen und empfing sie respektvoll und mit den größten Ehren, wie sie einer so schönen und hochherzigen Fürstin gebührten. Es erging ihr aber gerade so wie der Herzogin von Savoyen mit dem Herrn von Mendoza; die große Ehrerbietung erzeugte nur Unzufriedenheit, so daß sie ebenfalls enttäuscht wieder abreiste. Vielleicht hatte auch er seine Zeit verloren, und sie war seinen Wünschen nicht nachgekommen. Der Versuch aber[264] war nicht übel gewesen und hätte einen besseren Erfolg verdient.

Wozu nützt denn auch ein kühner und edler Mut, wenn er sich nicht in allen Dingen zeigt und besonders in der Liebe ebenso wie im Kampf? Denn die Liebe und die Waffen sind Freunde und gehen zusammen, wie der Dichter sagt: »Jeder Liebende ist Kämpfer, und Cupido trägt die Waffen, ebenso wie Mars.« Herr von Ronsard hat darüber ein hübsches Sonett in seinen ersten »Amours« verfaßt.

Um noch einmal von dem Verlangen vieler Frauen, mutige und edle Männer zu sehen, zu sprechen, so hörte ich von der heute regierenden Königin Elisabeth von England erzählen, daß sie eines Tages den Herrn Großprior von Frankreich, aus dem Hause Lothringen und Herrn d'Amville den heutigen Connetable, und Herrn von Montmorency, zur Tafel geladen hatte. In der Unterhaltung kam sie auf den verstorbenen König Heinrich II. zu sprechen und rühmte seine Tapferkeit hoch, wobei sie sagte, er habe sich in all seinen Handlungen »sehr martialisch« erwiesen. Wenn er nicht so früh verstorben wäre, würde sie ihn in seinem Königreich besucht haben, und wäre mit ihrer Flotte nach Frankreich gereist, um mit ihm den Frieden zu besiegeln. »Es war,« sagte sie, »einer meiner größten Wünsche, ihn zu sehen, und ich glaube, er würde mich nicht zurückgewiesen haben. Denn ich liebe nun einmal die mutigen Männer, und beklage es, daß der Tod einen so tapfern König hinweggerafft, bevor ich ihn gesehen.«

Dieselbe Königin hatte einige Zeit darauf die Vorzüge des Herrn von Nemours rühmen hören und erkundigte sich nach ihm bei dem verstorbenen Herrn von Randan, als König Franz der Zweite ihn nach Schottland sandte, um wegen des Friedens vor dem belagerten Petit-Lit zu unterhandeln. Als dieser ihr ausführlich von den kriegerischen Tugenden des Herrn von Nemours erzählt hatte, sah er, der sich auf die Liebe ebenso gut verstand wie auf die Waffen, in den Augen der Königin die Liebe aufleuchten,[265] und ihren Wunsch, ihn zu sehen, drückte sie denn auch mit Worten aus. Um nun nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, fragte er, ob jener, wenn er sie besuchen würde, wohl aufgenommen werden würde, was sie versicherte. Er schloß daraus, daß vielleicht eine Ehe zwischen ihnen zustande kommen könnte.

Von seiner Gesandtschaft an den Hof zurückgekehrt, machte er dem König und dem Herrn von Nemours hiervon Mitteilung, und der König redete jenem zu. Dieser war nun hoch erfreut, durch eine so schöne und tugendhafte Königin in den Besitz eines solchen Königreichs gelangen zu können.

Das Eisen wurde also geschmiedet: Vom Könige mit reichen Mitteln ausgestattet, traf Herr von Nemours große und glänzende Vorbereitungen in Gewändern, Pferden und Waffen, ohne irgend etwas zu vergessen (ich habe das alles selbst gesehen). Besonders verfehlte er nicht, die Blüte der Jugend vom Hofe mitzunehmen, die der boshafte Greffier »die Bohnenblüte« nannte, womit er die windigen jungen Herren vom Hofe verspottete.

Inzwischen wurde Herr de Lignerolles, ein sehr gewandter Edelmann und damals Günstling des Herrn von Nemours, an die Königin abgesandt, und er kam mit der Antwort zurück, die Königin freue sich, ihn zu empfangen und er möge seine Reise beschleunigen. Ich entsinne mich, daß man bei Hofe die Heirat beinahe für abgemacht hielt. Aber plötzlich wurde die Reise unterbrochen, und der ganze große Aufwand war unnütz gewesen.

Dieser plötzliche Bruch entstand vielleicht dadurch, daß dem Herrn von Nemours andere Liebschaften mehr am Herzen lagen und ihn enger gefesselt hielten. Denn er war[266] ein in jeder Beziehung so vollendeter Mann, daß die Damen ihm förmlich nachliefen, und ich weiß, daß manche ihm ihre Keuschheit freudig geopfert hat.

In den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra finden wir eine hübsche Geschichte von jener Dame aus Mailand, die dem verstorbenen Herrn de Bonnivet, späterem Admiral von Frankreich, ein Stelldichein gegeben und ihre Kammerfrauen beauftragt hatte, in dem Augenblick, wo er sich mit ihr niederlegen wollte, auf der Treppe mit bloßen Degen ein Schwertergeklirr zu veranstalten. Das taten sie auch ganz nach dem Befehl ihrer Herrin, und diese spielte nun die Erschreckte und Furchtsame, indem sie sagte, es seien ihre Schwäger, die gewiß etwas bemerkt hätten. Sie wäre verloren, und er möge sich unter dem Bett oder hinter der Wand verstecken. Aber Herr de Bonnivet nahm, ohne zu erschrecken, seinen Mantel über den Arm, in die andere Hand seinen Degen und sagte: »Wo sind diese tapfern Brüder, die mir Furcht einjagen wollen? Wenn sie mich erblicken, so werden sie nicht wagen, auch nur die Spitze meines Degens anzusehen!« Er öffnete die Tür und ging hinaus. Wie er auf der Treppe sich zum Kampf anschicken wollte, entdeckte er die Frauen, die sich nun sehr fürchteten und alles bekannten. Da Herr de Bonnivet sah, daß es weiter nichts war, sandte er den Frauen einen kleinen Fluch nach, trat wieder ins Zimmer, schloß die Tür und wurde von seiner Dame mit Lachen empfangen. Sie umarmte ihn und sagte, wenn er sich bei dieser von ihr angestifteten Sache feige benommen hätte, so würde sie sich ihm niemals hingegeben haben. Man kann sich denken, was für eine Liebesnacht sie nun verbrachten. Denn es hatte ihn auch viel Mühe gekostet, sie, eine der schönsten Frauen Mailands, zu erobern.

Ich kannte einen tapfern Edelmann, der eines Tags zu Rom mit einer hübschen Dame schlief, während ihr Gatte abwesend war. Plötzlich ließ sie eine ihrer Frauen mit der Nachricht eintreten, der Gemahl sei zurückgekommen. Sie[267] tat überrascht und bat den Edelmann, sich in einem Kabinett zu verstecken, sonst wäre sie verloren. »Nein, nein,« rief der Edelmann, »das tu' ich um keinen Preis der Welt. Aber wenn er kommt, werd' ich ihn töten!« Mit diesen Worten ergriff er seinen Degen; die Dame aber lachte und bekannte ihm, sie habe ihn nur prüfen wollen, ob er im Ernstfalle sie verteidigt haben würde.

Ich kannte eine sehr schöne Dame, die einem Liebhaber kurzer Hand den Laufpaß gab, weil sie ihn für feigherzig hielt. Dadurch brachte sie eine solche Veränderung seines Wesens hervor, daß er sich nicht mehr ähnlich sah und einer der schneidigsten und gefürchtetsten Degen seinerzeit wurde.

Ich hörte von älteren Leuten bei Hofe eine Geschichte von einer Hofdame erzählen, die die Maitresse des verstorbenen Herrn de Lorge gewesen, eines der mutigsten und berühmtesten Feldherren seiner Zeit. Sie hatte viel von seiner Tapferkeit vernommen, und als eines Tages König Franz der Erste einen Löwenkampf bei Hofe veranstaltete, wollte sie erproben, ob er seinem Ruf Ehre machen würde. Sie ließ deshalb einen Handschuh in den Zwinger fallen, mitten zwischen die wütenden Tiere, und bat den Herrn de Lorge, ihn wiederzuholen, wenn er sie wirklich so liebe, wie er behaupte. Ohne zu zaudern ergreift er den Degen und begibt sich ruhig und gefaßt unter die Löwen, um den Handschuh zu holen. Das Glück war ihm hold, so daß die Löwen ihn nicht anzugreifen wagten, da er ihnen mit heiterer Miene und ruhiger Sicherheit die Spitze seines Degens wies. Er nahm den Handschuh auf und brachte ihn seiner Herrin zurück, wofür er von ihr und allen Anwesenden hoch geehrt wurde. Herr de Lorge aber verließ sie, wie man sagt, empört darüber, daß sie ihn und seinen Mut nur als einen Zeitvertreib benutzt hatte. Ja, man sagt, er habe ihr in edler Entrüstung den Handschuh ins Gesicht geworfen; denn er hätte hundertmal lieber auf ihren Befehl ein Bataillon Soldaten bekämpft als wilde Tiere, welcher[268] Kampf weniger glorreich ist. Gewiß, ein derartiges Spiel mit dem Mannesmut ist wenig ehrenvoll und verdient den strengsten Tadel.

Ich weiß noch einen Streich, den eine Dame ihrem Liebhaber spielte. Als dieser ihr seine Huldigung darbrachte und versicherte, er würde alles für sie wagen, selbst das Gefahrvollste, nahm sie ihn beim Wort und sagte: »Wenn Sie mich so sehr lieben und Sie so mutig sind, wie Sie behaupten, dann stechen Sie sich aus Liebe zu mir den Dolch in den Arm.« Er, der sterblich in sie verliebt war, zog sogleich den Dolch; ich aber hielt seinen Arm fest und nahm ihm die Waffe weg, wobei ich ihm vorwarf, daß es eine große Torheit sei, auf solche Art seine Liebe und seinen Mut zu beweisen. Die Dame will ich nicht nennen, aber der Edelmann war Herr de Clermont-Tallart der Ältere, der in der Schlacht bei Montcontour fiel. Er war einer der tapfersten Edelleute Frankreichs und bewies sich auch im Tode als solcher.

Ich hörte, daß etwas Ähnliches dem Herrn de Genlis passierte, der in Deutschland gestorben ist; er führte die hugenottischen Truppen bei dem dritten Aufstand. Eines Tages, als er mit seiner Geliebten über den Fluß vor dem Louvre fuhr, ließ sie absichtlich ihr schönes und kostbares Taschentuch ins Wasser fallen und mutete ihm zu, sich nachzustürzen und es zu holen. Er, der nicht besser schwimmen konnte wie ein Stein, wollte sich entschuldigen. Sie aber warf ihm Feigheit vor, und so stürzte er sich kopfüber ins Wasser, worin er sicher ertrunken wäre, wenn er nicht von einem andern Schiffe aus gerettet worden wäre.

Ich glaube, solche Weiber haben oft die Absicht, bei dieser Gelegenheit ihre Liebhaber los zu werden, deren sie überdrüssig sind. Besser wäre es, wenn sie die Liebhaber bäten, sich aus Liebe zu ihnen in den Krieg zu begeben, um dort Beweise ihres Mutes abzulegen, statt solche Albernheiten[269] von denen ich noch viele anführen könnte, von ihnen zu verlangen.

Ich erinnere mich, daß bei der Belagerung Rouens, während des ersten Aufstandes, Fräulein von Piennes, eine der achtbarsten Hofdamen, im Zweifel darüber war, ob Herr von Gergeay kühn genug gewesen sei, Mann gegen Mann den Baron d'Ingrande, einen tapfern Edelmann des Hofes, zu töten. Sie gab ihm eine Schärpe, die er an seine Kopfbedeckung steckte. Als man zur Erkundung des Forts Sainte-Catherine schritt, stürzte er sich verwegen in einen Reitertrupp, der aus der Stadt hervorbrach, und empfing einen Pistolenschuß in den Kopf, woran er auf der Stelle verstarb. Das Fräulein war von seinem Mut befriedigt, und wenn er nicht getötet worden wäre, hätte sie ihn geheiratet. Aber sie hatte eben daran gezweifelt, ob er jenen Baron in ehrlichem Kampfe getötet, und des halb wollte sie einen Beweis seines Mutes haben, wie sie sagte. Und sicher, wenn ein Mann schon von Natur mutig ist, so wird er oft durch die Frau noch weiter getrieben. Die Kalten und Feigherzigen aber werden von ihnen entflammt.

Davon bietet ein gutes Beispiel die schöne Agnes, die bemerkte, daß König Karl VII. in sie verliebt war und über seiner Leidenschaft zu ihr ganz die Pflichten der Regierung vergaß. Da sagte sie ihm eines Tages, in ihrer Mädchenzeit habe ihr ein Astrologe geweissagt, sie werde von einem der mutigsten und tapfersten Könige der Christenheit geliebt werden. Da nun der König ihr die Ehre erwiesen, sie zu lieben, habe sie geglaubt, er sei der geweissagte mutvolle König; aber da er so schwächlich und so wenig seiner Herrscherpflichten eingedenk sei, so sehe, sie wohl, daß sie sich getäuscht habe. Der Prophezeite sei vielmehr der König von England, der so wackere Kriegstaten verrichte, und ihm manche schöne Stadt vor der Nase wegnehme. »Und deshalb,« sagte sie zum König, »will ich ihn aufsuchen, denn ihn hat der Astrologe gemeint.« Diese[270] Worte trafen das Herz des Königs so tief, daß er in Tränen ausbrach, und von Stunde an faßte er Mut, verließ seine Gärten und Jagden, und es gelang ihm durch Glück und Tapferkeit, die Engländer aus seinem Reiche zu vertreiben.

Bertrand de Guesclin, der Madame Tiphaine geheiratet hatte, beschäftigte sich seitdem nur mit ihr und vernachlässigte die Warfen, die er bisher so wacker geführt und die ihm Ruhm und Preis eingetragen hatten. Sie aber machte ihm dies so eindringlich zum Vorwurf, daß er seinen früheren Mut wiederfand und, in den Krieg zurückgekehrt, sich nun dort noch mehr auszeichnete als zuvor.

Diese Dame schlug also die Ehre ihres Gatten höher an als die Lust ihrer Nächte. So sind auch unsre Frauen uns weniger zugetan, wenn wir nicht von ihrer Seite weichen, als wenn wir vom Heere zurückkehren und etwas Gutes oder Schönes vollbracht haben. Dann erst lieben sie uns so recht von Herzen.

Die vierte Tochter des Grafen von Provence, des Schwiegervaters von Ludwig dem Frommen, und Gattin Karls, Grafen von Anjou, der ein Bruder des genannten Königs war, besaß so viel Ehrgeiz, daß es sie grämte, nur eine einfache Gräfin von Anjou und Provence zu sein, während zwei andere Schwestern Königinnen und die dritte Kaiserin war. Sie spornte daher unermüdlich ihren Gemahl zur Eroberung eines Königreichs an und brachte es so weit, daß sie und ihr Gatte vom Papst Urban zum König und zur Königin Beider Sizilien erwählt wurden. Mit dreißig Galeeren gingen sie nach Rom, um sich von Seiner Heiligkeit als König und Königin von Jerusalem und Neapel krönen zu lassen. Letzteres eroberte er später, teils durch tapfere Waffentaten, teils durch die Mittel, die seine Gemahlin ihm verschaffte, indem sie alle ihre Kleinodien verkaufte, um die Kriegskosten zu decken. Danach regierten sie noch lange und in Frieden in ihren schönen eroberten Königreichen.[271]

Lange Zeit nachher setzte eine ihrer Enkelinnen, Isabeau von Lothringen, ohne ihren Gatten René, etwas Ähnliches ins Werk. Ihr Gemahl befand sich als Gefangener in den Händen des Herzogs von Burgund, und sie, klug, großherzig und mutvoll, im Besitz des ererbten Königreiches Sizilien und Neapel, sammelte ein Heer von dreißigtausend Mann, führte es selbst an und bemächtigte sich Neapels.

Ich könnte noch zahlreiche Frauen anführen, die ihren Gatten in dieser Weise geholfen haben, und, hochgemut und ehrgeizig, sie zum Erwerb von Würden und Reichtümern antrieben. Es gehört ja auch zu dem Schönsten und Ehrenhaftesten, solche Güter durch die Spitze des Degens zu erringen.

Ich kannte in Frankreich und an unsern Höfen viele, die mehr auf den Antrieb ihrer Frauen hin, als aus eigenem Willen große und schöne Dinge unternahmen.

Dagegen kannte ich viele andre Frauen, die nur an ihr Vergnügen dachten, die Männer nicht von sich ließen und sie an großen Taten verhinderten; denn sie waren viel zu begierig nach den Freuden der Venus. Ich könnte viel davon erzählen, aber ich würde mich zu weit von meinem Gegenstand entfernen, der viel schöner ist, da er von der Tugend handelt, als der andre, der vom Laster handeln würde. Und man hört wohl auch lieber von den Frauen, die die Männer zu schönen Handlungen angetrieben haben. Ich spreche nicht nur von verheirateten Frauen, sondern auch von andern, die durch die Gewährung einer kleinen Gunst ihre Liebhaber zu Taten anspornten, die sie sonst nicht vollbracht hätten.

Scipio warf dem Masinissa, als dieser noch fast bluttriefend, Sophonisbe geheiratet hatte, unter anderm vor: es gezieme sich nicht, mitten im Kriege an die Frauen und an die Liebe zu denken. Was mich betrifft, so möge er mir verzeihen, ich denke: nichts verleiht mehr Mut und Ehrgeiz zum Vollbringen großer Dinge als der Gedanke an die Frauen. Ich stand ehemals auch im Kampfe, und[272] ich glaube, alle Krieger denken so und werden derselben Meinung sein, daß es das Herz erhebt, mitten im heißesten Kampf und Getümmel an die Liebkosungen seiner Dame zu denken, womit sie den siegreich Heimkehrenden empfängt; oder an ihren Kummer, wenn man auf dem Schlachtfeld gestorben ist. Ja, um der Liebe willen sind alle Unternehmungen leicht, alle Kämpfe nur Turniere, und der Tod ein Triumph.

Ich erinnere mich hier aus der Schlacht bei Dreux des Herrn Des Bordes. Er war einer der wackersten Ritter seiner Zeit, damals Offizier unter dem Herrn de Nevers vormals Graf d'Eu genannt, ein ebenfalls vortrefflicher Fürst. Als es nun zum Angriff auf ein Bataillon Fußvolk ging, das direkt auf die Vorhut losmarschierte, wo Herr de Guise der Große den Befehl führte, und das Signal zum Angriff gegeben war, ritt Herr Des Bordes einen türkischen Grauschimmel, der mit einem Liebesband seiner Herrin geschmückt war, und rief aus; »Ha! ich werde mich aus Liebe zu meiner Herrin tapfer schlagen, oder ruhmreich sterben!« Und er hielt Wort: nachdem er die ersten sechs Reihen durchbrochen, traf ihn in der siebenten der Tod und streckte ihn zu Boden. Hatte jene Dame ihr Liebesband nicht gut verwendet und durfte sie es sich zum Vorwurf machen, daß sie es ihm gegeben?

Herr de Bussi war jener junge Mann, der auch die Liebesbänder seiner Geliebten zu Ehren brachte, auch solcher, die noch mehr Kämpfe und Kriegstaten verdienten als die schöne Angelica der Paladine und Ritter von ehemals, gleichviel ob Christen oder Sarazenen. Aber ich hörte ihn auch oft sagen, daß in allen Kriegen und Gefechten (und er hat viele mitgemacht) ihn nicht so sehr der Diensteifer für seinen Fürsten und der Ehrgeiz geleitet hätten, als der Ruhm, seiner Dame zu gefallen. Und sicherlich hat er recht, denn aller Ehrgeiz der Welt wiegt nicht die Liebe einer schönen und achtbaren Frau und Geliebten auf.

Und warum haben denn so viele tapfre fahrende Ritter der Tafelrunde und so viele mutige Paladine Frankreichs in[273] vergangenen Zeiten Kriege und weite Reisen unternommen, wenn nicht aus Liebe zu schönen Frauen? Ich erinnere an unsre Palladine Frankreichs, unsre Rolands, Renauds, Ogiers, Olliviers, Yvons, Richards und noch viele andre. Es war aber auch damals eine schöne Zeit; denn wenn sie aus Liebe zu ihren Damen etwas Großes vollbrachten, so zeigten sich diese nicht undankbar und belohnten sie durch Schäferstündchen in Wäldern und Gärten, oder auf Wiesen und an murmelnden Quellen. Das ist der Preis der Tapferkeit, den man von den Damen begehrt.

Nun eine Frage: Warum lieben denn die Frauen die mutigen Männer? Wie ich zu Anfang sagte, hat der Mut die Eigenschaft, bei seinem Gegensatz Liebe zu erwecken. Ja, es ist eine ganz natürliche Neigung, die die Frauen treibt, den Mut zu lieben, denn er ist eben hundertmal liebenswerter als die Feigheit. Auch erweckt ja die Tugend mehr Zuneigung als das Laster.

Manche Damen sind auch der Meinung, daß Männer, die im Handwerk des Mars geschickt sind, es auch in dem der Venus seien.

Diese Regel trifft zu. Man denke an Cäsar, den tapfersten Mann der Welt, und viele andre, die ich nicht nenne. Kriegsmänner besitzen auch mehr Stärke als Leute andern Standes, so daß ein Stoß von ihnen mehr wert ist als vier von andern. Manchmal erleidet diese Regel auch Ausnahmen; denn die Strapazen des Krieges haben diese Männer oft so sehr mitgenommen, daß sie in der Liebe ihren Damen nicht mehr genügen können. Diese ziehen dann einen frischen, wohl ausgerüsteten Handwerker der Venus zehn solchen Entnervten des Mars vor.

Manche Frauen lieben die tapfern Männer, sei es als Gatten oder Liebhaber, um von ihnen bei Angriffen auf ihre Ehre und Keuschheit oder gegen Verleumdung verteidigt zu werden. So kannte ich einst eine sehr schöne vornehme Dame, die ich nicht nenne, die sehr der Verleumdung ausgesetzt war. Einen sehr begünstigten Liebhaber verabschiedete[274] sie deshalb, weil er nicht genügend für sie eintrat, und nahm einen andern, der die Ehre seiner Dame auf der Spitze seines Degens trug, so daß keiner sie anzutasten wagte.

Viele Damen kannte ich, die immer einen Tapfern zu ihrem Schutze bei sich haben wollten, was ihnen auch oft sehr nützlich war. Aber dann müssen sie sich auch hüten, ihnen untreu zu werden, wenn sie sich erst einmal unter deren Gewalt begeben haben. Denn wenn die Männer nur das Geringste davon merken, dann zahlen sie es ihnen und dem Galan oft schrecklich heim. Davon sah ich in meinem Leben viele Beispiele.

Solche Damen müssen sich also in Acht nehmen, wenn sie es nicht so machen wollen, wie die Buhldirnen Italiens und Roms, die auch zu ihrem Schutze einen »Bravo« haben (so nennen sie ihn). Aber die sind im Einverständnis mit einander, und der Bravo hält den Mund.

Das mag für die Buhlerinnen Roms und deren Zuhälter gut sein, aber es schickt sich nicht für die galanten Edelleute Frankreichs und andrer Länder. Sondern wenn eine achtbare Dame fest und beständig bleibt, muß ihr Ritter für ihre Ehre und für ein böses Wort gegen sie sein Leben einsetzen, so wie der tapfere Renaud für die schöne Ginevra in Schottland, der Herr von Mendoza für die Herzogin, von der ich sprach, und der Herr von Carouge für seine eigne Frau zur Zeit Königs Karl des Sechsten, wie wir in unsern Chroniken lesen.

Andre Damen kannte ich, die kleinmütige Männer verließen, obgleich diese sehr reich waren, und einen Edelmann heirateten, der sozusagen nichts weiter besaß, als Mantel und Degen. Aber sie waren tapfer und edel und boten die Hoffnung, durch ihren Wert zur Größe zu gelangen. Obgleich es ungerechterweise nicht immer die Wertvollen sind, die emporkommen, sondern oft gerade die Feigen und Kleinmütigen. Aber sei es immerhin: diesen steht eine solche Würde doch nicht so gut wie den Tapferen.[275]

Jetzt noch ein Wort im Vorbeigehen: Ebenso wie die Damen die tapfern Männer der Waffe lieben, lieben sie auch die Verwegenen in der Liebe, und ein gar zu zaghafter und ehrerbietiger wird selten Glück bei ihnen haben.

Ich kenne zwei einander befreundete Edelleute, die mit zwei Damen der guten Gesellschaft eines Tages einen Ausflug nach Paris machten. Während sie in einem Garten spazieren gingen, trennten sich die Paare und jedes trat in einen dichtbelaubten Baumgang ein, wo das Licht kaum hineindringen konnte und die frische Kühle entzückend war. Einer der beiden Herren, der verwegen war und wohl wußte, daß diese Partie nicht bloß des Spaziergangs und der frischen Luft halber unternommen war, merkte aus ihren übermütigen Reden, daß seine Dame noch anderes Verlangen trug, als nur Muskatnüsse aus den Gebüschen zu naschen. So wollte er denn diese schöne Gelegenheit nicht versäumen, legte die Dame auf eine Moosbank nieder und genoß sie recht gemächlich, ohne daß sie etwas andres sagte als: »Mein Gott, was machen Sie? Sie sind ja furchtbar unvorsichtig! Wenn nun jemand kommt, was dann? Mein Gott, lassen Sie mich doch!« Aber der Edelmann ließ sich nicht stören und fuhr fort Das gefiel allen beiden so wohl, daß sie, nach drei- oder viermaligem Auf- und Abgehen durch die Allee, einen zweiten Angriff unternahmen. Dann betraten sie einen offenen Baumgang und sahen das andre Paar ruhig lustwandeln wie vorher. Da sagte die befriedigte Dame zu dem befriedigten Edelmann; »Ich glaube, der Herr da hat sich einfältig benommen und hat seine Dame bloß mit Worten und Spazierengehen unterhalten.« Als die Vier wieder beisammen waren, fragten die Damen einander, wie es ihnen gefallen habe. Die Zufriedene antwortete, sie befinde sich sehr wohl, und es habe ihr ausnehmend gefallen. Die Unzufriedene ihrerseits sagte: sie habe es mit dem einfältigsten und zaghaftesten Liebhaber zu tun gehabt, den man sich denken könne. Die beiden Herren hörten, wie die Damen im Umhergehen lachten und ausriefen: »O der Dummköpf![276] Der Feigling! Welch ein respektvoller Narr!« Worauf der zufriedene Edelmann zu seinem Freunde sagte: »Unsre Damen sprechen von Ihnen und schelten auf Sie. Sie sind zu ehrerbietig gewesen.« Das gab dieser zu; aber nun war es zu spät und die Gelegenheit vorüber. Seinen Fehler einsehend, hat er ihn jedoch nach einiger Zeit wieder gut gemacht.

Ich kannte zwei große Herren, Brüder, alle beide ganz vollendete Männer, die zwei Damen liebten, von denen die eine in jeder Beziehung größer als die andre war. Als sie das Zimmer dieser großen Dame betreten hatten, die damals das Bett hütete, begann jeder für sich seine Dame zu unterhalten. Der eine sprach zu der Großen mit aller Ehrerbietung, mit demütigen Handküssen und respektvollen Worten, ohne eine Annäherung zu wagen. Der andre Bruder nahm ohne weitere Zeremonien seine Dame in einer Fensternische her und ließ sie fühlen, daß er nicht nach spanischer Mode liebte, d.h. nicht bloß mit Blicken und Worten, sondern mit der Tat. Als er sein Werk erledigt, verließ er das Zimmer, indem er so laut zu seinem Bruder sagte, daß seine Dame es hören konnte: »Lieber Bruder, wenn du es nicht machst wie ich, so ist das garnichts. Du magst anderswo noch so mutig und verwegen sein, wenn du deine Kühnheit hier nicht zeigst, so dient sie dir nicht zum Ruhm. Denn du bist hier nicht an einem Respektsort, sondern an einem Ort, wo deine Dame auf dich wartet.« Mit diesen Worten verließ er seinen Bruder, der sich jedoch diesmal den entscheidenden Schlag noch für ein anderes Mal aufsparte. Die Dame jedoch achtete ihn nun nicht mehr, weil sie ihm entweder eine zu große Kälte in der Liebe oder Mangel an Mut oder körperlicher Fähigkeit zuschrieb. Und er hatte alles dies doch, sowohl im Kriege wie in der Liebe, bewiesen.

Die selige Königin-Mutter ließ eines Tages um Fastnacht eine sehr hübsche italienische Komödie zu Paris im Hotel de Reins aufführen, die der Galeerenkapitän Cornelio Fiasco verfaßt hatte. Der ganze Hof war versammelt, sowie[277] Herren und Damen aus der Stadt. Unter anderm wurde ein junger Mann dargestellt, der während einer ganzen Nacht im Zimmer einer schönen Dame versteckt gewesen war und sie nicht im mindesten berührt hatte. Wie er dies Abenteuer seinem Freunde erzählt, fragt dieser ihn: »Ch'avete fatto?« Und er antwortet: »Niente«. Darauf sagt ihm sein Freund: »Ah! poltronazzo, senza cuore! non havete fatto niente! che maldita sia la tua poltroneria!«

Nach der Vorstellung plauderten wir noch im Zimmer der Königin über die Komödie, und ich fragte eine sehr schöne und achtbare Dame, was ihr in dem Stück am besten gefallen habe. Sie erwiderte mir ganz naiv: »Das Hübscheste war, was jener Mann dem Lucio antwortete: ›Che non haveva fatto niente: Ah! poltronazzo, senza cuore! non havete fatto niente! che maldita sia la tua poltroneria!‹«

Die Dame war also mit Jenem einverstanden, der dem andern die Feigheit vorwarf. Wir beide plauderten noch mehr darüber und sagten, wie verkehrt es sei, nicht Wetter und Wind wahrzunehmen, wie es ein guter Seemann tut – Aber ich muß hier noch die folgende drollige Geschichte zwischen die ernsthaften einfügen.

Ich hörte von einem mir befreundeten Edelmann, daß eine Dame seines Standes wiederholt ihrem Kammerdiener Vertraulichkeiten erwiesen hatte, die deutlich genug sprachen. Der Kammerdiener, durchaus kein Dummkopf, fand seine Herrin eines Sommermorgens im Halbschlummer nackt im Bett, mit dem Gesicht nach der Wand. Gereizt von der Schönheit dieses Weibes und ihrer passenden Lage auf dem Bettrand, begann er einen behutsamen Angriff. Die Dame wandte den Kopf um und erkannte den Diener, den sie begehrte.[278] Und in der belagerten Stellung verharrend, ohne den geringsten Widerstand zu leisten, hielt sie still, um ja nichts zu verlieren, wandte nur den Kopf und sagte: »Sie kleiner Unverschämter, wie können Sie sich das erdreisten?« Der Kammerdiener entgegnete höflich: »Befehlen Madame, daß ich mich zurückziehe?« – »Das sage ich nicht. Ich frage nur, was Sie so kühn gemacht hat.« Der Diener aber wiederholte: »Wenn Madame wünschen, ziehe ich mich zurück.« – Sie darauf wieder: »Aber das sage ich ja garnicht.« Diese Fragen und Antworten gingen drei- oder viermal hin und her, ohne daß die Belagerung unterbrochen wurde; und als sie beendet war, befand sich die Dame wohler, als wenn sie dem Diener befohlen hätte, sich zurückzuziehen. Es war für beide gut, immer auf derselben Frage und Antwort zu bestehen. In diesem Tone fuhren sie später noch lange fort. Denn nur der Anfang ist schwer, wie man sagt.

Das war ein hübscher verwegener Kammerdiener! Von solchen beherzten Männern sagt das italienische Sprichwort: A bravo cazzo mai non manca favor.

So sehen wir also, daß manche sowohl in den Waffen wie in der Liebe tapfer sind, andre sind es nur in den Waffen und nicht in der Liebe, wieder andre in der Liebe und nicht in den Waffen, wie jener Räuber Paris, der wohl den Mut hatte, die Helena ihrem Gatten Menelaus zu entführen, aber zu feige war, sich mit ihm vor Troja zu schlagen.

Deshalb lieben die Damen auch die älteren Männer und Greise nicht, da diese in der Liebe zaghaft sind. Nicht, daß es ihnen an Begehrlichkeit fehlte, – sie ist oft größer als bei den Jungen – aber es mangelt ihnen an Leistungsfähigkeit. Das ist es, was eine spanische Dame sagte: Die Greise gleichen den Leuten, die, wenn sie einen König in seiner Macht und Herrlichkeit sehen, ihm gleich zu sein wünschen, aber es nicht wagen, ihn anzugreifen und zu entthronen und seinen Platz einzunehmen. Sie sagte: Y a penas es nascido el deseo, cuando se muere luego. »Kaum[279] ist der Wunsch geboren, so stirbt er schon.« So getrauen sich auch die Greise nicht, wenn sie etwas Schönes sehen, die Hand danach auszustrecken, »porque los viejos naturalmente son temerosos; y amor y temor no se caben en un saco«, »die Greise sind von Natur furchtsam, und Furcht und Liebe stecken nicht in einem Sack«. Und das ist richtig. Denn sie besitzen keine Waffen, weder zum Angriff noch zur Verteidigung, wozu den jungen Leuten die Jugend und die Schönheit dienen. Ferner, wie der Dichter sagt: der Jugend steht alles wohl an, was sie auch beginne, und ein andrer: ein alter Soldat und ein alter Liebhaber sind kein schöner Anblick.

Nun genug hiervon; wenden wir uns jetzt zu dem andern Gegenstand der Betrachtung, nämlich daß ebenso wie die Frauen die mutigen Männer, diese wiederum die tapfern Frauen heben. Gerade wie ein beherzter Mann liebenswürdiger und bewunderungswerter ist als ein andrer, so gilt dasselbe von einer edlen und beherzten Frau. Damit will ich jedoch nicht sagen, daß die Frau dieselben Taten vollbringen soll, wie ein Mann und ein soldatisches Wesen annehme. Von manchen weiß ich, daß sie zu Pferde saßen, mit der Pistole im Sattelgurt, und schießen und fechten konnten wie ein Mann.

Ich könnte eine Frau erwähnen, die sich während der Kämpfe der Liga in dieser Weise hervortat. Diese Verkleidung heißt aber das Geschlecht verleugnen. Abgesehen davon, daß es weder schön noch kleidsam ist, ist es nicht erlaubt und bringt mehr Nachteil als man denkt. Wie das zu ihrem Schaden jene Jungfrau von Orleans erfuhr, die in dem Prozeß deswegen sehr verlästert wurde und was zum Teil an ihrem Schicksal und ihrem Tode mit schuld war. Deshalb gefällt mir auch eine solche Männerverkleidung durchaus nicht Dagegen lobe ich gern eine Dame, die in Not und Gefahr ihren Mut durch schöne weibliche Handlungen bekundet, die sich dem männlichen Mut nähern. Die Beispiele von edlen Frauen aus den alten Zeiten von Rom und[280] Sparta übergehe ich und will nur einige aus unsern neueren Zeiten anführen.

Als erstes und eins der schönsten, die ich kenne, das der mutigen Frauen von Siena bei dem Aufstand der Stadt gegen das unerträgliche Joch der Kaiserlichen. Nachdem der Befehl hierzu für die Garde gegeben worden war, wollten die Frauen, die man als nicht kriegsfähig betrachtete, beweisen, daß sie noch mehr leisten könnten als ihre gewöhnlichen Verrichtungen für den Tag und die Nacht. Deshalb teilten sie sich in drei Scharen, und am Sankt-Antonstag im Monat Januar erschienen drei der vornehmsten und schönsten dieser Frauen öffentlich auf dem großen Platz mit ihren Tambouren und Fahnen.

Die erste war die Signora Forteguerra: sie und ihre Schar violett gekleidet; von derselben Farbe ihre Fahne, die den Wahlspruch: Pur che sia il vero zeigte. Alle diese Frauen trugen kurze Nymphengewänder, die ihre schönen Beine frei ließen. Die zweite war die Signora Piccolomini: sie und ihre Schar rosenrot gekleidet; die Fahne, von ebensolcher Farbe, trug ein weißes Kreuz und die Aufschrift: Pur che no l'habbia tutto. Die dritte war die Signora Livia Fausta; sie und ihre Schar weiß, die Fahne ebenfalls und mit einer Palme und der Devise: Pur che l'habbia geschmückt.

Im Gefolge dieser Damen, die wie Göttinnen erschienen, waren an dreitausend Frauen, Edeldamen, Bürgerinnen und andre, die in ihren bunten Gewändern aus Atlas, Taffet, Damast und Seide einen prächtigen Anblick boten. Alle waren bereit, für die Freiheit zu leben und zu sterben und ließen den Ruf ertönen: »Es lebe Frankreich!« Jede trug eine Faschine über der Schulter, zum Bau der Befestigung. Der Herr Kardinal von Ferrara und Herr de Termes, Offiziere des Königs, waren so hingerissen von diesem entzückenden Schauspiel, daß sie nichts weiter taten, als diese schönen Frauen anzustaunen, zu preisen und zu bewundern.[281]

Die Männer, die ganz für ihre Freiheit begeistert waren, wurden hierdurch nur noch mehr entflammt und wollten den Frauen nicht nachstehen. Alle Edelleute, Herren, Bürger, Kaufleute, Handwerker, Reiche und Arme strömten daher nach den Befestigungswerken, um gemeinsam mit diesen edlen Frauen daran zu arbeiten. Ja, nicht nur die Weltlichen, sogar die Männer der Kirche fehlten nicht Bei der Rückkehr von dem Fort zogen die Männer für sich und die Frauen ebenfalls in Gefechtsordnung nach dem Platz vor dem Palast der Signoria, und einer nach dem andern, Hand in Hand, huldigte dem Bildnis der Jungfrau Maria, der Schutzheiligen der Stadt. Hymnen ertönten zu ihren Ehren in so süßen und herrlichen Klängen, daß das ergriffene Volk in Tränen ausbrach. Nachdem Seine Hochwürden der Herr Kardinal von Ferrara den Segen gesprochen, begaben sich alle nach Hause, mit dem festen Entschluß, in Zukunft noch Besseres zu leisten.

Diese fromme Zeremonie der Frauen erinnert mich (ohne einen Vergleich ziehen zu wollen) an eine profane, wenn auch ebenfalls schöne, die in Rom zur Zeit des Punischen Krieges stattfand, wie Titus Livius berichtet. Es war eine Prozession von drei mal neun, also siebenundzwanzig schönen jungen Römerinnen, alles Jungfrauen, in ziemlich kurzen Kleidern (die Geschichte nennt die Farben nicht). Nach vollendetem Umzug hielten sie auf einem Platze an und führten vor dem Volke einen Tanz auf, wobei sie eine hinter der andern eine Schnur anfaßten und dazu sangen, was einen hübschen Anblick geboten haben mag.

Ich kann mir diese Art Tanz vorstellen, denn ich erinnere mich, in meiner Jugend einen Tanz von jungen Mädchen meiner Heimat gesehen zu haben, der »la jarretière« hieß. Sie reichten einander das Band zu, schwangen es über dem Kopf hin und her, schlangen es um die Beine,[282] lösten es wieder, sprangen darüber und führten alle diese hübschen Bewegungen nach dem Takt des Gesanges und des begleitenden Instrumentes aus. Diese Sprünge, Verschlingungen und Auflösungen, die Handhabung des Strumpfbandes und die ganze Grazie der jungen Mädchen hatten etwas so sinnlich Bestrickendes, daß ich mich wundere, warum dieser Tanz nicht auch heute noch an unsern Höfen geübt wird. Denn die Beinkleider und eine schöne Wade kommen dabei wundervoll zur Geltung. Von diesem Tanz kann man durch die Anschauung einen bessern Begriff bekommen als durch Beschreibung.

Doch kehren wir zu unsern Sienesischen Damen zurück. O! ihr schönen und tapferen Frauen, ihr hättet niemals sterben sollen, sowenig wie euer Ruhm, der unsterblich ist; ebensowenig auch wie jene schöne und edle Tochter eurer Stadt, die bei der Belagerung eines Abends ihren Bruder krank im Bette und unfähig auf die Wache zu ziehen fand. Da ließ sie ihn ruhen, nahm seine Kleidung und seine Waffen und erschien als das wahre Ebenbild ihres Bruders auf dem Posten. Dank der Dunkelheit der Nacht wurde sie nicht erkannt und für ihren Bruder gehalten. Das war gewiß ein schöner Zug, zumal sie sich nicht als Mann verkleidet hatte, um eine Gewohnheit daraus zu machen, sondern um ihrem Bruder einen Dienst zu leisten. Man sagt ja auch, daß nichts der Geschwisterliebe gleicht, und um einer guten Sache willen soll man den Adel seines Herzens zeigen, an welchem Orte es auch sei.

Sicher kann man die Tat dieses Mädchens für ihren Bruder nicht hoch genug loben. Ähnlich handelte jener edle Richardet, aber aus andern Gründen. Eines Abends hörte er seine Schwester Bradamante die Schönheit jener Prinzessin von Spanien preisen und von ihrer hoffnungslosen Liebe sprechen. Als sie eingeschlafen war, nahm er ihre Waffen und ihr Gewand und verkleidete sich in seine Schwester, was er um so mehr konnte, als er ihr nach Antlitz und Schönheit sehr ähnelte. In dieser Gestalt nahm[283] er von der Prinzessin, was seiner Schwester wegen ihres Geschlechtes versagt gewesen. Das wäre jedoch schlimm für ihn abgelaufen, wenn ihn Rogert, der ihn für seine Geliebte Bradamante hielt, nicht vor dem Tode beschützt hätte.

Ich hörte von Herrn La Chapelle des Ursins, der damals in Italien war und der dem seligen König Heinrich die hochherzige Tat jener Frauen von Siena erzählte, daß dieser gerührt und mit Tränen in den Augen gelobt: wenn Gott ihn einst mit dem Kaiser Frieden schließen ließe, so wolle er mit seinen Galeeren nach Toscana und von dort nach Siena gehen, um der Stadt seinen Dank zu sagen, die sich ihm und seiner Partei so anhänglich erwiesen, den schönen heldenmütigen Frauen aber wolle er seinen ganz besondern Dank abstatten.

Ich glaube, er hätte es auch sicher getan, denn er verehrte die schönen und achtenswerten Damen hoch; den drei Anführerinnen schrieb er übrigens Briefe voll der wärmsten Anerkennung.

Aber leider trat bald darauf der Waffenstillstand ein, vorher jedoch wurde die Stadt genommen, wie ich anderwärts schon erwähnte. Das war ein unschätzbarer Verlust für Frankreich, eine so teure, edle Bundesgenossin einzubüßen, die sich, ihres alten Ursprungs eingedenk, mit uns verbinden wollte. Denn man sagt, daß die wackern Sienesen von den Völkern Frankreichs abstammen, die im einstigen Gallien Semnonen hießen. Unser heutiges Sens deutet noch darauf hin. Die Sienesen ähneln auch im Charakter sehr uns Franzosen: sie geraten leicht in Zorn, sind lebhaft, rasch und schlagfertig wie wir. Ebenso besitzen die Frauen ganz die französische Grazie und Leutseligkeit.

Ich habe in einer anderswo zitierten Chronik gelesen, daß König Karl der Achte auf seiner Reise nach Neapel durch Siena kam und dort so prachtvoll empfangen wurde, daß dieser Einzug alle andern übertraf, die er jemals in ganz Italien gemacht hatte. Man hatte sogar zum Zeichen[284] der tiefsten Ehrfurcht alle Tore der Stadt aus ihren Angeln gehoben und auf die Erde gelegt; während seines Aufenthalts blieben sie allen Kommenden und Gehenden geöffnet und wurden erst nach seiner Abreise wieder eingehoben.

Man begreift, daß der König und sein Hof und Heer volle Ursache hatten, diese Stadt zu lieben und zu ehren. Auch war sein Aufenthalt für ihn und alle sehr angenehm, und es war auf das strengste verboten, irgend eine Ungezogenheit zu begehen, was auch nicht im mindesten vorgekommen ist. Ja, ihr braven Sienesen, ihr sollt leben! Wollte Gott, ihr wäret noch die Unsern, wie ihr es wäret, und im Grund eures Herzens wohl auch noch heute seid! Denn die Herrschaft eines Königs von Frankreich ist sanfter als die eines Herzogs von Florenz, – und dann, die Stimme des Blutes kann sich nicht verleugnen. Ja, wenn wir so benachbart wären, wie wir voneinander entfernt sind, dann würden wir sicher ein Herz und eine Seele sein.

Die hervorragendsten Damen Pavias halfen ebenfalls, während der Belagerung durch König Franz, unter der Leitung und dem Beispiel der Frau Gräfin Hippolita de Malespina bei dem Bau der Befestigungswerke.

Eine ähnliche Tat, wie die der Frauen von Siena, sah ich bei der Belagerung von La Rochelle die Frauen dieser Stadt vollbringen. Ich erinnere mich, daß am ersten Fastensonntag, wo die Belagerung stattfand, unser Herr General den Herrn De la Noue auffordern ließ, zu ihm zu kommen und ihm von den Unterhandlungen mit der Stadt Rechenschaft abzulegen. Die Auseinandersetzung darüber, die lang und sehr seltsam war, gedenke ich wo anders zu beschreiben. Herr De la Noue erschien also, und Herr d'Estrozze wurde dafür als Geisel in die Stadt gesandt, und für diesen und den nächsten Tag ruhten die Waffen.

Gleich nach verkündetem Waffenstillstand erschienen außerhalb der Laufgräben zahlreiche Stadtleute auf den Wällen und Mauern, vor allen aber etwa hundert vornehme Damen und reiche und schöne Bürgerinnen, alle von Kopf[285] bis zu Fuß in weiße holländische Leinwand gekleidet In dieser Kleidung hatten sie bei dem Bau der Befestigungen geholfen, hatten Schanzkörbe herzugetragen und Erde weggeschaufelt. Andre Kleider würden bei der Arbeit verdorben worden sein, aber die weißen konnten gewaschen werden. Auch dienten sie als gutes Merkmal zur Unterscheidung von den andern. Wir waren ganz entzückt von dem Anblick dieser schönen Frauen.

Nun waren wir neugierig zu erfahren, wer diese Damen seien. Man sagte uns, es sei eine Schar, die sich durch ein Gelöbnis zusammengetan, der Stadt den erwähnten Dienst zu leisten. Ja, einige besonders starke führten sogar Waffen, und von einer wurde erzählt, daß sie mehrmals den Feind mit einer Pique zurückgeschlagen und diese Waffe noch als eine heilige Reliquie bewahre, die sie um keinen Preis hergeben würde.

Ich hörte von einigen alten Befehlshabern von Rhodos und las auch in einem alten Buche, daß bei der Belagerung von Rhodos durch den Sultan Solimann die schönen Frauen und Mädchen der Stadt nicht ihr hübsches Gesicht und ihren zarten Körper schonten, um einen großen Teil der Mühen und Arbeiten der Belagerung auf sich zu nehmen. Ja, oft genug setzten sie sich dem gefährlichsten Ansturm aus und standen den Rittern und Soldaten mutig bei. O, ihr schönen Frauen von Rhodos, euer ruhmvoller Name hat zu allen Zeiten gegolten, und ihr verdientet es wahrlich nicht, unter der Herrschaft der Barbaren zu stehen!

Zur Zeit Königs Franz I. wurde die Stadt Saint-Riquier in der Pikardie von einem flämischen Edelmann Namens Domrin, dem Fähnrich des Herrn Du Ru, belagert. Er rückte mit hundert Fußsoldaten und zweitausend Reitern, sowie einiger Artillerie an. In der Stadt befand sich nur die kleine Zahl von hundert Mann, und sie wäre genommen worden, wenn nicht die Frauen der Stadt auf den Mauern erschienen wären und mit Waffen und Steinen, kochendem Wasser und heißem Öl den Feind mutig zurückgetrieben[286] hätten. Zwei dieser Frauen entrissen sogar zwei Fahnen den Feindeshänden und zogen sie von der Mauer aus in die Stadt, so daß die Belagerer gezwungen waren, die geschlagene Bresche aufzugeben und abzuziehen. Dies Ereignis wurde berühmt durch ganz Frankreich, Flandern und Burgund. Nach einiger Zeit kam König Franz nach dieser Stadt und sprach den Frauen seine dankbare Anerkennung aus.

Die Frauen von Péronne handelten ebenso, als die Stadt vom Grafen von Nassau belagert wurde, und standen den tapfern Soldaten in derselben Weise bei, wofür sie vom Könige hoch geachtet und belobt wurden.

Die Frauen von Sancerre erwarben ebenfalls Ruhm wegen ihrer Heldentaten während der Belagerung in den Bürgerkriegen.

Auch die Frauen von Vitré zeigten sich im Kriege der Liga bei der Belagerung der Stadt durch Herrn de Mercueur heldenmütig. Zu allen Zeiten waren die Frauen dort sehr schön und trugen feine Gewandung; aber sie schonten nicht ihre Schönheit, und betätigten einen männlichen Mut. Sicher sind edle und männliche Handlungen zu einem guten Zweck ebenso achtenswert bei Frauen wie bei Männern.

Von gleicher Art waren einst die edlen Frauen von Karthago. Bei der Belagerung sahen sie, daß ihre Gatten, Brüder, Väter, Verwandte, kurz die Kämpfenden aus Mangel an Bogensehnen zu schießen aufhörten; denn wegen der langen Dauer der Belagerung waren sie abgenutzt und es war auch weder Hanf, Leinen noch Seide mehr vorhanden, um Sehnen daraus zu fertigen; da schnitten die Frauen ihre schönen blonden Haare ab und drehten daraus mit ihren eignen zarten Händen Bogensehnen. Man kann sich denken, wie mutig und begeistert die Kämpfer nun ihre Bogen spannten.

Wir lesen in der Geschichte Neapels, daß der große Feldherr Sforza, unter dem Befehle der Königin Johanna II., von Johann, dem Gemahl der Königin ergriffen und ins Gefängnis geworfen wurde. Sicher hätte es seinen Kopf[287] gekostet, wenn seine Schwester Margarethe nicht die Waffen ergriffen und sich in die Schlacht begeben hätte. Sie allein nahm vier der ersten neapolitanischen Edelleute gefangen und ließ dem König sagen, sie würde mit diesen seinen Leuten gerade so verfahren, wie er mit ihrem Bruder verfahren würde. So war er gezwungen, nachzugeben und ihn ungefährdet frei zu lassen. Das war ein tapfres, edles Frauenherz!

Wenden wir uns jetzt von den kriegerischen und edlen Frauen im allgemeinen zu einigen besonderen. Das Altertum bietet das schönste Beispiel in jener Zenobia, die nach dem Tode ihres Gatten sich nicht wie manche andre einer untätigen Trauer hingab, sondern sich im Namen ihrer Kinder des Reiches bemächtigte und den damaligen römischen Kaiser Aurelian mit Krieg überzog. Acht Jahre lang beunruhigte sie die Römer, bis sie endlich, zum Kampf gegen ihn auf dem Schlachtfeld erschienen, gefangen genommen und vor den König geführt wurde. Als dieser sie fragte, woher sie den Mut genommen, mit einem Kaiser zu kämpfen, entgegnete sie: »Wahrlich! jetzt erkenne ich, daß du ein Kaiser bist, denn es ist dir gelungen, mich zu besiegen.« Aurelian war so stolz auf diesen Sieg, daß er Zenobia im Triumph aufführen wollte. Mit großem Pomp schritt sie vor seinem Triumphwagen her, prachtvoll gekleidet und mit Perlen und Edelsteinen geschmückt; ihr Leib, sowie Hände und Füße waren zum Zeichen ihrer Gefangenschaft mit goldenen Ketten umwunden. Wegen der Last der Edelsteine und Ketten, die sie trug, mußte sie auf ihrem Wege öfter ausruhend stehen bleiben. Wahrlich, ein eigener Fall, daß sie, die Gefangene, dem triumphierenden Sieger Gesetze gab und ihn warten ließ, bis sie Atem geschöpft. Und wie höflich war der Kaiser, ihr dies zu erlauben, statt sie zum Weitergehen zu zwingen. Man weiß nicht, ob man mehr diese Ritterlichkeit des Kaisers oder den großartigen Anstand der Königin bewundern soll. In der Tat erwarb sie sich Bewunderung bei Männern und Frauen.[288] Von den letzteren hätte wohl manche gern ihrem herrlichen Bilde gleichen mögen; denn die Schriftsteller schildern sie als sehr schön. Sie war von hoher Gestalt, edler Haltung und besaß Anmut und Majestät. Ihre Augen waren schwarz und leuchtend, ihre Zähne weiß. Sie war lebhaften Geistes und konnte je nach Bedürfnis bescheiden, aufrichtig und gnädig sein. Sie sprach mit schöner und klarer Stimme und teilte oft dem Heere ihre Wünsche und Entschlüsse in längeren Reden mit.

Ich wundere mich, daß Aurelian die Zenobia, da sie doch so schön war, nicht zur Geliebten genommen oder daß sie nicht, mit seiner oder des Senats Erlaubnis, ein Haus der Liebe eröffnet hat, wie Flora. Dahin wären gewiß alle vornehmen Männer Roms geströmt, denn einen höheren Genuß kann es wohl nicht geben, als eine schöne und berühmte Königin in den Armen zu haben. Auf diese Weise hätte Zenobia große Reichtümer gesammelt, ebenso wie Flora, die auch nur die Großen bei sich empfing. Sie hätte in Pracht und Herrlichkeit leben können, statt daß sie in das tiefste Elend versank und ein armseliges Leben durch Webarbeiten unter gewöhnlichen Frauen fristen mußte. Dabei hätte sie Hungers sterben können, wenn der Senat nicht, eingedenk ihrer früheren Größe, Mitleid mit ihr empfunden und ihr eine Pension sowie einen kleinen Landsitz zugewiesen hätte. Dieser Besitz hieß noch lange die »zenobianischen Landgüter«. Die Armut ist ja ein großes Übel, und wenn man sie auf irgend eine Weise vermeiden kann, so tut man wohl daran; so sagte mir jemand, den ich kenne.

So konnte Zenobia ihren hohen Mut nicht bis an das Ende ihrer Laufbahn bewahren, wie sie es hätte tun sollen;[289] denn man muß ihn in allen Handlungen behaupten. Es heißt, sie habe den prachtvollsten Triumphwagen bauen lassen, den man jemals zu Rom gesehen, worauf sie, wie sie zur Zeit ihrer Macht und Herrlichkeit oftmals sagte, in Rom einziehen wollte; denn es war ihr größter Stolz, das römische Reich zu unterwerfen. Aber das Blatt sollte sich wenden! Denn der Kaiser stand auf dem Triumphwagen, und sie ging zu Fuß als Gefangene. Freilich ist der Sieg über ein Weib, in welcher Form er auch sei, wenig ruhmreich und erhaben.

Ebenso wünschte Augustus über Kleopatra zu triumphieren, aber er hatte kein Glück damit. Sie beugte dem rechtzeitig vor, und zwar in derselben Weise, wie Paulus Ämilius es dem Perseus riet. Dieser, als sein Gefangener, bat den Ämilius um Mitleid und erhielt zur Antwort: er hätte diesem Schicksal zuvorkommen können, wenn er sich selbst den Tod gegeben hätte.

Ich hörte erzählen, daß König Heinrich II. keinen größeren Wunsch hegte, als die Königin von Ungarn gefangen zu nehmen, nicht um sie unwürdig zu behandeln – obwohl sie ihm durch ihre Brandstiftung Grund genug dazu gegeben hatte – sondern um des Ruhmes willen, diese große Königin gefangen zu halten, ihr Benehmen in der Gefangenschaft zu beobachten und zu sehen, ob sie sich nun ebenso stolz und tapfer gebärden würde wie in der Mitte ihrer Soldaten. Denn es gibt ja auch nichts Herrlicheres als eine schöne, mutige und berühmte Frau zu sehen, wie diese es war. Es gereichte ihr zum Stolz, daß die spanischen Soldaten, • die ihren Bruder den Kaiser el padre de los soldados nannten, ihr den Namen la madre gaben. Ebenso wurde Vittoria oder Vittorina einst zu den Zeiten der Römer bei ihrem Heer »die Mutter des Feldlagers« genannt Sicher, wenn eine große und schöne Frau eine führende Stelle im[290] Kriege übernimmt, so dient sie damit der Sache wesentlich und nährt die Begeisterung der Leute. So sah ich die Königin-Mutter oft bei unsern Heeren erscheinen und den Mut der Truppen beleben, wie es noch heute ihre Enkelin, die Infantin, in Flandern tut, die ihrem Heere vorsteht und, wie alle sagen, durch ihre entzückende Gegenwart das Land erhält. Die Königin von Ungarn, ihre Großtante, hat sie niemals an Schönheit, Mut und Adel übertroffen.

In der Geschichte von Frankreich lesen wir von dem großen Einfluß, den die Gegenwart jener edlen Gräfin von Montfort ausübte, die in Annebon belagert wurde. Denn so tapfer auch ihre Soldaten waren und so manchen Sturm sie zurückgeschlagen, begann ihnen doch das Herz zu sinken und sie wollten sich bereits ergeben; sie aber ermutigte sie durch eine schöne Ansprache, so daß sie die Hilfe abwarteten, die denn auch zur rechten Zeit eintraf und zur Aufhebung der Belagerung führte. Ja, sie tat noch mehr. Während ihre Feinde mit der Erstürmung beschäftigt waren und alle die Zelte verlassen hatten, bestieg sie ein gutes Pferd und machte mit fünfzig Reitern einen Ausfall, schlug Alarm und steckte das Lager in Brand. Das bewirkte, daß Karl von Blois, der sich verraten glaubte, sofort den Sturm aufgab. – Zu diesem Thema möchte ich noch die folgende kleine Geschichte erzählen:

Während der letzten Kämpfe der Liga sandte der kürzlich verstorbene Prinz von Condé, der sich damals zu Saint-Jean befand, an Madame de Bourdeille, eine sehr schöne Witwe von vierzig Jahren, die Aufforderung, ihm sechs oder sieben der reichsten Leute ihres Landbesitzes zu schicken, die sich zu ihr auf ihr Schloß Mathas zurückgezogen hatten. Sie lehnte es rundweg ab mit dem Bemerken, sie werde niemals jene armen Leute ausliefern, die sich ihrem Schutze vertraut hatten. Der Prinz ließ ihr als letztes Wort sagen: wenn sie die Leute nicht schicken würde, so wolle er sie Gehorsam lehren. Sie entgegnete (ich weiß es, denn ich befand mich[291] zu ihrer Hilfe bei ihr): da er nicht zu gehorchen verstände, so finde sie es sonderbar, daß er andre Gehorsam lehren wolle, und nur wenn er seinem Könige gehorche, wolle sie ihm gehorchen. Übrigens fürchte sie seine Drohungen nicht, und weder seine Kanonen noch seine Belagerungstruppen könnten sie einschüchtern. Sie stamme von der Gräfin von Montfort ab, von der sie nicht nur diesen Platz, sondern auch die mutige Seele geerbt habe. Sie sei entschlossen, den Platz zu behaupten, so daß er nicht in seine Hände kommen solle, und sie werde hier ebenso handeln, wie einst ihre Großmutter, jene Gräfin, in Annebon. – Der Prinz dachte lange über diese Antwort nach und zögerte mehrere Tage sie weiter zu bedrohen. Indessen, wenn er nicht gestorben wäre, so würde er sie dennoch belagert haben; sie hatte sich aber durch Mut, Entschlossenheit, sowie durch wackere Leute so gut auf seinen Empfang vorbereitet, daß ich glaube, er wäre mit Schanden abgezogen.

Macchiavelli erzählte in seinem Buche »Vom Kriege«, daß Katharine, Gräfin von Furly, in ihrer Stadt durch Cesare Borgia belagert wurde, der von dem französischen Heere unterstützt wurde; Sie leistete ihm tapferen Widerstand, endlich aber wurde die Stadt doch genommen. Die Ursache war, daß dieser Platz so reich an befestigten Stellen war, daß man sich von einem Ort in den andern zurückziehen konnte. Als nun Cesare anrückte, verließ der Herr Johann von Casala (den die genannte Gräfin zum Beistand genommen hatte), die Bresche, um sich in seine Forts zurückzuziehen. Infolge dieses Fehlers wendete sich Borgia gegen die Stadt und eroberte sie. Diese Fehler, sagt der Autor, schädigten den edlen Mut und den Ruf jener tapfern Gräfin, die eine Armee erwartet hatte, die der König von Neapel und der Herzog von Mailand nicht zu erwarten gewagt hatten. Trotz dieses unglücklichen Verlaufs trug sie doch die Ehre davon, die ihre Tugend verdiente, und viele Gedichte wurden damals zu ihrem Preise in Italien verfaßt. Diese Stelle verdiente von denen gelesen zu werden, die[292] sich mit der Befestigung von Plätzen befassen und darin viele Forts, Schlösser, Türme und Zitadellen anlegen.

Um zu unserm Thema zurückzukehren: es gab bei uns in Frankreich in früheren Zeiten viele Fürstinnen und große Damen, die schöne Zeichen von Heldenmut abgelegt haben. Zum Beispiel Paula, die Tochter des Grafen von Panthièvre, die in Roye durch den Grafen von Charoullois belagert wurde. Sie zeigte sich dabei so tapfer, daß der Graf sie nach der Einnahme der Stadt sehr ehrenvoll behandelte und ihr ein sicheres Geleite nach Compiègne gab mit dem ausdrücklichen Befehl, daß ihr kein Leid geschehe. Er ehrte sie sehr ihrer großen Tugend wegen, trotzdem er gegen ihren Gatten Groll hegte, den er beschuldigte, ihm mit Zauberkünsten nach dem Leben getrachtet zu haben.

Richilde, die einzige Tochter und Erbin von Monts und Hainault, Gemahlin Baudouins des Sechsten, Grafen von Flandern, wendete alle Mittel an, ihrem Stiefbruder Robert le Frizon, dem für die Kinder Flanderns eingesetzten Vormund, die Verwaltung zu entreißen und sich anzueignen. In dieser Absicht lieferte sie ihm, unter dem Beistand Königs Philipp von Frankreich, zwei Schlachten. In der ersten wurde sie gefangen genommen, ebenso ihr Feind Robert; nachher wurden sie im Austausch zurückgegeben. Nun lieferte sie ihm die zweite Schlacht, die sie verlor; auch ihren Sohn Arnulph verlor sie in dieser Schlacht, und sie wurde bis nach Monts verjagt.

Ysabel von Frankreich, die Tochter Königs Philipp des Schönen und Gemahlin Königs Eduard II., Herzogs von Guyenne, stand bei ihrem Gemahl dem König in Ungnade, und zwar infolge böser Nachreden seitens Hue le Despencier; sie war deshalb gezwungen, sich mit ihrem Sohne Eduard nach Frankreich zurückzuziehen. Dann kehrte sie mit dem Ritter de Hainaut, ihrem Verwandten, und einem Heer nach[293] England zurück, mit Hilfe dessen sie ihren Gatten gefangen nahm. Ihn lieferte sie in die Hände derjenigen, mit denen er seine Tage enden sollte. Ihr selbst aber widerfuhr das Schicksal, daß sie wegen einer Liebschaft mit einem Herrn von Mortem er von ihrem Sohn in ein Schloß eingesperrt wurde, um dort ihre Tage zu beenden. Sie hat den Engländern Veranlassung gegeben, auf Frankreich ungerechterweise zu zürnen. Aber das war eine große Undankbarkeit seitens eines Sohnes, der, uneingedenk einer großen Wohltat, seine Mutter wegen eines so geringen Vergehens so unwürdig behandelte. Gering nenne ich es, da es natürlich ist und wohl leicht begreiflich, da sie es gewohnt war, so viel unter Kriegsleuten zu verkehren. Warum sollte sie, die so oft mit Männern im Kriegszelte zusammen war, nicht auch einmal mit einem Manne im Alkoven zusammen sein? Ich erinnere an unsre Königin Leonore, Herzogin von Guyenne, die ihren Gemahl über das Meer und in den heiligen Krieg begleitete. Infolge des vielen Verkehrs mit den Soldaten vergab sie sich viel von ihrer Ehre, bis sie sogar mit den Sarazenen zu tun hatte. Um deswillen wurde sie vom König verstoßen, was einen Verlust für uns bedeutete. Vielleicht wollte sie erproben, ob ihre guten Kameraden ebenso wackere Helden auf dem Liebeslager seien, wie auf dem Schlachtfelde, und vielleicht liebte sie eben gerade die tapfren Leute. Denn eine Tapferkeit zieht die andre an, ebenso wie eine Tugend die andre.

Jene Königin Leonore war nicht die einzige, die ihren Gemahl und König in den heiligen Krieg begleitete. Vor, mit und nach ihr zogen manche Prinzessinnen und große Damen mit ihren Gatten in den Kreuzzug, und unter dem Vorwand, das heilige Grab zu besuchen, gaben sie sich mitten unter den Waffen nach Herzenslust der Liebe hin. Denn, wie ich schon sagte, die Waffen und die Liebe gehen gern zusammen.

Solche Frauen verdienen ja auch noch Achtung, da sie die Männer lieben und mit ihnen verkehren, wogegen einst[294] die Amazonen, obwohl sie sich Töchter des Mars nannten, sich ihrer Gatten entledigten, weil sie die Ehe als eine wahre Sklaverei betrachteten. Dagegen verschmähten sie es durchaus nicht, sich mit andern Männern einzulassen, um Töchter zu erzeugen, während sie die Kinder männlichen Geschlechts töteten.

Ja, Nauclerus berichtet in seiner »Kosmographie«, daß im Jahre Christi 1123 nach dem Tode der Libussa, Königin von Böhmen, die die Stadt Prag mit Mauern umgab und die Herrschaft der Männer verabscheute, eine ihrer Hofdamen, Namens Valasca, großen Mut zeigte. Sie schilderte den Mädchen und Frauen des Landes die Freiheit von dem Joch der Männer in so lebhaften Farben, und überredete sie so eindringlich, daß alle zum Männermord schritten: Gatten, Brüder, Verwandte und Nachbarn wurden getötet; dann ergriffen sie die Waffen der Männer und erwiesen sich als so mutige und verwegene Amazonen, daß sie mehrere Siege erfochten. Später aber wurden sie durch die Listen des Primislaus, des Gatten der Libussa, der aus niedrem Stande hervorgegangen war, geschlagen und dem Tode überliefert. Das war ein Strafgericht Gottes für den Frevel, die Fortpflanzung des Menschengeschlechts hemmen zu wollen.

Jene Frauen hätten ihren Mut lieber durch schöne, mannesmutige Handlungen als durch solche Grausamkeiten betätigen sollen; wie wir das bei manchen Kaiserinnen, Königinnen, Prinzessinnen und großen Damen sahen, von deren edlen Taten in der Leitung ihres Staats die Geschichte viel zu erzählen weiß. Denn der Ehrgeiz wohnt so gut in der Seele des Weibes wie in der des Mannes.

Eine Frau will ich nennen, die nicht so sehr vom Ehrgeiz ergriffen war, nämlich Vittoria Colonna, die Gattin des Marchese von Pescara. Von ihr las ich in einem spanischen Buche folgendes: Als der Marchese von dem schönen Angebot des Königreichs Neapel hörte, das Hieronymus Mouron ihm seitens des Papstes stellte, wenn er mit ihm in ein Bündnis treten wollte, teilte er es ihr mit; denn er verheimlichte[295] ihr nichts von seinen privatesten Angelegenheiten, weder kleinen noch großen. Da schrieb sie ihm (denn sie war sehr redegewandt): er möge sich doch auf seinen Wert und seine Tugend besinnen, wodurch er sich einen so hohen Ruf erworben, daß er den Ruhm der größten Könige der Erde übertreffe: non con grandeza de los reynos, de Estados ny de hermosos titulos, sino con fé illustre y clara virtud, so alcançava la honra, la qual con loor siempre vivo, legava à los descendientes; y que no havia ningun grado tan alto que no fuese vencido de una trahicion y mala fé. Que por esto, ningun deseo tenia de ser muger de rey, queriendo antes ser muger de tal capitan, que no solamente en guerra con valorosa mano, mos en paz con gran honra de animo no vencido, havia sabido vencer reyes, y grandisimos principes, y capitanes, y darlos a triunfos, y imperiarlos; das heißt: »Nicht durch die Größe der Königreiche, Staaten und Titel, sondern durch treuen Glauben und reine Tugend erwarb man die Ehre, die mit einem stets lebendigen Ruhm unserm Geschlecht zuteil ward. Und es gab keinen so hohen Grad, der nicht durch Verrat und Treulosigkeit erworben worden wäre. Deshalb hege sie keinen Wunsch, die Frau eines Königs zu sein, sondern die Gattin eines solchen Feldherrn, der nicht nur im Kriege mit mutiger Hand, sondern auch im Frieden mit der großen Ehre eines nicht besiegten Geistes es verstanden hatte, die Könige, die großen Fürsten und Feldherren zu besiegen, über sie zu triumphieren und sie zu beherrschen.« Die Worte dieser Frau zeugen von Mut, Tugend und Wahrheit; denn es ist in der Tat häßlich, durch das Laster zu herrschen; erhaben aber ist es, den Königen und Fürsten durch die Tugend zu gebieten.

Fulvia, die Gattin des P. Claudius und zweite Gemahlin des Marcus-Antonius, fand keinen Gefallen an der Führung ihres Hausstandes, sondern beschäftigte sich so erfolgreich mit den Angelegenheiten des Staates, daß sie den Ruf erwarb, den Kaisern zu gebieten. Auch Kleopatra wußte ihr[296] Dank dafür, daß sie Marc-Anton gelehrt hatte, zu gehorchen und sich den Gesetzen der Unterwerfung zu beugen.

Von dem großen französischen Fürsten Karl Martell lesen wir, daß er den Titel eines Königs nicht selbst tragen wollte, was in seiner Macht gestanden hätte, sondern daß es ihm mehr zusagte, die Könige zu regieren und ihnen zu gebieten.

Sprechen wir jetzt von einigen unsrer Damen. Zur Zeit der Kriege der Liga war Madame von Montpensier, die Schwester des verstorbenen Herrn von Guise, eine große Staatsmännin, die sowohl durch ihre geistigen wie körperlichen Leistungen ihr gutes Teil zum Zustandekommen jener Liga beigetragen hat. Als sie einst, nach Vollendung dieser Tat, beim Kartenspiel saß (sie liebte sehr das sog. »Prime«-spiel) und man ihr sagte, sie mische die Karten gut, sagte sie in Gegenwart vieler Leute: »Ich habe sie so gut gemischt, daß sie nicht wieder voneinander gesondert werden können.« Leider aber wurden ihre Angehörigen in diesen Kämpfen getötet. Sie aber, ohne einem solchen Verlust gegenüber den Mut zu verlieren, unternahm es, sie zu rächen. Nachdem sie die Kunde davon zu Paris vernommen, verließ sie, statt wie andre sich, der Trauer hingegeben, in ihrem Zimmer einzuschließen, mit den Kindern ihres Bruders ihre Wohnung, nahm sie bei der Hand und führte sie durch die Stadt, wobei sie das Volk durch Klagen und Tränen zum Mitleid rührte und es durch Worte zum Ergreifen der Waffen hinriß. Die Wut des Volkes war entfesselt und schonte weder das Haus noch das Bild des Königs (worüber ich in seiner Lebensbeschreibung zu reden gedenke). Sie forderte das Volk auf, dem König die Treue zu verweigern und sich gegen ihn zu empören, was dann auch seinen Tod zur Folge hatte. Wir wissen daher, wer an seiner Ermordung schuld war. Sicherlich konnte das Herz einer Schwester den Verlust solcher Brüder nicht verschmerzen, und sie mußte ihren Mord rächen.

Ich hörte, daß sie, nachdem sie zu Paris den Volksaufstand erregt, zum Fürsten zu Parma reiste, um seine[297] Hilfe bei dem Rachewerk zu gewinnen. Unterwegs auf der langen Reise blieben die erschöpften Pferde ihres Wagens mitten in der Pikardie im Schlamm stecken und konnten weder vor- noch rückwärts. Zufällig kam ein Edelmann dieses Landes vorüber, der zu den Reformierten gehörte und der sie, trotz ihrer Verkleidung und ihres Incognitos, erkannte. Er ließ alles aus den Augen, was sie Feindseliges gegen seine Glaubensgenossen verübt hatte, und sagte voll ritterlicher Höflichkeit zu ihr: »Madame, ich er: kenne Sie wohl und begrüße Sie. Ich sehe, Sie befinden sich in übler Lage und bitte Sie, in mein Haus zu kommen, das hier in der Nähe ist, damit Sie sich trocknen und ausruhen können. Ich werde tun, was ich vermag, um es Ihnen bequem zu machen. Fürchten Sie nichts; denn obgleich ich ein Reformierter bin und Sie die Unsrigen hassen, möchte ich doch nicht verfehlen, Ihnen einen Gefallen zu erweisen, dessen Sie bedürftig sind.« Sie nahm das Anerbieten dankbar an, und nachdem sie sich erholt, setzte sie ihren Weg fort. Jener begleitete sie zwei Meilen weit, ohne von ihr das Ziel ihrer Reise zu erfahren. Später im Lauf des Krieges soll sie dem Edelmann, wie ich hörte, zum Dank dafür viele andre Freundlichkeiten erwiesen haben.

Manche haben sich darüber gewundert, daß sie diesem Manne vertraute, da er doch ein Hugenotte war. Aber in der Not entschließt man sich zu vielem, und nach seinen anständigen und offenen Worten durfte sie wohl annehmen, daß er zu einer guten Handlung geneigt war.

Madame de Nemours, ihre Mutter, die nach dem Tode ihrer Kinder gefangen gesetzt wurde, befand sich über einen solchen unersetzlichen Verlust mit Recht in tiefer Verzweiflung. Trotz ihrer sanften und kühlen Natur überhäufte sie den König mit Verwünschungen (und wahrlich, was könnte man nicht in einem solchen Schmerze tun und sagen!); ja, sie nannte den König nie anders als »Tyrann«. Später, zu sich gekommen, sagte sie: »Wie, was sag ich? Tyrann? Nein, nein, ich will ihn nicht mehr so nennen; er[298] ist ein guter und gnädiger König, wenn er mir den Tod gibt wie meinen Kindern, nur damit ich aus diesem Elend erlöst werde und Gott mich zu sich nimmt!« Später mäßigte sie ihre Worte noch mehr und sagte nur: »Ach, meine Kinder! ach, meine Kinder!« Dazu flössen ihre Tränen, die ein Herz von Stein erweichen konnten. Ja, sie hatte wohl recht, diese guten, edlen und tapferen Söhne so tief zu bejammern, worunter jener große Herzog von Guise war, ein wahres Musterbild von Mut und Adel. Sie liebte ihre Kinder so sehr, daß eines Tages eine Hofdame, mit der ich über Madame de Nemours sprach, mir sagte: sie wäre aus verschiedenen Gründen, die sie anführte, eine der glücklichsten Fürstinnen der Welt, wenn sie nicht ihre Kinder gar zu sehr liebte; denn in ihrer übergroßen Liebe lebe sie in beständiger Sorge, daß ihnen etwas Böses zustoßen könne, und diese beständige Unruhe trübe ihr Glück. Nun kann man sich denken, wie tief sie durch den Tod jener zwei Söhne getroffen wurde, und wie sie um den andern, der in Lyon war, bangte, und um Herrn von Nemours, der gefangen saß. Denn um ihre eigene Gefangenschaft kümmerte sie sich nicht, noch auch um ihren eignen Tod, wie ich schon sagte.

Als man sie aus dem Schlosse von Blois entfernte, um sie nach dem von Amboyse, in ein noch engeres Gefängnis überzuführen, hob sie, durch die Tür schreitend, das Haupt zu dem Bildnis des Königs Ludwig XII., ihres Großvaters, empor, das darüber in Stein gemeißelt ist und ihn in schöner kriegerischer Haltung zu Pferde zeigt. Sie blieb einen Augenblick stehen und sagte, das Bild betrachtend, vor vielen Leuten, die dazu gekommen waren, mit ruhiger Würde: »Wenn der dort oben noch am Leben wäre, so würde er nicht zugeben, daß seine Enkelin ins Gefängnis geführt wird und diese Behandlung erfährt.« Dann setzte sie schweigend ihren Weg fort. In ihrer Seele rief sie die Manen ihres edlen Großvaters an, diese Schmach zu rächen; ebenso wie einst einige Verschwörer gegen das[299] Leben Cäsers sich im entscheidenden Augenblick an die Statue des Pompejus wandten und seine einst so tapfere Hand beschworen, die ihre bei dem Todesstoß zu leiten. Möglich, daß die Anrufung jener Fürstin den Tod des Königs herbeiführen wird; denn eine Frau von großer Seele, die ein Rachegefühl hegt, ist sehr zu fürchten.

Ich erinnere mich, daß, als Herr de Guise, ihr verstorbener Gemahl, den Todesstreich empfing, sie einige Tage vorher zu ihm ins Feldlager kam. Als er verwundet nach Hause gebracht wurde, ging sie ihm in Tränen und Verzweiflung bis an die Tür entgegen und rief aus: »Ist es möglich, daß der Elende, der den Streich geführt hat und der ihn dazu anstiftete (sie meinte den Herrn Admiral) unbestraft bleiben? Gott, wenn du gerecht bist, wie du sein sollst, so räche ihn! Sonst ...« Sic vollendete nicht, ihr Gemahl aber nahm das Wort und sagte: »Meine Teure, lästre nicht Gott mit deinen Worten! Wenn er mir dies zur Strafe meiner Fehler gesandt hat, so geschehe sein Wille und er sei gelobt. Kommt aber diese Schickung nicht von ihm, so wird er, bei dem die Rache steht, sie ohne dich vollziehen.« Nachdem er gestorben, verfolgte sie jedoch den Mörder und ließ ihn von vier Pferden zerreißen; auch der von ihr gemutmaßte Anstifter wurde nach einigen Jahren umgebracht, wie ich an anderm Orte zu erzählen gedenke, und zwar nach den Weisungen und Ratschlägen, die sie ihrem Sohn seit seiner frühen Kindheit gab, bis ihre Rache vollendet war.

Der Rat und die Aufmunterung edler Frauen und Mütter vermag in solchen Dingen viel. So erinnere ich mich, daß, als König Karl IX. auf einer Reise durch seine Staaten in Bordeaux war, der Baron Bournazel, ein sehr tapferer gaskognischer Edelmann, ins Gefängnis kam, weil er einen andern Edelmann seines Landes Namens La Tour getötet hatte, und zwar, wie man sagt, einer großen Hinterlist wegen. Die Witwe betrieb die Verfolgung des Mörders so lebhaft, daß man dafür sorgte, die Kunde von der[300] Verurteilung des Barons in die Gemächer des Königs und der Königin dringen zu lassen. Die Herren und Danien (des Hofes) taten alles, um ihm das Leben zu retten. Zweimal bat man das Königspaar, ihn zu begnadigen. Der Herr Kanzler setzte sich dem energisch entgegen und sagte, die Gerechtigkeit müsse ihren Lauf haben. Der König, der jung war, wünschte nichts mehr, als ihn zu retten, denn der Baron gehörte zu den feinsten Hofleuten; auch Herr de Cipierre redete ihm sehr zu. Indessen nahte sich die Stunde der Urteilsvollstreckung, was alle Welt in Aufregung brachte. Da kam Herr de Nemours (der den armen Baron sehr liebte, weil er ihn in manchen Kriegen begleitet hatte), warf sich der Königin zu Füßen und bat sie mit so eindringlichen Worten um das Leben des Edelmanns, daß sie sich überreden ließ. Sofort wurde ein Hauptmann der Garde abgesandt, der sich seiner beim Verlassen des Gefängnisses, wenn er zum Tode geführt würde, beinächtigen sollte. So wurde er gerettet; die ausgestandene Angst aber hatte sich für immer in seine Züge geprägt, und sein Gesicht gewann niemals wieder Farbe, ebenso wie ich das bei Herrn von Saint-Villier gesehen habe, der in der Streitsache mit Herrn des Bourbon auch mit dem Leben davon kam.

Indessen aber ruhte die Witwe nicht; am nächsten Tage suchte sie den König auf, als er zur Messe ging, warf sich ihm zu Füßen, hielt ihm ihr Söhnchen entgegen, das drei oder vier Jahre alt sein konnte, und rief: »Sire, da Sie den Mörder des Vaters dieses Kindes begnadigt haben, so bitte ich Sie, auch diesem Kinde gleich jetzt Absolution zu erteilen, denn wenn der Knabe erwachsen sein wird, so wird er die Rache übernehmen und den Elenden töten.« Seitdem soll die Mutter jeden Morgen, wenn sie ihren Knaben erweckte, ihm das blutige Hemd des ermordeten Vaters gezeigt und dreimal gerufen haben: »Denke daran und vergiß es nicht, ihn zu rächen, wenn du groß bist, sonst enterbe ich dich!« Welch ein tiefer Haß spricht aus diesen Worten![301]

Als ich mich in Spanien aufhielt, hörte ich von Antonio Roques erzählen, einem der tapfersten, verwegensten, schlauesten, vorsichtigsten, gewandtesten und zu gleicher Zeit ritterlichsten Straßenräuber, die Spanien jemals besessen. Er hatte zuerst Priester werden wollen, und als der Tag gekommen war, wo er seine erste Messe singen sollte, und er aus der Sakristei kommend, mit großer Zeremonie zum Hauptaltar seiner Pfarrkirche schritt, feierlich gekleidet und den Kelch in der Hand, hörte er im Vorbeigehen seine Mutter zu ihm sagen: »Vellaco, vellaco, mejor seria de vengar la muerte de tu padre que de cantar misa.« (»O, du Elender, es wäre besser, den Tod deines Vaters zu rächen, statt Messe zu singen.«) Dieses Wort drang ihm zu Herzen, und auf dem halben Wege umkehrend, ging er in die Sakristei zurück; dort legte er sein Priestergewand ab, indem er vorgab, es wäre ihm unwohl geworden und er werde die Messe ein andermal lesen. Er begab sich ins Gebirge zu den Räubern und wurde dort so geehrt, daß man ihn zum Hauptmann erwählte. Nun beging er viele Untaten und rächte seinen Vater, der ermordet worden sein sollte; andere sagen, er wäre von der Justiz hingerichtet worden. – Diese Geschichte erzählte mir ein Räuber selbst, der ehemals unter seinem Befehl gestanden, und er erhob ihn mit Lobsprüchen bis in den siebenten Himmel. Der König Karl hatte ihm niemals ein Leid antun können.

Um noch einmal auf Madame de Nemours zu kommen: der König hielt sie nicht lange im Gefängnis, und das verdankte sie zum Teil Herrn d'Escars; denn er sandte sie nach Paris zu den Herren Du Mayne und De Nemours und andern verbündeten Fürsten, um ihnen Friedensworte zu überbringen: das Vergangene möge vergessen sein; wer tot sei, sei tot, und die andern möchten Freunde werden wie zuvor. Der König nahm ihr das Gelübde ab, diese Gesandtschaft genau auszuführen. Bei ihrer Ankunft hatte sie zuerst nur Tränen und Klagen über die erlittenen Verluste; dann entledigte[302] sie sich ihres Auftrages, und Herr Du Mayne antwortete ihr mit der Frage, ob sie ihm den Rat zum Frieden erteile. Sie entgegnete nur: »Mein Sohn, ich bin nicht gekommen, um Ihnen zu raten, Sondern nur um Ihnen zu sagen, was mir aufgetragen worden ist. Entscheiden Sie selbst, was Sie zu tun haben. Ihr Herz und Ihr Gewissen werden Ihnen den besten Rat geben. Was mich betrifft, so erfülle ich nur, was ich versprochen habe.« Unter der Hand aber verstand sie sehr wohl das Feuer zu schüren, das lange gebrannt hat.

Viele Leute haben sich sehr gewundert, daß der König, der so klug und einer der gewandtesten Männer seines Reiches war, sich dieser Dame zu einer solchen Mission bediente. Denn er hatte sie ja so tief gekränkt, daß sie kein Herz und Gefühl gehabt haben müßte, wenn sie sich dazu hätte gebrauchen lassen. Auch hat sie ja in der Tat seiner gespottet. Man sagt, es wäre auf den Rat des Marschalls de Rhets geschehen, der übrigens mehr für einen Charlatan und Schmeichler als für einen guten Ratgeber und Marschall von Frankreich gehalten wird.

Noch ein paar Worte möchte ich über Madame von Nemours sagen. Ich hörte, daß damals, als man die Liga zustande brachte, sie die Hefte und Listen derjenigen Städte, die dem Bündnis angehörten, einsah, und als sie Paris noch nicht verzeichnet fand, sagte sie wiederholt zu ihrem Sohne: »Mein Sohn, daß ist nichts, Paris fehlt noch. Wenn Sie Paris nicht haben, so ist nichts getan. Sorgen Sie, daß Sie Paris bekommen!« Und immer wieder ertönte das Wort Paris aus ihrem Munde, bis denn auch bald darauf die Barrikaden dastanden.

So strebt ein edles Herz immer nach dem Höchsten. Das erinnert mich an eine Geschichte, die ich in einem spanischen Roman las, betitelt »Conquista de Navarra«. Dieses Reich war vom Könige von Aragon dem König Johann entrissen und usurpiert worden. König Ludwig XII. sandte unter dem Herrn De la Palice eine Armee dorthin,[303] um es wiederzuerobern. Der König ließ der Königin Doña Catherina durch Herrn De la Palice sagen, sie möge an den Hof von Frankreich kommen und sich bei seiner Gemahlin, der Königin Anna, aufhalten, während ihr Gemahl der König mit Herrn De la Palice versuchen würden, das Reich wieder zu gewinnen. Die Königin antwortete ihm würdevoll: »Wie, mein Herr! Ich dachte, Ihr Herr und König habe Sie hierhergesandt, um mich mit Ihnen in mein Königreich zu führen und mich wieder nach Pampeluna zu bringen; dazu hatte ich mich entschlossen und vorbereitet. Und jetzt laden Sie mich an den französischen Hof ein? Das ist eine schlechte Hoffnung und eine böse Vorbedeutung für mich. Ich sehe wohl, daß ich niemals dorthin zurückkehren werde.« Und so wie sie es voraussagte, geschah es auch.

Der Frau Herzogin von Valentinois wurde bedeutet, als der Tod des Königs Heinrich herannahte, sich in ihre Wohnung zu Paris zurückzuziehen und das Zimmer des Königs nicht zu betreten, sowohl um ihn nicht in seiner Zwiesprache mit Gott zu stören, wie auch wegen der Feindseligkeit, die gewisse Personen gegen sie hegten. Als sie sich zurückgezogen hatte, sandte man zu ihr und forderte die Herausgabe einiger Ringe und Edelsteine die der Krone gehörten. Sie fragte sofort den betreffenden Abgesandten: »Wie? der König ist tot?« – »Nein, Madame«, antwortete dieser, »aber es wird nicht lange mehr dauern.« – »Wohlan,« entgegnete sie, »solange noch ein Finger an ihm lebendig ist, sollen meine Feinde wissen, daß ich sie nicht fürchte und ich ihnen nicht gehorchen werde, solange er lebt. Noch ist mein Mut unbesiegbar. Aber wenn er gestorben ist, dann will auch ich nicht länger leben, und alles Leid, das man mir anzutun gedenkt, verschwindet gegen den Schmerz dieses Verlustes. Also, ob mein König tot oder lebendig ist, – meine Feinde fürchte ich nicht!«

Diese Dame zeigte einen großen Seelenadel. Aber, wird mancher sagen, sie starb nicht, wie sie gesagt hatte. Oftmals freilich fühlte sie den Tod nahen; aber statt zu[304] sterben, tat sie wirklich besser daran, leben zu bleiben, um ihren Feinden zu beweisen, daß sie sie nicht fürchte. Diese hatten sich einst zitternd vor ihr gebeugt, aber sie wollte sich nun nicht vor ihnen beugen, und sie zeigte ihnen ein solches Gesicht, daß sie es nicht wagten, ihr Mißfallen zu erregen. Ja, es wurde noch besser: innerhalb zweier Jahre suchten sie ihre Gunst mehr als jemals und versöhnten sich wieder mit ihr, wie ich gesehen habe. Das ist so der Brauch bei den Großen, die in ihren Freundschaften wenig beständig sind und sich schlagen und vertragen wie die Gauner auf der Messe. Wir Kleineren tun das nicht; denn entweder kämpfen wir, rächen uns und sterben, oder wir schlichten den Streit durch peinliche, wohl abgewogene und feierliche Vergleiche. Und dabei befinden wir uns besser.

Sicher verdient jene Dame um dieses Zuges willen Lob, wie ja die Handlungen solcher großen Damen, die sich mit Staatsangelegenheiten abgeben, stets über dem Gewöhnlichen zu stehen pflegen. Deshalb liebten König Heinrich III. und seine Mutter durchaus nicht die Damen ihres Hofes, die ihr Naschen in die Staatsgeschäfte steckten und darüber plauderten, als ob sie (wie Ihre Majestäten sagten) großen Anteil daran hätten, Erbinnen des Königreichs wären und wie die Männer an der Erhaltung des Staates im Schweiße ihres Angesichts arbeiten müßten. Dagegen sitzen sie gemütlich im Lehnstuhl am Kamin oder liegen auf ihren Kissen und schwatzen von den großen Angelegenheiten der Welt und Frankreichs, als ob sie alles selbst besorgten. Eine vornehme Dame, die ich nicht nenne, plauderte einst sehr geschwätzig von den er sten Ständen zu Blois, und Ihre Majestäten ließen ihr einen kleinen Verweis zuteil werden, indem sie sagten, sie möge sich um ihren Hausstand bekümmern und zu Gott beten. Sie, die eine etwas lockere Zunge hatte, entgegnete: »Zu den Zeiten, da die Prinzen, Könige und großen Herren das Kreuz nahmen und übers Meer zogen, um im Heiligen Lande große Taten zu verrichten, war es uns Frauen freilich nur erlaubt, zu beten und zu fasten, damit Gott den Kreuzfahrern[305] eine gute Reise und Rückkehr schenke. Aber heutzutage, wo die Ritter nicht mehr leisten als wir, ist es uns gestattet, von allem zu sprechen. Denn weshalb sollten wir für sie zu Gott beten, da sie nichts Besseres leisten als wir?«

Diese Worte waren allerdings sehr kühn, und sie sollte dafür büßen; Es wurde ihr schwer, die Verzeihung zu erhalten, um die sie bitten mußte.

Es ist nicht immer gut, ein Witzwort zu äußern, wenn es sich einem über die Lippen drängt, wie ich es bei manchen sah, die sich nicht zu beherrschen verstanden. Solche Frauen sind ungebärdiger als ein Berberpferd, und wenn sie einen guten Witz auf der Zunge haben, dann muß er heraus, und sie schonen dabei weder Verwandte, Freunde, noch Große. Ich kannte an unserm Hofe viele so geartete Leute, und man nannte sie »marquis et marquise de belle-bouche«; aber oft kamen sie auch an den Unrechten.

Nunmehr will ich, nachdem ich von den Frauen gesprochen, die ihren Mut in schönen Taten während ihres Lebens bewiesen haben, von einigen andern reden, die ihn ihm Tode bewährten. Ohne auf das Altertum zurückzugreifen, will ich als Beispiel nur die selige Frau Regentin, die Mutter des großen Königs Franz, anführen. Sie war, wie ich von mehreren hörte, die sie gekannt haben, eine der schönsten Frauen ihrer Zeit und sehr lebenslustig, sogar noch in höherem Alter. Sie konnte es durchaus nicht leiden, wenn man ihr vom Tode sprach und haßte sogar die Geistlichen, wenn sie in ihren Predigten davon redeten: »Als ob man nicht selbst zur Genüge wüßte,« sagte sie, »daß wir alle eines Tages sterben müssen. Und diese Priester sind einfältig, wenn sie am Schluß ihrer Predigten nichts weiter mehr zu sagen wissen und immerfort nur vom Tode reden.« Die selige Königin von Navarra, ihre Tochter, liebte ebensowenig wie ihre Mutter diese langweiligen Grabredner.

Als nun aber ihr Ende gekommen war und sie drei Tage vor ihrem Tode auf dem Sterbebett lag, sah sie des[306] Nachts ihr Zimmer durch die Fenster ganz hell erleuchtet. Sie fragte ärgerlich ihre Hausfrauen, warum sie ein so helles, leuchtendes Feuer angezündet hätten. Die Frauen antworteten: es sei nur ein kleines Feuer, nämlich der Mond, der durchs Fenster scheine. »Wie?« sagte sie, »das stimmt nicht; um diese Zeit scheint der Mond nicht.« Und indem sie den Vorhang bei Seite schob, erblickte sie gerade gegenüber am Himmel einen Kometen. »Ah!« rief sie, »dies Zeichen erscheint nicht für Leute niederer Art. Gott läßt es für uns Große erscheinen. Schließt das Fenster wieder. Es ist ein Komet, der meinen Tod ankündigt. Nun heißt es, sich vorbereiten.« Am nächsten Morgen früh ließ sie ihren Beichtvater holen und tat ihre Pflicht als gute Christin, obgleich die Ärzte ihr versicherten, es wäre noch nicht so weit »Wenn ich nicht das Zeichen meines Todes gesehen hätte,« sagte sie, »würde ich es glauben, denn ich fühle mich noch nicht so hinfällig.« Und sie erzählte ihnen die Erscheinung des Kometen. Nach drei Tagen schied sie aus dieser Welt.

Ich kann mir nicht denken, daß die großen Damen, sowie die schönen und jungen nicht mit mehr Bedauern von der Welt scheiden, als die andern; trotzdem hörte ich von einigen, die sich willig dem Tode ergeben haben, wenn auch seine Ankündigung ihnen schrecklich genug gewesen sein mag.

Als der Gräfin de la Rochefoucault, aus dem Hause Roy, – nach meiner und andrer Ansicht, eine der schönsten und angenehmsten Frauen Frankreichs – von ihrem Beichtiger angekündigt wurde, daß sie nicht mehr an die Welt denken dürfe und ihre Stunde gekommen sei, da Gott sie berufe und sie die Eitelkeiten der Welt verlassen müsse, die nichts seien im Vergleich zur Seligkeit des Himmels, da sagte sie: »Das ist ganz gut für diejenigen, denen das Leben keine Freude mehr macht und die am Rande des Grabes stehen. Aber für mich, die ich in der Blüte meiner Jahre und lebensfreudig bin, ist Ihr Ausspruch sehr[307] bitter. Da ich nun Ursache habe, lieber in dieser Welt zu sein als in einer andern und es mir leid tut zu sterben, will ich Ihnen beweisen, daß ich den Tod für das Abscheulichste in der Welt halte.« Darauf begann sie mit großer Andacht Psalmen zu singen und verschied.

Madame d'Espernon, aus dem Hause Candale, wurde von einer so plötzlichen Krankheit befallen, daß sie innerhalb einer Woche daran zugrunde ging. Sie hatte alle Mittel dagegen versucht und den Beistand Gottes und der Menschen angerufen, denn es schmerzte sie gar zu sehr, in so jungem Alter sterben zu müssen. Als man ihr aber vorgestellt hatte, daß es keine Hilfe mehr gäbe, und sie nun willig zu Gott gehen müsse, sagte sie: »Ist es wahr? Nun gut, dann will ich mich tapfer dazu entschließen.« Sie hob ihre schönen weißen Arme, faltete die Hände, und mit heiterem Gesicht und ruhigem Herzen erwartete sie geduldig den Tod. Sie starb christlich und ergeben im Alter von 26 Jahren und war eine der schönsten und liebenswürdigsten Frauen ihrer Zeit gewesen.

Man sagt, es sei nicht schön, die Seinigen zu loben, aber eine schöne Wahrheit darf man doch nicht verhehlen. Deshalb will ich hier der Madame d'Aubeterre, meiner Nichte, Tochter meines älteren Bruders, Lob spenden. Wer sie am Hofe oder anderswo gesehen hat, wird mir zugeben, daß sie an Leib und Seele eine der schönsten und vollendetsten Frauen war, die man sehen konnte. Sie hatte eine volle Figur und ein hübsches, liebenswürdiges Gesicht; sie besaß einen feinen Geist und viel Kenntnisse. Ihre Rede war geschickt, naiv und ungeschminkt, und im Ernst wie im Scherze flössen ihr die Worte leicht von den Lippen. Ich sah nie eine Frau, die, nach meiner Meinung, mehr unserer Königin Margarethe von Frankreich glich, sowohl dem Äußern wie den Eigenschaften nach; auch die Königin-Mutter hörte ich sie einst so beurteilen. Diesem Lobspruch braucht man wohl nichts hinzuzufügen. So will ich auch nichts weiter sagen; alle, die sie gekannt haben, werden[308] mein Urteil bestätigen. Plötzlich wurde sie von einer Krankheit befallen, der gegenüber die Ärzte ratlos wurden und ihr Latein verloren. Sie selbst glaubte, vergiftet zu sein, von welcher Seite verschweige ich. Denn Gott wird alles rächen, vielleicht auch werden es die Menschen tun. Sie bot alles zu ihrer Rettung auf, wenn sie sich auch, wie sie sagte, um das Sterben wenig kümmerte; denn seit sie ihren Gatten verloren, fürchtete sie den Tod nicht mehr, obgleich er ihr sicherlich nicht gleichgültig war und sie noch nach seinem Tode viele Tränen aus ihren schönen Augen vergoß. Aber sie hätte gern noch eine Zeitlang gelebt um ihrer Tochter willen, die in zartem Alter stand. Das war auch ein guter Grund zum Leben, und die Trauer um einen törichten und unangenehmen Gatten brauchte nicht tief zu sein.

Da sie nun sah, daß es keine Hilfe mehr gab, und sie an ihrem Pulsschlag das nahende Ende fühlte (denn sie verstand sich auf alles), ließ sie zwei Tage vor ihrem Tode ihre Tochter zu sich rufen und ermahnte sie in den schönsten und frommsten Worten, ein gutes Leben zu führen und die Gnade Gottes zu erwerben. Dann gab sie ihr den Segen und bat sie, die Ruhe ihrer Todesstunde nicht durch Tränen zu stören. Darauf ließ sie sich ihren Spiegel geben und, sich aufmerksam darin betrachtend, sagte sie: »O du trügerisches Angesicht, warum hat die Krankheit dich nicht verändert?« (denn sie sah noch so schön aus wie sonst). »Bald aber wird der Tod, der sich naht, Recht behalten und dich entstellen und den Würmern überliefern.« Sie hatte auch die Mehrzahl ihrer Ringe an die Finger gesteckt, und indem sie diese und ihre schöne Hand betrachtete, sagte sie: »Das ist nun eine weltliche Eitelkeit, die ich so sehr geliebt habe; in dieser Stunde aber gebe ich sie gern auf, um mich mit einer bessern Zier für die andre Welt zu schmücken.« Ihre Schwestern, die ihr Lager wehklagend umstanden, tröstete sie und bat sie, ebenso gefaßt wie sie diese Schickung Gottes hinzunehmen. Die Freundschaft,[309] die sie stets für sie gehegt, möge immerwährend bei ihnen walten und auch ihrem Töchterchen zuteil werden. Da die Schwestern aber nur noch heftiger weinten, sprach sie: »Meine Schwestern, wenn ihr mich liebt, so freut euch doch mit mir, daß ich ein elendes Leben gegen das seligste austausche. Mein Herz ist der Arbeit müde: es wünscht davon befreit zu sein und die Ruhe in Jesu Christo, meinem Erlöser, zu genießen. Wollt ihr denn, daß meine Seele an diesen armseligen Körper gebunden bleibe, der nur ihr Gefängnis, nicht aber ihre wahre Wohnung ist? Ich bitte euch deshalb, liebe Schwestern, trauert nicht mehr.«

Noch viele schöne und christliche Worte redete sie, die kein noch so großer Gelehrter besser sprechen könnte. Besonders verlangte sie auch, Madame de Bourdeille, ihre Mutter, zu sehen und hatte ihre Schwestern gebeten, sie zu holen. Sie sagte mehrmals: »Mein Gott, liebe Schwestern, kommt denn Frau de Bourdeille nicht? Ach, wie langsam sind eure Boten! Zu großen und eiligen Bestellungen sind sie nicht zu gebrauchen.« Die Mutter kam, traf sie aber nicht mehr am Leben, denn sie war eine Stunde vorher gestorben.

Sie fragte auch oft nach mir, den sie ihren lieben Onkel nannte, und sie schickte uns ihre letzten Grüße. Sie wünschte, daß nach ihrem Tode ihr Leib geöffnet werde, was sie sonst stets verabscheut hatte, damit, wie sie zu ihren Schwestern sagte, die Ursache ihres Todes festgestellt werden könne. Dies gab ihnen und auch ihrer Tochter Ursache, ihr Leben in acht zu nehmen. »Denn,« sagte sie, »ich vermute, daß man seit fünf Jahren mir, sowie meinem Onkel Brantôme und der Gräfin von Durtal Gift beigebracht hat; die größte Menge davon habe aber ich genommen. Ich will jedoch niemanden beschuldigen, damit ich nicht ein Unrecht auf meine Seele lade; sie soll frei bleiben von Tadel, sowie von Haß und Feindschaft, um zu Gott dem Herrn rein emporzusteigen.«

Ich kann nicht alles berichten, was sie sagte; denn sie redete viel und lange, und ihre Worte verrieten nicht, daß[310] Leib und Seele hinstarben. Zu einem Edelmann, ihrem Nachbar, der gut zu reden wußte, und der früher oftmals viel mit ihr geplaudert und gescherzt hatte, sagte sie, als er sich vorstellte: »Ah, mein Freund, es ist aus, nun heißt es alles, den Degen und die Zunge, hingeben. Adieu!«

Der Arzt und ihre Schwester wollten ihr ein herzstärkendes Mittel einflößen; sie lehnte es jedoch ab, »denn,« sagte sie, »es wird nichts mehr nützen, und nur meine Qual verlängern und meine Ruhe verzögern.« Und mehrmals hörte man sie sagen: »Mein Gott, wie sanft ist der Tod! Wer hätte das je gedacht!« Dann schloß sie die Augen und entschlummerte sanft und mutig ohne irgend eins jener häßlichen und schrecklichen Zeichen, die bei vielen andern das Sterben zu begleiten pflegen.

Frau von Bourdeille, ihre Mutter, folgte ihr bald nach; denn die Trauer über diese vortreffliche Tochter raffte sie in acht Monaten hin, nachdem sie sieben Monate krank gewesen und zwischen Hoffnung auf Heilung und Verzweiflung geschwankt hatte. Gleich von Anfang an sagte sie, sie würde nicht davonkommen. Den Tod fürchtete sie nicht und bat Gott auch nicht um Leben und Gesundheit, sondern nur um Geduld in ihrem Leiden und um ein möglichst ruhiges und schnelles Sterben. Und das geschah; denn als wir sie nur für ohnmächtig hielten, gab sie ihren Geist so ruhig auf, daß man kein Glied an ihr zucken sah und auch ihr Auge keinen schrecklichen Ausdruck annahm; es blieb so schön wie je, und sie sah im Tode ebenso schön aus wie im Leben.

Wahrlich, es ist jammerschade um sie und um alle schönen Frauen, die in der Blüte ihrer Jahre sterben! Aber vielleicht genügen dem Himmel die Lichter nicht, die seit der Schöpfung der Welt sein Gewölbe schmücken, und er will durch jene Frauen neue schöne Sterne anzünden, die uns leuchten, wie einst im Leben ihre schönen Augen uns geleuchtet haben.

Jetzt nur noch diese eine Geschichte, und dann keine mehr:[311]

Man erinnert sich wohl der Frau von Balagny, die in jeder Weise die würdige Schwester jenes tapfern Bussi war. Als Cambray belagert wurde, tat sie zur Verteidigung alles, was in ihren Kräften stand; aber da sie sah, daß alles vergebens war und die Stadt wie die Zitadelle, sich in der Macht des Feindes befanden, konnte sie es nicht ertragen, sich ihres Fürstentums zu begeben (denn ihr Gatte und sie ließen sich Fürst und Fürstin von Cambray und Cambrésis nennen, ein Titel, den man vielerseits zu anmaßend fand, da sie nur einfache Edelleute waren). Sie starb auf dem Platz der Ehre. Einige sagen, sie habe sich selbst den Tod gegeben, was man wieder mehr heidnisch als christlich fand. So viel ist sicher, daß sie wegen ihres Heldenmuts großes Lob verdient, sowie auch wegen der Worte, die sie ihrem Gatten in der Todesstunde sagte: »Was bleibt dir übrig, Balagny, als nach diesem trostlosen Unglück zum Gespött der Welt zu leben, die mit Fingern auf dich zeigen wird; denn du bist von der Höhe deines Ruhms herabgesunken, und dich erwartet ein niederes Los, wenn du nicht handelst wie ich. Lerne denn von mir, wohl zu sterben und überlebe dein Unglück und deine Schande nicht!« Es ist eine große Sache, wenn eine Frau uns lehrt, zu leben und zu sterben. Ihr Gatte aber befolgte nicht ihren Rat; denn schon nach sieben oder acht Monaten hatte er das Angedenken an die tapfere Frau vergessen und heiratete eine Schwester der Madame de Monceaux, ein schönes und ehrenwertes Fräulein. Er bewies, daß man schließlich doch leben muß, es sei in welcher Art es wolle.

Sicher ist es gut und süß zu leben; aber auch ein edler Tod ist lobenswert, wie der dieser Dame. Wenn sie vor Trauer starb, so steht sie im Gegensatz zu manchen andern Frauen, die vor Freude und mitten in der Freude starben.

Davon will ich nur das eine Beispiel von dem Fräulein de Limueil der älteren anführen, die als Dame der Königin am Hofe verstarb. Während ihrer Krankheit, die zum Tode[312] führte, stand ihre Zunge niemals still und sie plauderte fortwährend; denn sie war sehr beredt und witzig. Als ihre Todesstunde gekommen war, ließ sie ihren Kammerdiener holen (jede Hofdame hatte einen solchen). Er hieß Jullien und spielte sehr gut die Geige. »Jullien,« sagte sie, »nehmt Eure Violine und spielt mir so lange, bis ich tot bin (denn es geht zu Ende) die ›Defaite des Suisses‹«, aber so schön, wie Ihr könnt. Und wenn Ihr an die Stelle kommt: »Alles ist verloren,« dann spielt sie vier- oder fünfmal, so kläglich wie möglich. Das tat er auch, und sie begleitete ihn mit ihrem Gesang. Die Stelle: »Alles ist verloren« wiederholte sie zweimal, und, sich auf die andre Seite legend, sagte sie zu den Umstehenden: »Jawohl, alles ist verloren,« und damit starb sie. Das war ein lustiger Tod. Ich habe die Geschichte von zweien ihrer Freundinnen, die glaubwürdige Zeugen des Vorgangs waren.

Auch Männer sind ebenso fröhlich gestorben wie diese Frau. So lesen wir von dem großen Papst Leo, daß er vor Freude starb, als er sah, daß wir Franzosen aus dem Staate Mailand vertrieben wurden; so sehr haßte er uns!

Der Herr Großprior von Lothringen sandte einst zwei seiner Galeeren unter dem Befehl des Kapitäns Beaulieu, von dem ich schon sprach, nach der Levante. Dieser Beaulieu ging gern dahin, denn er war ein tapferer und tüchtiger Mann. Als er nach dem Archipelagus steuerte, begegnete er einem großen, wohlbewaffneten venetianischen Schiff. Er begann es zu beschießen, aber das Schiff erwiderte ihm tüchtig die Kanonade; denn gleich bei der ersten Salve wurden ihm zwei Bänke mit den Sträflingen darauf glatt weggerissen, ebenso sein Leutnant, der Kapitän Panier. Dieser hatte jedoch noch Zeit, ein Wort zu sagen und dann zu sterben: »Adieu, Korb, die Weinlese ist fertig!« Dieses Wortspiel erheiterte seinen Tod. – Herr de Beaulieu[313] mußte sich dann zurückziehen, denn das Schiff war für ihn unbesiegbar.

Im ersten Jahre der Herrschaft Königs Karl IX., zur Zeit des Edikts vom Juli, als er sich im Fauxbourg Saint-Germain aufhielt, sahen wir, wie daselbst ein Dieb gehenkt wurde, der sechs silberne Tischgeschirre aus der Küche des Prinzen De la Roche-sur-Ion entwendet hatte. Als er auf der Leiter stand, bat er den Henker, ein paar Worte reden zu dürfen, und dann sagte er zum Volke, daß man ihn mit Unrecht umbringe. »Denn,« sprach er, »ich habe niemals arme Leute bestohlen, sondern stets nur Fürsten und Vornehme, die selbst viel größere Diebe sind als wir und uns alle Tage bestehlen. Deshalb ist es nur recht, ihnen das wieder zu nehmen, was sie uns genommen haben.« Und noch mehr launige Reden führte er, die überflüssig zu erzählen sind, bis der Priester, der mit ihm bis oben auf die Leiter gestiegen war, dem Volke zurief; »Meine Herren, dieser arme Sünder empfiehlt sich euren Gebeten. Laßt uns alle für seine Seele ein Paternoster und ein Avemaria beten, sowie eine Salve singen.« Als nun das Volk der Aufforderung nachkam, senkte der Verurteilte den Kopf, beobachtete den Priester und begann in übermütigem Spott wie eine Kuh zu brüllen; dann versetzte er dem Priester einen Fußtritt, so daß dieser hoch oben von der Leiter herunterflog und bei diesem großen Sprunge ein Bein brach. »Ah, bei Gott, mein Herr Priester,« rief er ihm nach, »ich wußte ja, daß ich Sie hier wegbringen würde. Nun haben Sie Ihr Teil.« Als er den Priester jammern hörte, lachte er aus vollem Halse und dann stürzte er sich selbst hinab. – Am Hofe wurde über diese Geschichte sehr gelacht, wenn auch der Priester keinen großen Schaden genommen hatte. Dieser Tod war jedenfalls nicht sehr traurig.

Herr d'Estampes hatte einen sehr lustigen Narren Namens Colin. Als sein Ende sich nahte, fragte Herr d'Estampes, wie es Colin gehe. Man sagte ihm: »Sehr traurig, mein Herr; er wird sterben, denn er will nichts[314] mehr zu sich nehmen.« – »Hier,« sagte Herr d'Estampes, der gerade bei Tische saß, »bringt ihm diese Suppe und sagt ihm, wenn er nicht aus Liebe zu mir etwas essen will, würde ich ihn nicht mehr lieben, denn man hätte mir gesagt, er wolle nichts mehr nehmen.« Die Botschaft wurde ausgerichtet, und Colin, den der Tod schon beim Kragen hatte, gab zur Antwort: »Wer hat denn meinem Herrn gesagt, daß ich nichts mehr zu mir nehmen will?« Und da er rings von Fliegen umschwärmt war (es war im Sommer), haschte er danach, wie es die Pagen, Lakaien und Kinder tun, und fing zwei mit einem Griff; dann mit einer schwer zu beschreibenden Handbewegung, sprach er: »Sagt dem Herrn, das hier hätte ich aus Liebe zu ihm genommen und ich begäbe mich in das Königreich der Fliegen.« Mit diesen Worten drehte er sich auf die andre Seite und starb.

Ich hörte von einigen Philosophen sagen, daß manche Leute in ihrer Sterbestunde sich gern an Dinge erinnern, die sie besonders geliebt haben; so sprechen Edelleute, Kriegsmänner, Jäger, Handwerker, kurz, Leute jeder Profession beim Sterben noch irgend ein Wort über ihren Beruf; das kommt oft vor.

Ebenso verhält es sich mit den Frauen, bis herab zu den Freudenmädchen. Von einer vornehmen Dame hörte ich, daß sie bei ihrem Tode sich ihrer einstigen Liebesstreiche rühmte, und dabei mehr kund gab, als die Welt wußte, obwohl man sie schon für eine große Buhlerin hielt. Vielleicht wollte sie dadurch ihr Gewissen entlasten, denn sie erzählte alles auf das genaueste. »Wahrlich,« sagte jemand, »sie tat recht daran, in jener Stunde ihr Gewissen von dieser Unmenge von Liederlichkeit zu säubern, und zwar so genau und gründlich.«

Von einer Dame, die sehr lebhaft träumte, hörte ich, daß sie nachts alles ausplauderte, was sie am Tage getan, so daß sie dadurch sogar den Verdacht ihres Gatten erweckte, der sie im Traum Dinge sprechen hörte, worüber er ihr sehr zürnte.[315]

Vor nicht langer Zeit verkündete ein Edelmann in einer Provinz, die ich nicht nenne, auf dem Sterbebett ebenfalls alle seine Liebschaften und Ausschweifungen. Er bezeichnete genau die Frauen und Mädchen, mit denen er zu tun gehabt, gab die Orte und Rendezvous an, kurz alles, und bat Gott vor aller Welt um Vergebung. Jene Dame hatte doch nur sich selbst kompromittiert; dieser Edelmann aber brachte mehrere Damen in Verruf. Solche galanten Herren und Damen sind ja recht nette Leute.

Man sagt, auch die Geizigen hätten die Eigenschaft, in der Todesstunde lebhaft an ihre Schätze zu denken. Vor etwa vierzig Jahren verstarb eine Frau von Mortemar, eine der reichsten und habsüchtigsten Frauen von Poitou. Sie dachte nur an die Taler in ihrem Kabinett, und während ihrer Krankheit stand sie zwanzigmal am Tage auf und sah nach ihrem Schatz. Endlich, als ihre letzte Stunde nahte und der Priester sie auf das Jenseits hinwies, sagte sie nur: »Geben Sie mir mein Kleid; die Schufte bestehlen mich.« Mit diesen Worten starb sie.

Ich bin gegen das Ende hin ein wenig von meinem Thema abgewichen; aber man wolle es hinnehmen wie das Possenspiel nach der Tragödie. Und hiermit will ich schließen.

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 258-316.
Lizenz:
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Das Leben der galanten Damen
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