XCIV.

[179] Mancher freut sich auf fremde Hab',

Wie viel er beerbe und trage zu Grab',

Die mit seinem Gebein Nüss' werfen ab.


Ein Narr setzt die Hufeisen des Esels in Stand, auf dem der Tod rückwärts sitzend mit einem Knochen nach einem Nußbaum wirft.


Von Hoffnung auf Erbschaft.

Ein Narr nur wird sich darauf spitzen

Eines andern Erbe zu besitzen

Oder für ihn im Rathe zu schalten,

Sein Gut, Pfründ', Amt einst zu verwalten;

Auf des Andern Tod gar Mancher baut,

Deß End' er nimmermehr doch schaut,

Hofft einen zu tragen hin zu Grab',

Der mit seinem Gebein wirft Birnen ab.

Wer eines Andern Tod begehrt,

Nicht weiß, wann ihm die Seel' ausfährt,

Der thut den Esel selbst beschlagen,

Der ihn gen Narrenberg wird tragen.

Es sterben junge, starke Leute,

Gleichwie man findet Kälberhäute;

Es geht nicht über die Kühe allein.

Einem Jeden genüge die Armuth sein,[179]

Er begehre nicht, daß sie größer werde.

Seltsamer Umschwung herrscht auf der Erde:

Bulgarus mußte den Sohn beerben,

Den sah er wider Erwarten sterben;

Die Kinder sah Priam als Todesbeute,

Denen hofft' er zu lassen Land und Leute;

Des Vaters Tod suchte Absalon

Und fand an der Eiche Erb' und Thron.

Manchem ein Erbe wird über Nacht,

An das er nie zuvor gedacht,

Und Mancher sein Gut muß Erben lassen,

Für die ein Hund ihm mehr würd' passen.

Nicht jeder wird seiner Hoffnung so

Wie Abraham und Simeon froh.

Laß die Vöglein sorgen! Wann Gott will,

Dann kommet Glück, Zeit, End' und Ziel.

Das beste Erb' ist jenes Land,

Drauf aller Hoffnung hingewandt;

Doch wird's nur wen'gen zuerkannt.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 179-180.
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