Achter Auftritt.

[57] Gabriele und der Jäger am Steintisch rechts sitzend. Vasco, Ambrosio und Pedro in einer Gruppe links vorn. Hirten und Hirtinnen zurückstehend.


CHOR DER HIRTEN.

Vom Berg ziehn wir hernieder

Ins freundlich stille Thal;

Es tönen unsre Lieder

Im Abendsonnenstrahl.

JÄGER.

Die Hirten ziehn hernieder

Ins freundlich stille Thal;

Es tönen ihre Lieder

Im Abendsonnenstrahl.

JÄGER UND CHOR.

Es tönen ihre / unsre Lieder

Im Abendsonnenstrahl. –

CHOR DER HIRTEN.

Wir kennen nicht Beschwerden,

Wir weiden unsre Herden,[57]

Und was uns heut' erfreut,

Wird morgen froh erneut.

GABRIELE für sich.

Was ihren Sinn erfreut,

Nur meine Angst erneut.

CHOR DER HIRTEN.

Vom Berg ziehn wir hernieder

Ins freundlich stille Thal;

Es tönen unsre Lieder

Im Abendsonnenstrahl.

JÄGER.

Die Hirten ziehn hernieder

Ins freundlich stille Thal.

CHOR DER HIRTEN.

Vom Berg ziehn wir hernieder

Ins freundlich stille Thal.

JÄGER.

Es tönen ihre Lieder

Im Abendsonnenstrahl.

JÄGER UND CHOR.

Es tönen ihre Lieder

Es tönen unsre Lieder

Im Abendsonnenstrahl.

Vasco, Ambrosio und Pedro lagern links vorn auf der Erde und teilen das Geld.

Nr. 10. Vokalchor und Ensemble.


CHOR DER HIRTEN hat seine Aufmerksamkeit auf den Jäger gerichtet.

Seht den Jäger, schmuck und fein!

Wer mag wohl der Fremde sein?


Sie treten näher und betrachten ihn neugierig.


Seht den Blick, das edle Wesen,

Wie zum Herrschen auserlesen!

In dem schlichten Jagdgewand

Scheint er doch von hohem Stand!

GABRIELE steht auf, nimmt die Mitte und begrüßt die Hirten, die freundlich erwidern.

Zeigt dem Gast, daß er willkommen,

Bietet freundlich ihm die Hand.


Für sich.


Der Gefahr muß er entkommen,

Wenn er auch am Abgrund stand.

CHOR DER HIRTEN.

Zeigt dem Gast, daß er willkommen,

Bietet ihm die Freundeshand.[58]

GABRIELE UND CHOR.

Freundlich sei er aufgenommen

In dem heitern Vaterland.

Jäger steht auf und nähert sich den Hirten. Die Hirten schütteln ihm die Hand.


JÄGER.

Nennt ihr freundlich mich willkommen,

Biet' ich euch die Freundeshand.

Gerne sei ich aufgenommen

In des Spaniers heiterm Land.

GABRIELE UND CHOR.

Freundlich sei er aufgenommen

In dem heitern Vaterland.

VASCO, AMBROSIO UND PEDRO stehen auf, für sich.

Nimmer soll er uns entkommen,

Ihn erreichet unsre Hand.

JÄGER.

Gerne sei ich aufgenommen

In des Spaniers heiterm Land.

GABRIELE UND CHOR.

Freundlich sei er aufgenommen

In dem heitern Vaterland.

Nr. 11. Romanze.

Recitativ.


JÄGER.

Nun, liebes Mädchen,

Mir das Mahl zu würzen,

Fehlt nur ein Lied und deiner Stimme Klang.


Er nimmt seinen Sitz wieder ein.


Ambrosio holt eine Laute aus der Hütte rechts, giebt sie Gabriele und kehrt in seine Stellung zurück.


GABRIELE.

Dem edlen Gast die Zeit zu kürzen,

Ertönet gerne mein Gesang.

AMBROSIO.

Sing' die Romanze

Von dem Maurenschloß.

GABRIELE zum Jäger.

Wünscht Ihr es auch, so mag es sein.


Zu den Hirten und Hirtinnen.


Doch stimmen alle dann mit ein.

[59] Die Hirten und Hirtinnen gruppieren sich zuhörend, sitzend und liegend.

Romanze.


GABRIELE.

Wer klagt am Gitterfenster

Bei wildem Sturmgetos,

Zur Stunde der Gespenster

Im alten Maurenschloß?

Fatime ist's, die klaget

Mit angstbewegtem Sinn,

Und jeder still sich saget:

Es ist die Königin.

GABRIELE UND CHOR DER HIRTEN.

Und jeder still sich saget:

Es ist die Königin.

Vasco bewegt sich während der Romanze

unauffällig nach rechts zur Hütte hinüber, nimmt die Büchse des Jägers auf, schraubt den Stein des Schlosses ab, stellt die Waffe vorsichtig wieder an ihren Platz und begiebt sich zurück auf die Ecke links.


GABRIELE.

Ihr Gatte ward erschlagen,

Geraubet Kind und Thron,

Sie fand nur banges Klagen,

Nur Spott und bittern Hohn.

Da kamen Christenritter

Mit edelmüt'gem Sinn

Vor ihres Fensters Gitter

Zum Schutz der Königin.

GABRIELE UND CHOR DER HIRTEN.

Da kamen Christenritter

Zum Schutz der Königin.

GABRIELE.

Die Feste ward errungen,

Erstürmt mit tapfrer Hand;

Was kaum dem Schwert entsprungen,

Vertilgt der Fackelbrand.

Zum Kloster nun sich wendet

Fatimes frommer Sinn;

Im heil'gen Glauben endet

Die Mauren-Königin.[60]

GABRIELE UND CHOR DER HIRTEN.

Im heil'gen Glauben endet

Die Mauren-Königin.

Gabriele wendet sich nach der Ecke rechts und legt die Laute auf den Steintisch. Jäger steht auf. Vasco, Pedro und Ambrosio besprechen sich links vorn mit den Hirten über den Jäger.

Nr. 12. Finale, Ensemble.


JÄGER gabriele zur Linken, nähert sich ihr.

Deines Auges Zaubersonne

Strahlt mich in ein Feenland!

Dein Gesang erfüllt mit Wonne,

Wie ich nimmer sie empfand.

Kämpft' ich in Turnieres Schranken

Um den Preis aus deiner Hand,

Stürzt' ich leicht und ohne Schwanken

Alle Ritter in den Sand.

VASCO für sich.

Meine Hand führt nun die Rache

Und mein Plan wird Ehrensache;

Wie er glühend nach ihr schaut!

Er begehret seine Braut.

PEDRO UND AMBROSIO für sich.

Seine Hand führt nun die Rache

Und sein Plan wird Ehrensache;

Wie der Fremde nach ihr schaut!

Er begehrt die Hirtenbraut.

GABRIELE für sich.

Laut fühl' ich mein Herz erbeben,

Ja, sie sinnen auf Verrat:

Kann ich rettend ihn umschweben,

Ist es meine schönste That.

Laut fühl' ich mein Herz erbeben,

Ja, sie sinnen auf Verrat.

CHOR DER HIRTEN unter sich.

Scheu erbebet Gabriele –

Ja, sie sinnen auf Verrat.[61]

JÄGER zu Gabriele.

Deines Auges Zaubersonne

Strahlt mich in ein Feenland!

Dein Gesang erfüllt mit Wonne,

Wie ich nimmer sie empfand.

Kämpft' ich in Turnieres Schranken

Um den Preis aus deiner Hand,

Stürzt' ich leicht und ohne Wanken

Alle Ritter in den Sand.

GABRIELE für sich.

Laut fühl' ich mein Herz erbeben,

Ja, sie sinnen auf Verrat.

VASCO für sich.

Meine Hand führt nun die Rache

Und mein Plan wird Ehrensache;

Wie er glühend nach ihr schaut!

Er begehret meine Braut.

AMBROSIO UND PEDRO für sich.

Seine Hand führt nun die Rache

Und sein Plan wird Ehrensache;

Wie er glühend nach ihr schaut!

Er begehret seine Braut.

CHOR DER HIRTEN unter sich.

Denn in Vascos schwarzer Seele

Brütet Rache und Verrat.

Aus dem fernen Dorfe erklingt das Abendgeläute zweier Glocken.

Die Hirten entblößen das Haupt und sinken wie die Hirtinnen in die Knie; alle falten die Hände zum Gebet, lösen sie beim Beginn des Gesanges.

Schlußgesang, Gebet, Glockengeläute, Alpenhörner.


GABRIELE UND CHOR DER HIRTEN knieend.

Schon die Abendglocken klangen

Und die Flur im Schlummer liegt;

Wenn die Sterne aufgegangen,

Jeder, jeder im Traume sich wiegt.


Sie stehen auf.


Mag ein ruhiges Gewissen

Unserm Gast den Schlaf versüßen,[62]

Bis der Morgenruf erschallt

Und das Horn vom Felsen hallt.

VASCO für sich.

Wenn er bald, von Nacht umfangen,

In dem tiefsten Schlafe liegt,

Dann still' ich mein Glutverlangen

Und kein Mitleid mich besiegt.

Daß er wagte, sie zu küssen,

Wird er schwer entgelten müssen!

In dem Brunnen liegt er kalt,

Wenn der Morgenruf erschallt.

PEDRO UND AMBROSIO für sich.

Wenn er bald, von Nacht umfangen,

In dem tiefsten Schlafe liegt,

Stillet Vasco sein Verlangen,

Und kein Mitleid ihn besiegt.

Daß er wagte, sie zu küssen,

Wird er schwer entgelten müssen!

In dem Brunnen liegt er kalt,

Wenn der Morgenruf erschallt.

GABRIELE für sich.

Mich erfaßt ein mächtig Bangen,

Daß der Fremde unterliegt,

Und die Angst, die mich befangen,

Meine Hoffnung überwiegt.

Sein Verderben sie beschließen,

Sein Blut sie vergießen!

In dem düstern Aufenthalt

Drohet sicher ihm Gewalt.

JÄGER für sich.

Warum bebt sie so befangen,

Sie, die mich so schnell besiegt,

Wenn mein Blick sich mit Verlangen

An ihr Sternenauge schmiegt?

Daß ich's wagte, sie zu küssen,

Wird die Träume mir versüßen.

Von der Feen Reiz umstrahlt,

Fesselt sie mit Allgewalt.

[63] GABRIELE für sich.

Mich erfaßt ein mächtig Bangen,

Daß der Fremde unterliegt,

Und die Angst, die mich befangen,

Meine Hoffnung überwiegt.

JÄGER für sich.

Warum bebt sie so befangen,

Sie, die mich so schnell besiegt,

Wenn mein Blick sich mit Verlangen

An ihr Sternenauge schmiegt?

VASCO, PEDRO UND AMBROSIO für sich.

Daß er wagte, sie zu küssen,

Wird er schwer entgelten müssen!

In dem Brunnen liegt er kalt,

Wenn der Morgenruf erschallt.

CHOR DER HIRTEN unter sich.

Mag ein ruhiges Gewissen

Unserm Gast den Schlaf versüßen,

Bis der Morgenruf erschallt,

Und das Horn vom Felsen hallt.

Jäger ergreift an der Hütte rechts seine Büchse und reicht Gabriele die Hand.

Gabriele geleitet ihn nach links in die Ruine.

Vasco, Pedro und Ambrosio folgen.

Die Hirten und Hirtinnen zerstreuen sich nach hinten, nach rechts und links.
[64]

Quelle:
Conradin Kreutzer: Das Nachtlager von Granada. Leipzig [o. J.], S. 57-65.
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