Neunter Auftritt.

[76] Vasco, Ambrosio und Pedro hinter dem Mittelgitter. Der Jäger an der Ecke links vorn.


PEDRO leise.

Ist alles still?

VASCO ebenso.

Ich höre nichts sich regen.

AMBROSIO leise.

So kommet leis', die Schling' ihm anzulegen.

VASCO ebenso.

Ja, leichter bläst sich so ein Leben aus

Und eure Furcht entgeht dem Strauß.

Vasco und Ambrosio nehmen den Stemmbalken weg.


VASCO versucht, das Mittelgitter zu öffnen, bemerkt, daß es von innen verriegelt ist.

Verdammt!

AMBROSIO leise zu Pedro.

So sprich, was ist geschehen?

VASCO ebenso.

Jetzt wird es wohl so leicht nicht gehen,

Denn ich vergaß, schwer büß' ich nun dafür,

Den Riegel an der alten Thür.

AMBROSIO UND PEDRO leise.

Ja, hier des Schicksals Stimme spricht:

Begehet das Verbrechen nicht!

JÄGER für sich.

Dies Ahnenschwert verbürgend spricht:

Du fällst durch diese Räuber nicht.

[76]

Du fällst durch diese Räuber nicht,

Durch diese Räuber fällst du nicht!

AMBROSIO UND PEDRO leise.

Ja, hier des Schicksals Stimme spricht:

Begehet dies Verbrechen nicht!

VASCO leise.

Ihr Memmen, schweigt und hört mich an:

Verändern muß ich unsern Plan.


Laut.


He, lieber Herr, macht auf! macht auf und laßt mich ein!


Er pocht an das Mittelgitter.


Macht auf! macht auf! macht auf!

JÄGER tritt einige Schritte vor.

Wohlan, was soll es sein?

VASCO.

's sind Männer da, gar hübsche schmucke Leut',

Vom Prinzregenten.

JÄGER gleichgültig.

Hat bis morgen Zeit!

VASCO leise.

Nach seinem Blut steht mein Begehren!

AMBROSIO UND PEDRO ebenso.

Und sollt' es wagen, sich zu wehren –

JÄGER ebenso.

Nach meinem Blute sie begehren!

DIE DREI HIRTEN leise.

Er unterlieget der Gewalt!

JÄGER ebenso.

Jedoch ich trotze der Gewalt!

Und wer sich naht, mich zu versehren,

Den macht mein gutes Eisen kalt.

VASCO leise.

Und sollt' er's wagen, sich zu wehren,

Macht ihn mein gutes Eisen kalt!

AMBROSIO UND PEDRO ebenso.

Nach seinem Golde trag' ich Begehren,

Doch besser wär's, im Hinterhalt!

VASCO wild.

Haut ein! Haut ein! Und scheuet nicht den Schall!

JÄGER mit einigen Schritten nach rechts.

Mein Schwert bestraft den frechen Überfall!

Die drei Hirten hauen mit ihren Beilen auf das Mittelgitter ein.

Es stürzt mit Geprassel ins Gemach.

[77] Die drei Hirten dringen über die Trümmer hinweg nach.


JÄGER steht rechts vom Mittelgitter und hält ihnen sein Schwert entgegen.

Halt!

Die drei Hirten prallen zurück und stehen unschlüssig.


JÄGER.

Noch schon' ich euch!

Doch knieet nieder alle gleich!

Ich bin –

VASCO.

Gilt gleich!

PEDRO zieht sich zurück.

Hör doch, wie er sich nennt.

JÄGER.

Ihr Schurken, bebt! Ich bin der Prinzregent!

Ambrosio und Pedro weichen zurück und knieen nieder.


VASCO einen Augenblick bestürzt, dann wild lachend zwischen beide tretend.

Ihr Memmen! Auf jetzt von der Erden!

Wollt ihr gevierteilt werden?


Er zieht sie empor.


Zum Jäger.


Du stürzest selbst dich in dein Blut,

Streng sei bestraft dein Übermut.

Die drei Hirten dringen auf den Jäger ein. Ambrosio hebt das Beil. Jäger verwundet Ambrosio am Arm.


AMBROSIO.

Weh' mir! Mein Arm!

Er weicht zurück und verschwindet, sich den blutenden Arm haltend, über die Mitteltreppe nach links.

Pedro sucht ihm entsetzt zu folgen.


JÄGER ist ihm nachgeeilt und versetzt ihm einen Streich.

Entfliehe, Mordgeselle!

Pedro eilt Ambrosio nach links hinaus nach.


VASCO wirft das Beil weg und zieht den Dolch; zum Jäger.

So bist du mein, ich sende dich zur Hölle!

JÄGER.

Sie wird dir selbst zum Grab!

Vasco ereilt den Jäger an der Mitteltreppe, umfaßt ihn.

[78] Jäger wirft sein Schwert von sich.

Jäger und Vasco ringen auf Leben und Tod, wobei Vasco als der Schwächere erscheint; sie drängen nach rechts vorn.


JÄGER entwindet Vasco die Waffe, durchbohrt ihn und schleudert ihn rechts vorn die verfallene Treppe hinab.

Mein Arm stürzt dich hinab!

Er hört Schritte, wähnt, daß die beiden andern zurückkommen, rafft sein Schwert auf und eilt nach der Mitteltreppe.

Gomez und Gabriele kommen atemlos von rechts über die Mitteltreppe.


Quelle:
Conradin Kreutzer: Das Nachtlager von Granada. Leipzig [o. J.], S. 76-79.
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