[Kann je um dich sich fremde Öde ziehen]

[70] Kann je um dich sich fremde Öde ziehen,

Wo keiner dir das Wort im Aug' erblicket,

Das Samenkorn im Herzen schon ersticket,

Eh' dir die Blumen auf der Lippe blühen?


So sei der Freund, den du mir selbst verliehen,

Dir in die volle Einsamkeit geschicket,

Sei zärtlich dir die treue Hand gedrücket,

Daß Heimweh und die Sehnsucht bald entfliehen.


Und dann hast du zum Lohne selbst empfunden,

Was du so freundlich an dem Freund geübet,

Denn alles was die Aussicht ihm getrübet:[70]


Die Fremde und die Sehnsucht sind verschwunden,

Hat er in deinem Briefe doch gefunden,

Dein Leben hell und seins, und wie er liebet.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 70-71.
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