[Nur einer noch strebt zu dem Himmelsbogen]

[61] Nur einer noch strebt zu dem Himmelsbogen

Der letzte ist's, die grüne Hoffnung spielt[61]

So bang um ihn, der ewig hingezogen

Im Himmelblau, die letzte Blüte kühlt.

Die Blüte harrt, will daß aus jenen Wogen,

Ein Sternlein ihr in Busen fall', doch wühlt

Ein schwarzer Sturm, in sanften Himmelsmeeren

Und ohn' den Stern, kann lang die Blüt' nicht währen.


Und endlich irrt, von unerstiegnen Höhen

Die es verließ, und nimmermehr erringt

Ein Wesen her; das mir mit süßen Wehen

Den Busen löst. Zur offnen Wunde dringt

Sein höhres Leben. Nie wird mir's vergehen

Weil mein Gebet sich um die Schönheit schlingt.

Doch kann sie nur sich schön herniederneigen

Und ohne sie ich nie die Höh' ersteigen.


So fesselt mich die schönste Freiheit wieder

Mit ew'ger Sehnsucht an die Erde hin.

Denn sie verlor die Göttlichkeit der Lieder

Die sie elegisch singt. Der hohe Sinn

Blickt traurig zu der harten Erde nieder

Und sucht der Freude spärlichen Gewinn.

So bete ich zum Ewigen das nimmer

In ihr verlischt, und weine um die Trümmer.


Ein reines Wesen hat mich an der Stelle

Wo es mich liebend stille angerührt

Mit Heiligkeit erfüllt und zarter Helle.

Und alles, was das Leben zu mir führt

Wird wilde Woge, in der sanften Quelle

Die sich wie Ähnlichkeit in mir verliert.

Ich seh' im Quell die Sterne spiegelnd beben,

Den Spiegel aber wellenabwärts streben.


Es spricht die kalte Schönheit auch aus Dir

Die nichts erzeugt, als ihren eignen Willen

So schön zu sein, und jeder beuget ihr

Den eignen Sinn, ihn mit ihr anzufüllen.[62]


Sie wandelt ewig sich nur schaffend hier.

Und nie kann sie die fremde Sehnsucht stillen.

Sie blickt in sich sich selbst so schön erbauet,

Denn sie erlischt wenn sie ins Leben schauet.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 61-63.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Märchen / Ausgewählte Gedichte (Fischer Klassik)