[Wie sich auch die Zeit will wenden, enden]

[123] Wie sich auch die Zeit will wenden, enden

Will sich nimmer doch die Ferne,

Freude mag der Mai mir spenden, senden

Möcht' Dir alles gerne, weil ich Freude mir erlerne,

Wenn Du mit gefaltnen Händen

Freudig hebst der Augen Sterne.


Alle Blumen mich nicht grüßen, süßen

Gruß nehm' ich von Deinem Munde.

Was nicht blühet Dir zu Füßen, büßen

Muß es bald zur Stunde, eher ich auch nicht gesunde,

Bis Du mir mit frohen Küssen

Bringest meines Frühlings Kunde.


Wen die Abendlüfte wehen, sehen

Mich die lieben Vöglein kleine

Traurig an der Linde stehen, spähen

Wen ich wohl so ernstlich meine, daß ich helle Tränen weine,

Wollen auch nicht schlafen gehen,

Denn sonst wär' ich ganz alleine.[123]

Vöglein euch mag's nicht gelingen, klingen

Darf es nur von ihrem Sange,

Wie des Maies Wonneschlingen, singen

Alles ein in neuem Zwange; aber daß ich Dein verlange

Und Du mein, mußt Du auch singen,

Ach das ist schon ewig lange.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 123-124.
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