Am Charsamstag 1818

[424] Warum er mich verlassen,

Mußt' ich zum Vater schrein,

Und du willst dich nicht fassen,

Willst niemals einsam sein.

Siehst du denn nicht die Kerzen

An meinem Grabe hier,

Was suchst du mich von Herzen,

Und weinest vor der Tür?[424]

Tritt ein du wirst mich finden,

So weit dein Glaube reicht,

Bekenne deine Sünden,

So wird dein Hoffen leicht,

Und wollen deine Augen

Mich liebend dann nicht sehn,

Soll dir der Glaube taugen

Blind zu dem Tisch zu gehn.


Das ist die rechte Liebe,

Die alles Dunkels lacht,

Die die vorwitz'gen Triebe

Gehorsam glaubend macht

Dann werden alle Sinnen

In meinem Hiersein neu

Dann denkt man nicht von hinnen

Auf daß man heilig sei.


Will Glauben, Lieben, Loben

Und Hoffen noch verstehn

So wollen sie nach oben

Vorbei beim Heiland gehn.

Du brauchst nicht so zu schreien

Die Türe schließ' ich nicht,

Wenn tausend Teufel dräuen,

Sie löschen mir kein Licht.


Wer will dich mir begraben,

Die Braut, der ich vermählt,

Mit der kannst du mich haben,

Hast du mich recht erwählt,

Die Kirche, die sie schmähen,

Sie ist die Mutter dein,

Sie lehrt dich auferstehen

Sie lehrt dich selig sein.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 424-425.
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